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Lokales
Drei Jahre nach dem erfolgreichen Berliner Wasser-Volksentscheid steht fest:
Anspruch auf Kostenerstattung
Von Ulrike von Wiesenau

Wie die mündliche Anhörung im September 2013 erwarten ließ, hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit seinem Urteil am 24.02.2014 die Klage der Berliner Wasserbetriebe (BWB) gegen das Bundeskartellamt abgewiesen. Weil die Wasserpreise in den vergangenen Jahren missbräuchlich überhöht waren, haben die Berliner Mieter Anspruch auf Erstattung. Demnach war das Bundeskartellamt berechtigt, von den Wasserbetrieben eine Senkung der Preise zu verlangen. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Berliner Wasserbetriebe von ihren Kunden privatrechtliche Entgelte und keine öffentlich-rechtlichen Gebühren erheben und darum der Aufsicht des Kartellamts unterliegen. (Az.: VI-2 Kart 4/12). Das Kartellamt darf mit diesem Urteil nicht nur für die letzten beiden Jahre, sondern auch für die Jahre von 2009 bis 2011 Preissenkungen anordnen.
 
Die Kartellprüfung hatte bereits im März 2010 begonnen. Die Wasserpreise blieben überhöht, nur unter Vorbehalt gab es für 2012 eine Erstattung von 60 Millionen. Jetzt endlich kommt die Preismissbrauchsverfügung des Bundeskartellamtes vom Juni 2012 mit einer Preissenkung für mehrere Jahre zur Wirkung. In ihrer Untersuchung hatten die Wettbewerbshüter festgestellt, dass die Ursache für die hohen Trinkwasserpreise in Berlin vor allem der sehr hohe Ansatz von "kalkulatorischen Kosten" - d.h. die Höhe der Verzinsung, Art und Dauer der Abschreibungen – im Wasserpreis ist. Mit anderen Worten: es sind die Gewinne, die in Berlin die Wasserpreise in die Höhe getrieben haben. Auch der Wassertisch-Untersuchungsausschuss "Klaerwerk" hatte in seiner Analyse der ehemals geheimen Vertragskonstruktionen festgestellt: Die privaten Anteilseigner haben sich mit dem Privatisierungsvertrag einen 'Risikozuschlag' erschlichen, den die Berliner seit 2004 bezahlen.

Auch Kartellamts-Präsident Mundt freut sich

Auf die Missbrauchsverfügung hin waren die zu diesem Zeitpunkt noch teilprivatisierten Berliner Wasserbetriebe mit Unterstützung des Senats mit der Begründung vor Gericht gegangen, dass die Kartellbehörde nicht zuständig sei. Die BWB sind damit nun klar gescheitert: das Oberlandesgericht Düsseldorf hat nicht nur die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes, sondern auch dessen Untersuchungsergebnisse und seine Preismissbrauchsverfügung voll bestätigt. Wer Preise erhebt, muss sich der Kontrolle des Kartellamtes unterwerfen. Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamtes äusserte in einer Stellungnahme nach dem Urteil: "Wir freuen uns sehr, dass das Oberlandesgericht unseren Beschluss nach einem sehr aufwendigen Missbrauchs- und Gerichtsverfahren bestätigt hat. Für die Verbraucher in Berlin bedeutet das, dass sie für den Zeitraum von 2012 bis 2015 um insgesamt etwa 250 Millionen Euro entlastet werden." Die Düsseldorfer
Entscheidung ist für Wasserversorger in ganz Deutschland von Bedeutung, denn das Bundeskartellamt strebt die Aufsicht über sämtliche Wasserversorger an.
 
Pflichten der Vermieter

Die Vermieter sind nun verpflichtet, zuviel gezahlte Beträge von den Wasserbetrieben zurückzufordern und an die Mieter weiterzugeben. Mit dem Urteil ist die durch den erfolgreichen Wasser-Volksentscheid vom Februar 2011 erzwungene Offenlegung der Verträge zur Privatisierung der Wasserbetriebe nun auch auf der Ebene der Wasserpreise wirksam geworden. Der Berliner Wassertisch und die Berliner Mietervereinigungen empfehlen nach dem Düsseldorfer Urteil eine Überprüfung der Wassergeldrückzahlung beim Vermieter. Die Berlin Mieter müssen nun danach schauen, dass sie mit der nächsten Betriebskostenabrechnung zu viel bezahlte Wassergebühren für das Jahr 2012 von ihren Vermietern erstattet bekommen. Die Gelder werden von den Wasserbetrieben an die Vermieter erstattet, die die pro Wohnung umgerechneten Gebühren an die Mieter weitergeben müssen. Die Belege zur Betriebskostenabrechnung können bei der zuständigen Hausverwaltung eingesehen werden.
 
Auch dem Finanzsenator eine Abfuhr erteilt

Seit Anfang dieses Jahres befinden sich die BWB nach Rückkauf der privatisierten Anteile wieder im Eigentum des Landes, es ist jetzt die Aufgabe des öffentlichen Eigentümers, die Kartellauflagen unverzüglich und in vollem Umfang umzusetzen. Den Rechenkünsten des Finanzsenators, der den überteuerten Rückkauf der Privatanteile aus weiterhin überhöhten Wasserpreisen durch die Wasserkunden bezahlen lassen will, ist mit dem Düsseldorfer Urteil ebenfalls eine Abfuhr erteilt worden.

Die Preismissbrauchsverfügung wurde bisher allerdings lediglich für die Trinkwasserpreise verhängt, bei denen die Zuständigkeit der Kartellbehörde eindeutig feststeht. Doch bei den Abwasserpreisen, die einen noch höheren Anteil am Gesamtpreis ausmachen, sind ebenso hohe Gewinnspannen einkalkuliert wie bei den Trinkwasserpreisen, d.h. sie sind ebenfalls missbräuchlich überhöht. Prozessbeobachterin Dr. Ulrike Kölver vom Berliner Wassertisch äusserte nach dem Düsseldorfer Urteil: "Die Berliner Wasserkunden haben jedes Recht, auch für die Abwasserpreise von den BWB bzw. vom Eigentümer Land Berlin eine entsprechende Preissenkung einzufordern. Die Preissenkungen insgesamt müssen durch Verminderung der missbräuchlichen Gewinne vollzogen werden. Sie dürfen weder zu Lasten der Beschäftigten gehen  noch durch Unterlassung notwendiger Investitionen umgesetzt werden."

BWB-Personalabbau trotz Preissenkung?
 
Die Wasserpreise sinken, doch Jörg Simon, Vorstandvorsitzender der Wasserbetriebe, gab bekannt, dass bei den Wasserbetrieben 15 bis 20 Millionen eingespart werden sollen und deshalb in den nächsten Jahren von den derzeit 4.600 Beschäftigten Personal in der Grössenordnung von 300 bis 400 Personen "sozialverträglich" abgebaut werden soll. Der Berliner Wassertisch kritisiert das Sparporgramm, er hat sich von Anfang an für eine Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe mit klar definierten Rechten der Beschäftigten eingesetzt. Der neoliberale Kurs der  privaten Anteilseigner müsse nun, da die Berliner Wasserbetriebe wieder in der öffentlichen Hand sind, umgehend korrigiert werden. Angst und Konkurrenzdruck dürften keinen Platz mehr haben in einem rekommunalisierten Unternehmen der Daseinsvorsorge. Die Chance einer Erneuerung und Restrukturierung der Berliner Wasserbetriebe  nach der Rekommunalisierung dürfe nicht vertan werden. Der Berliner Wasserrat weist die Richtung für eine überfällige Demokratisierung der überkommenen Strukturen. Ein Modell der direkten Beteiligung an einem öffentlichen Unternehmen könnte Leitbild für weitere Betriebe der Daseinsvorsorge sein. (PK)
 
Autorin Ulrike von Wiesenau ist Pressesprecherin des Berliner Wassertisches. Die Demokratie-Expertin ist Mitbegründerin des direktdemokratischen Untersuchungsausschusses "Klaerwerk" und des Berliner Wasserrates.


Online-Flyer Nr. 450  vom 19.03.2014

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