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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Globales
Sie "beschützen" nicht nur unsere Demokratie, verhindern nicht nur Terroranschläge
Geheimdienst-Aktivitäten auch in der Schweiz
Von Heinrich Frei

Nicht nur Geheimdienste der USA suchen in einem unermesslichen Datenmeer nach potentiell gefährlichen Subjekten, wie Stecknadeln in einem unendlich großen Heuhaufen. Diese Apparate führen in vielen Staaten ein Eigenleben, eben Beamte und an dieser „Arbeit“ beteiligte private Firmen die daran interessiert sind, dass diese immense Sammel- und Spionage-Tätigkeit der Dienste aufrechterhalten oder sogar noch ausgeweitet wird.
 

Rückseite einer Schweizer "Fiche"
Quelle: wikipedia









Vor 1989, vor der Wende in Osteuropa, überwachten Organe des Staatsschutzes in der so genannten freien Welt vor allem linke Bürger und Bürgerinnen. Heute werden im Westen hauptsächlich radikale Islamisten von den Demokratieschützern als sehr gefährlich eingestuft. Krampfhaft wird alles getan, damit diese Bedrohung durch islamistische Terroristen glaubhaft bleibt.
 
Die „Realität“ des „allgegenwärtigen“ muslimischen Terrors, den uns auch die Medien suggerieren, existiert jedoch fast nicht: Nur die wenigsten Terroranschläge werden in Europa und auch in den USA von extremistischen Islamisten verübt. Für 94 Prozent aller Terroranschläge zwischen 1980 bis 2005 in den USA sind andere Gruppierungen verantwortlich. Das gleiche gilt auch für Europa. Laut Europol wurden in der Europäischen Union im Jahre 2010 insgesamt 249 Terroranschläge ausgeführt oder vereitelt. Nur gerade drei davon gehen aufs Konto von Islamisten, wie der Europol-Bericht zeigt. (1)
 
1989 flog die "Fichenaffäre" in der Schweiz auf
 
Auch in der Schweiz sammelten die "Organe“ heimlich Informationen, um die Eidgenossen vor dem Kommunismus zu schützen. 1989 wurde es durch die "Fichenaffäre" ein wenig heller in der Dunkelkammer der Bundespolizei, die fleißig Infos gesammelt hatte: „In den späten 1980er Jahren war nach und nach ans Licht gekommen, dass die Schweizer Bundesbehörden und auch kantonale Stellen rund 900.000 "Fichen" (Karteikarten) angelegt hatten. Laut offiziellen Archiven waren mehr als 700.000 Personen und Organisationen betroffen; bei der damaligen Einwohnerzahl von rund 6,5 Mio. Menschen waren das mehr als zehn Prozent der gesamten Bevölkerung. Offizielles Ziel der "Fichierung" war es, das Land vor aus dem Ausland gesteuerten subversiven Aktivitäten zur Destabilisierung des Systems und nachfolgender Errichtung einer totalitären (kommunistischen) Diktatur zu schützen.“ (2)
„Das Erschreckendste auf den "Fichen" war der Vermerk «V» für Verdächtige, neben den Namen von politisch als «gefährlich» eingestuften Menschen, die im Krisen- oder Kriegsfall hätten interniert werden sollen“, vermerkte der Journalist Jürg Frischknecht. (3)
 
Der "Staatsschutz" der Stadt Zürich
 
Sogar die eher kleine Stadt Zürich beschäftigte eigene Staatsschutzbeamte, die Informationen sammelten. Wie viel Personal in jenen Jahren mit dieser „Arbeit“ in Zürich beschäftigt wurde, wie viel dies gekostet hatte und welche Flut von „Berichten“ produziert wurden, kann man im „Bericht der Untersuchungskommission an den Gemeinderat von Zürich, Staatsschutz der Stadt Zürich“ nachlesen. (4) Erschienen ist dieser Bericht im Februar 1991. Fleißige Beamte des Staatsschutzes, mit zusätzlichen bezahlten „Vertrauensleuten“ (Spitzeln) in Organisationen führten diesen Kampf gegen vermeintlich „destruktive Kräfte“ in Zürich. Die Informanten, auch Fotografen, wurden bei Demonstrationen und bei Veranstaltungen eingesetzt. Sie überwachten und beobachteten damals alles „was die freiheitlich-demokratische Ordnung“ nach der Meinung dieser Staatsschützer irgendwie hätte zerstören können. Von der Bewegung, die sich gegen eine Bewaffnung der Schweizer Armee mit Atomwaffen wehrte (5), der Partei der Arbeit (Kommunisten) bis zur Gruppe, die den Bau des HB-Südwest bekämpfte, wurde alles überwacht und registriert. Von der Wochenzeitung bis zur Zeitung "Klartext" war alles im Visier dieser Ordnungskräfte. – Außer Spesen, nichts gewesen? Einige Leute haben damals ihre Stelle verloren, andere bekamen auf Grund von geheimen „Dossiers“, die an Arbeitgeber weitergereicht wurden, eine Stelle nicht oder wurden entlassen, und, und?
 
Angst vor dem „Grossen Bruder“ der alles sieht und registriert
 
All diese Staatsschutz-Aktivitäten der Polizei, die schon vor dem Auffliegen der Fichenaffäre zum Teil bekannt waren, führten auch dazu, dass viele Menschen Abstand nahmen von gewissen Organisationen. Sie unterschrieben Petitionen, Initiativen und Referenden nicht, da sie mit Recht annahmen, damit würden sie auf einer Polizeiliste von Subversiven landen. Von politischen Veranstaltungen und von Demonstrationen hielten sich Leute fern, schrieben keine Leserbriefe. Sie hatten Angst, dass alles, was sie tun, vom „Grossen Bruder“ registriert werde, was auch häufig der Fall war, wie aus der Fiche ersichtlich war, die man später auf Anfrage zugeschickt bekam. Schon vor dem Auffliegen der Fichenaffäre war bekannt, dass Lehrer ihren Job riskierten, wenn sie sich in gewissen Organisationen oder Vereinen engagierten. Der Rektor einer Berufsschule warnte einen Lehrer, bei einer seiner Meinung nach verdächtigen Diskussionsgruppe mitzumachen, „der russische Revolutionär Lenin sei in Zürich auch in einem solchen „Kegelklub“, dabei gewesen“.(6)
 
Zum Teil wurden Detektive und Spitzel schon vor der Fichenaffäre enttarnt. Man machte sich auch lustig über die unbeholfenen Schnüffler und die Fotografen mit ihren Teleobjektiven, die regelmäßig an Demonstrationen, Veranstaltungen oder in der Nähe des Filmklubs "Der andere Film“ auftauchten, Die Bundespolizei führte nämlich auch über diesen Filmklub eine Fiche, genauso wie über das „Velo Komitee“ und die deutsche Zeitung TAZ. Die Besucher des Filmklubs "Der andere Film“, im Kino Etoile in Zürcher Niederdorf, wurden jeweils recht tollpatschig heimlich fotografiert.
 
„Marco Schmidt“ und andere Maulwürfe
 
In Gruppen die verdächtig waren, hatte die Polizei damals unter falschen Namen Fahnder eingeschleust, „Marco Schmidt“ (1980-83), „Willy Schaller“ 1980-85, „Henry Gasser“ 1985-86, „René Gross“ (1986) und weitere „Insider“. Um oppositionelle Gruppierungen in ein schlechtes Licht zu stellen, wurden von den Fahndern, den Maulwürfen, auch rabiate Mittel nicht abgelehnt. Walter Truninger, alias „Marco Schmidt“ „gab zu, das er das Legen einer Bombenattrappe vor dem El Salvador-Konsulat in Zürich-Altstetten am 21. Januar 1983 befürwortet habe und beim Erstellen wie beim Legen derselben dabei gewesen sei“. (Seite 196 des Untersuchungsberichtes „Staatsschutz der Stadt Zürich)
 
Schon 1976 flog das Archiv des privaten Subversivenjägers Ernst Cincera auf. Cincera, der auch mit Polizeistellen zusammenarbeitete, war eine Art Auskunftsstelle für Arbeitgeber gewesen. die wissen wollten, ob Stellenbewerber oder ihre Angestellten "sauber“ und nicht mit der falschen Seite liiert seien. Im „Demokratischen Manifest“ wurde ein Spitzel von Cincera enttarnt. So konnten vom Demokratischen Manifest im Geheimarchiv von Cincera tausende Info-Fichen beschlagnahmt und an die Betroffenen verteilt werden. (7) und (8)
 
Der totalitäre Staat: Überwachung mit staatlichem Terror
 
Befürchtet wurde, dass bei der Machtübernahme einer diktatorischen Clique bestehende Personen-Dossiers der Polizei für Verhaftungen verwendet werden könnten, denn vor 25 Jahren war auf Fichen der Schweizer Geheimpolizei der Vermerk «V» für Verdächtige zu finden. Dies bedeutete, dass ein als politisch «gefährlich» eingestufter Mensch im Krisen- oder Kriegsfall in der Schweiz hätte verhaftet und interniert werden sollen. In der Weimarer Republik in Deutschland überwachte die Polizei schon vor Hitler Oppositionelle und führte Verzeichnisse, sie verfügte quasi schon über die Steckbriefe von Kommunisten, Anarchisten usw. Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 konnten die Staatsorgane, nun unter der Kontrolle der Nationalsozialisten, auch auf solche Listen der Polizei zurückgreifen. Tausende von Kommunisten und Oppositionellen konnten so sehr schnell auf Grund der alten Steckbriefe verhaftet werden.
 
Unter Hitler wurden die Medien gleichgeschaltet. Die Geheime Staatspolizei, die Gestapo überwachte alles. Willkürliche Verhaftungen waren an der Tagesordnung. Der Staatsterror, die Angst machten sich auch in Deutschland breit. Hannah Arendt war der Meinung, ein totalitäres Regime wie unter Hitler oder Stalin, habe sich nur durch einem allgegenwärtigen staatlichen Terror aufrechterhalten lassen. Die Herrschaft werde in einem solchen System durch die nackte Angst vor der Verhaftung und durch das allgegenwärtige Misstrauen gesichert. Sie dokumentierte diese totalitären Herrschaftssysteme in ihrem Buch „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft". (9)
 
Terrorakte ausgebrütet durch die US-Bundespolizei FBI
 
Eine seltsame Rolle bei der „Bekämpfung des Terrors“ in den USA spielte die US-Bundespolizei, das FBI. Nicht selten wurden Terroristen vom FBI hereingelegt. Verdeckt operierende Agenten des FBI steuerten Individuen, oft gestörte Kriminelle, Terrorakte zu begehen. Dies ist das Ergebnis nach jahrelangen Recherchen, mit wissenschaftlicher Unterstützung der Universität von Kalifornien in Berkeley, des Magazins "Mother Jones“ (Terrorists for the FBI) Bei einer Untersuchung wurden die Fälle von 508 Angeklagten in Terrorismusfällen unter die Lupe genommen. (10) Am 28. April 2012 erschien in der New York Times der Artikel „Terrorist Plots, Hatched by the FBI“ von Davis K. Shriver. (11)
 
Die "Dienste“ der Vereinigten Staaten haben oft selber aktiv in das politische Geschehen eingegriffen. Nicht vergessen darf man, dass US-Geheimdienste und die US-Regierung, die jetzt Edgar Snowden und den mutigen inhaftierten Soldaten Bradley Manning verteufeln, in der Vergangenheit nicht nur versucht haben die Demokratie zu schützen und Terrorakte zu verhindern. Auch die "Dienste“ in Europa haben oft mit und ohne Wissen der Regierungen aktiv, auch mit Terror, in das politische Geschehen eingegriffen. Dies dokumentierte Daniele Ganser in seinem Buch “Nato-Geheimarmeen in Europa, inszenierter Terror und verdeckte Kriegführung“. (12) Besonders der US-Geheimdienst CIA war immer wieder auch im Ausland aktiv, z.B. beim Sturz von Mohammad Mossadegh (13) im Iran 1953, beim Sturz von Jacobo Árbenz Guzmández (14) in Guatemala 1954, beim Putsch gegen Salvador Allende in Chile 1973 usw.. Lesenswert dazu ist eine von Steve Kangas von Global Research in Kanada am 27. Oktober 2013 veröffentlichte Liste von Interventionen des US-Militärs und des CIA vom Zweiten Weltkrieg bis 1995. (15) (PK)
 
(1) https://www.europol.europa.eu/sites/default/files/publications/te-sat2011.pdf
(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Fichenskandal
(3) http://www.woz.ch/1349/die-fichenaffaere/vorsichtshalber-verdaechtigt
(4) „Bericht der Untersuchungskommission an den Gemeinderat von Zürich, Staatsschutz der Stadt Zürich“, Februar 1991
(5) http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D16516.php
(6) http://www.arachnia.ch/various/Brupbacher/brupbacher_gesamte_Broschuere.pdf
(7) Arbeitsgemeinschaft Demokratisches Manifest (Hrsg.): Dossier Cincera (PDF; 11,3 MB)
(8) http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Cincera
(9) Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, Piper, München-Zürich 1986 (TB), 12. Aufl. 2008, ISBN 978-3-492-21032-4
(10) „Mother Jones“. (Terrorists for the FBI) http://www.motherjones.com/special-reports/2011/08/fbi-terrorist-informants
(11) „Terrorist Plots, Hatched by the FBI“ von Davis K. Shriver
http://www.nytimes.com/2012/04/29/opinion/sunday/terrorist-plots-helped-along-by-the-fbi.html?pagewanted=all&_r=1&
(12) Daniele Ganser “Nato Geheimarmeen in Europa, inszenierter Terror und verdeckte Kriegführung“, Orell Füssli Verlag 2008
(13) http://de.wikipedia.org/wiki/Mohammad_Mossadegh
(14) Der Vater des guatemaltekischen Präsident Jacobo Árbenz Guzmándes wurde 1913 als Sohn des Schweizer Immigranten Jacobo (Jakob) Arbenz geboren. http://de.wikipedia.org/wiki/Jacobo_%C3%81rbenz_Guzm%C3%A1n
(15) http://www.globalresearch.ca/a-timeline-of-cia-atrocities/5348804
 
Heinrich Frei ist Vizepräsident des Fördervereins “Neue Wege in Somalia“, Homepage: www.nw-merka.ch, und zu erreichen in der Affolternstrasse 171, CH-8050 Zürich,
Tel.: 0041 44 491 19 73, E-Mail: heinrich-frei@bluewin.ch
 


Online-Flyer Nr. 445  vom 12.02.2014

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