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Inland
Nach Ablehnung der Zivilklausel durch den Senat der Universität Kassel
Auszeichnung mit dem „Goldenen Panzer 2013"
Von Peter Kleinert

„Heute ist ein schwarzer Tag für den Frieden“, konstatiert Julian Firges vom „Arbeitskreis Zivilklausel“ an der Universität Kassel nach der Senatssitzung am Mittwoch, 4. Dezember laut einer Pressemitteilung des AK. Kurz zuvor hatte sich der Senat mehrheitlich gegen die Einführung einer wirksamen Klausel, die Forschung und Lehre für militärische Zwecke an der Uni Kassel ablehnt, ausgesprochen.

Studierende demonstrieren für Zivilklausel vor der Senatssitzung an der Uni in Kassel
Alle Fotos: http://zivilklauselkassel.blogsport.de
 
„Unsere Forderung nach Transparenz durch die Einführung einer Kommission, die auf nachhaltige, verantwortungsvolle und friedliche Wissenschaft achtet, wurde abgelehnt“, erklärte der sichtlich enttäuschte Julian Firges. Dabei hatte die Ethikkommission bereits einen Kompromiss angenommen. Während die Studierenden der Universität Kassel eine hochschulweite und noch bessere öffentliche Transparenz forderten und das Präsidium eine Ethikkommission sogar in einem eigenen Zivilklausel-Entwurf noch im Juli selbst vorgesehen hatte, äusserte der Hochschulrat der Universität dagegen rechtliche Bedenken. Einen Versuch, diese zu belegen, gab es nie.
 
Laut dem beratenden Gremium, in dem u.a. Vertreter der Wirtschaft sitzen, sei eine „Kommission für Ethik in Forschung und Lehre“ nicht mit dem Hessischen Hochschulgesetz vereinbar. „Dabei gibt es eine solche Kommission bereits an der Technischen Universität Darmstadt“, erwiderte Claudia Holzner vom Arbeitskreis Zivilklausel verwundert. Die junge Studentin machte zudem darauf aufmerksam, dass es an der Uni Kassel auch schon andere senatorische Kommissionen - etwa zur Qualitätssicherung von Forschung und Studium - gebe und die Argumentation des Hochschulrats somit hinfällig sei.
 
Zwar hatte der Senat in seiner Sitzung auch beschlossen, dass Militärforschung an der Universität eigentlich nichts zu suchen habe, doch dies sei aber nur eine „soll“-Bestimmung. Durch die Ablehnung der „Kommission für Ethik in Forschung und Lehre“ wird nun nicht einmal eine Kontrolle auf die Einhaltung dieser „soll“-Bestimmung stattfinden. Trotzdem schmückt sich die Universitäts-Leitung in einer aktuellen Pressemitteilung damit, im Senat angeblich eine „Zivilklausel“ beschlossen zu haben. Die Studierenden bezeichnen diese aber als „Papiertiger“ – nicht ohne Grund, denn in der Vergangenheit wurden Fälle bekannt, bei denen an Universitäten mit ähnlich schwammig formulierten Klauseln dennoch
Militärforschung stattfand – etwa an den Universitäten Tübingen und Konstanz. (1) Auch an der Universität Kassel sei Kriegsforschung nun weiter problemlos möglich.

Uni-Präsident Prof. Postleb begutachtet ein Transparent
 
Für Unmut bei den Mitgliedern des AK Zivilklausel sorgt aber nicht nur die Ablehnung einer wirksamen Zivilklausel, sondern auch das Verhalten vieler Senats-Mitglieder in der Sitzung selbst. So lehnte der Senat ein Rederecht von Arbeitskreis-Mitgliedern bei 7 Ja- und 6 Nein-Stimmen per Enthaltungsmehrheit ab: „Was ist das für eine Diskussionskultur?“, fragte Claudia Holzner. Bereits im Sommer habe das Präsidium einem Rechtsanwalt, der in einem juristischen Gutachten die Rechtmäßigkeit einer Zivilklausel bestätigt hatte, den Zugang zur Senats-Sitzung verwehrt. Holzner zeigt sich ob dieses Verhaltens der Universitäts-Leitung bestürzt: „Auch das Votum der Studierendenschaft, die sich im Januar 2013 bei einer Urabstimmung mit einer überwältigenden Mehrheit von über 72 Prozent für eine verbindliche Zivilklausel ausgesprochen hatte, wurde vom Senat vollkommen ignoriert.“
 
Wie es nun mit dem Streit für friedliche Forschung und eine wirksame Zivilklausel an der Universität Kassel weitergehen wird, wissen die Mitglieder des AK Zivilklausel noch nicht: „Wir müssen den Schock erstmal verkraften, immerhin haben wir fast zwei Jahre auf die Senats-Sitzung hingearbeitet“, so Julian Firges. Frieden sei nach wie vor eine Frage des Willens, erklärte Firges weiter: „Doch daran fehlte es heute dem Präsidium und dem Senat. Eine Schande.“

„Goldene Panzer 2013“ für Senat und Präsidium
 
Als erste Reaktion auf die abgelehnte Zivilklausel verliehen Mitglieder des Arbeitskreises Zivilklausel dem Präsidium sowie den Senatorinnen und Senatoren, die gegen die Klausel gestimmt hatten, noch in der Sitzung den Satire-Preis „Goldener Panzer 2013“. Uni-Präsident Prof. Rolf-Dieter Postlep nahm mit Handschlag eine Flasche „Panzer Sekt“ vom Arbeitskreis entgegen. „Die deutsche Rüstungsindustrie dankt für Ihre Unterstützung! Auf Krieg und Tod! Wohl bekomms!“, war auf der Flasche zu lesen. (PK)

(1) Siehe dazu auch den Artikel von Dietrich Schulze


Online-Flyer Nr. 436  vom 11.12.2013

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