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Aktueller Online-Flyer vom 27. April 2024  

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Kommentar
Nötig, doch überschätzt
Mindestlöhne genügen nicht
Von Harald Schauff

Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes ist überfällig. Die Sozialdemokraten fordern ihn, die Grünen, die Linken sowieso. Mindestens 8,50 Euro die Stunde soll er betragen, die Linke will 10 Euro, später sogar 12. Die Merkel-CDU setzt auf "branchenspezifische" Mindestlöhne, die in den einzelnen Branchen von den Tarifpartnern ausgehandelt werden. Den anderen geht das nicht weit genug. Gesetzlich wäre besser.


Quelle: www.Mindestlohn10EU
  
Bleibt zu hoffen, dass er endlich kommt. Damit deutlich wird, dass man seine Wirkung überschätzt. Mit ihm allein ist es nicht getan, auch wenn er vielen Beschäftigten zunächst einmal helfen mag. Die Schere zwischen Arm und Reich wird er nicht schließen können.
 
Linke Gegner eines bedingungslosen Grundeinkommens stellen diesem den Mindestlohn gern als nach ihrem Dafürhalten realistische Alternative gegenüber. In der Vergangenheit verwiesen sie häufig auf Großbritannien als Beispiel für die erfolgreiche Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen. In letzter Zeit war allerdings von dieser Seite kein Verweis mehr auf das Inselreich zu hören. Mit gutem Grund: Das Land befindet sich in einer tiefen Wirtschaftskrise.
 
Die Talfahrt begann mit der Finanzkrise 2008. Inzwischen liegt die Arbeitslosenquote bei beinahe 8 %. 27 % der Kinder sind von relativer Armut betroffen. Laut einer Studie der Universität Bristol lebt ein Drittel der britischen Bevölkerung in "prekären Verhältnissen" (1).  Millionen Briten fehlt es an genügend Essen und Heizmaterial. Armutsforscher sagen eine weitere Verschlimmerung der Situation voraus, infolge von schrumpfenden Sozialleistungen und sinkenden Reallöhnen.
 
Die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich hat auch politische Folgen: Rechts von den konservativen Tories hat sich die anti-europäische Partei United Kingdom Independence Party UKIP gebildet. Sie führt alle wirtschaftlichen Probleme des Inselreiches auf europäische Einflüsse zurück und fordert vehement den Austritt Großbritanniens aus der EU. Man will sich ganz auf seine Insel zurückziehen und auf alte Stärken besinnen. Am liebsten hätte man alles wieder so wie in den erfolgreichen 50er und 60er Jahren. Die Partei ist keine Randerscheinung: Bei den letzten Kommunalwahlen holte sie 23 % der Stimmen. Abgestimmt wird nächstes Jahr auch in Schottland: Die Schotten entscheiden, ob sie weiter zu Großbritannien gehören wollen oder ganz unabhängig werden. Der sozialen droht die nationale Spaltung zu folgen.
 
Bei allem, was für ihn spricht, konnte der Mindestlohn diese bedenkliche Entwicklung nicht stoppen. So sehr er die Situation vieler Beschäftigter im Augenblick erleichtert, so wenig vermag er das Öffnen der sozialen Schere aufzuhalten. Vor den Rationalisierungseffekten des technischen Fortschritts kann er Beschäftigte eben so wenig schützen wie vor den Verwerfungen durch schwere Wirtschaftskrisen. Somit stellt er eben keine Alternative zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens dar. Er kann dieser höchstens die Bahn bereiten, indem er verhindert, dass eine (noch) nicht existenz-sichernde Höhe des
Grundeinkommens zu weiterer Lohndrückerei führt. Deshalb ist seine Einführung sinnvoll. (PK)

(1) Daten und Fakten: Siehe SPIEGEL 25 /2013
 
Harald Schauff ist Redakteur der Kölner "Straßenzeitung Querkopf". "Querkopf" ist "eine Mitmachzeitung von kritischen Menschen, denen die gezielte Meinungsmache der allgemeinen Presse gegen den Strich geht. "Das Organ für alle, die sich gegen die Willkür der Mächtigen zur Wehr setzen, denen Macht- und Geldinteressen ein Dorn im Auge sind. Mach auch Du Deinem Ärger über die herrschenden Verhältnisse Luft im Querkopf!" Wer "Querkopf" verkaufen möchte: Im Kiosk am Kölner Salierring 15 gibt es die Zeitung von 7 bis 14 Uhr für Verkäufer, die vom Verkaufspreis 1,50 Euro 0,75 Euro erhalten.


Online-Flyer Nr. 432  vom 13.11.2013

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