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Lokales
Aufruf des "Berliner Wassertisch":
Stimmen Sie beim Energie-Wende-Volksentscheid am 3. November mit "Ja"!
Von Ulrike von Wiesenau

56 Verbänden und Organisationen, die das Bündnis des Berliner Energietischs bilden, geht es um die Umsetzung der Energiewende in Berlin: Die Stromerzeugung soll Schritt für Schritt auf erneuerbare Energiequellen umgebaut werden, weg vom Atomstrom und von der klimaschädlichen Kohleverstromung. Der Gesetzentwurf des Berliner Energietischs, über den am 3. November abgestimmt werden wird, hat zwei Hauptziele: das Land Berlin soll dazu verpflichtet werden, ein landeseigenes Stadtwerk für die Erzeugung und den Vertrieb von Ökostrom zu gründen, das bereits vorhandene Erzeugungskapazitäten bündelt und eine ökologische Stromerzeugung aufbaut. Weiter soll das Land Berlin eine eigene Netzgesellschaft gründen, in die das derzeit von Vattenfall betriebene Stromnetz zurückgeführt wird. Der Gesetzesentwurf regelt dabei auch, welche Aufgaben das Stadtwerk und die Netzgesellschaft haben und verpflichtet sie, nach ökologischen und sozialen Grundsätzen zu handeln.
 

Bald vom Berliner HBF verschwunden? –
Vattenfall-Werbung
Quelle: umweltfairaendern.de
Foto: Dirk Seifert
Momentan gibt es in Berlin eine Übermacht des Stromkonzerns Vattenfall. 94% des Berliner Vattenfall-Stroms werden aus Kohle erzeugt, und es ist keine Umkehr in Sicht. Dazu ist es ein Tochterunternehmen von Vattenfall, das in Berlin das Stromnetz betreibt und jedes Jahr Millionengewinne an den Mutterkonzern überweist. Da aber im Jahr 2014 die Konzession für das Stromnetz ausläuft, besteht jetzt die einmalige Chance einen neuen Netzbetreiber zu bestimmen.

Der Gesetzentwurf sieht vor, eine Netzgesellschaft und ein Stadtwerk als Anstalt öffentlichen Rechts zu errichten mit dem Ziel, das Berliner Stromnetz zum 1.1.2015 zu übernehmen, eine Stromerzeugung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien aufzubauen und vermehrt alle Energieeinsparmöglichkeiten zu nutzen. Außerdem sollen eine demokratische Beteiligung durch die Direktwahl von Teilen des Verwaltungsrats, ein Initiativrecht der Bürgerinnen und Bürger sowie regelmässig stattfindende Versammlungen geschaffen werden. Der
Gesetzentwurf des Energietischs sieht die Gründung einer kommunalen Netzgesellschaft vor, der auch in Sachen demokratischer Kontrolle und Transparenz eine Vorreiterrolle in Deutschland zukäme.

Die Taktik des Senats, das Anliegen des Energievolksentscheides als bereits erledigt zu erklären, kommt dem Berliner Wassertisch nur zu bekannt vor. Zwei Jahre zuvor sollte das novellierte Informationsfreiheitsgesetz den Wasser-Volksentscheid überflüssig erscheinen lassen, diesmal ist es der unter dem Druck des Energie-Volksbegehrens beschlossene Gesetzesentwurf der großen Koalition zur Gründung eines Mini-Stadtwerkes. Statt den Konkurrenzentwurf mit zur Abstimmung zu stellen, wurde er als Abfanggesetz wenige Tage vor dem Volksentscheid im Parlament durchgepeitscht, ein politischer Dialog wurde auf diese Weise bewusst verhindert. Dabei sieht die Berliner Verfassung vor, dass das Abgeordnetenhaus bei einem Volksentscheid einen Gegenentwurf mit zur Abstimmung stellen kann, so dass die Bürgerinnen und Bürger zwischen zwei Optionen wählen können.

Einmal mehr zeigt sich, dass die Berliner Politik aus vergangenen Erfahrungen nichts gelernt hat, dass sie weit davon entfernt ist, den Souverän, das Volk, zu respektieren. Bereits mit der Festlegung des Abstimmungstermins, der nicht parallel zur Bundestagswahl sondern separat, sechs Wochen später, gelegt wurde, sollte ein Erfolg des Volksentscheid behindert, eine Beteiligung der Bürger erschwert werden, wurde der klamme Landeshaushalt unnötig mit den Kosten für einen zweiten Urnengang belastet. Über zunehmende Politikverdrossenheit und
ein Glaubwürdigkeitsproblem repräsentativer Demokratie muss man sich angesichts dieser Vorgänge nicht wundern.

Der Berliner Wassertisch hat deshalb in einer breit angelegten Kampagne zur Unterstützung des Berliner Energie-Volksentscheides am kommenden Sonntag aufgerufen:  "Wir sind zuversichtlich, dass die Hinhalte- und Behinderungs-Taktik des Senats beim Energie-Volksentscheid ebenso scheitern wird wie beim Wasser-Volksentscheid am 13. Februar 2011. Die Hürde für den Energie-Volksentscheid liegt hoch, 620.000 Ja-Stimmen werden benötigt, gehen Sie also unbedingt zur Abstimmung, die Energiewende in Berlin darf nicht am demokratiefeindlichen Quorum scheitern. Setzen Sie dem Senat und den Regierungsparteien am 3. November 2013 Ihr direktdemokratisches Votum entgegen. Stimmen Sie beim Energie-Volksentscheid mit "Ja"!"

Mehr zum Berliner Wassertisch: http://berliner-wassertisch.net

Zur Autorin: Ulrike von Wiesenau ist Pressesprecherin des Berliner Wassertisches und war maßgeblich am Entwurf der Kampagne des erfolgreichen Berliner Wasser-Volksentscheides beteiligt. Die Privatisierungs-Expertin berät Organisationen und Initiativen der direkten Demokratiebewegung bei Öffentlichkeitsarbeit und politischen Aktionen.

Zur Erinnerung:
Berliner Wasser-Volksentscheid,  Berliner Energie-Volksentscheid - Wie sich die Bilder gleichen!
11. Februar 2011:  Aufruf zum Wasser-Volksentscheid:
Herzlich willkommen zur Pressekonferenz des Berliner Wassertischs zum Volksentscheid. Wir freuen uns, dass Sie wieder den Weg zu uns gefunden haben. Wir haben nicht darauf bestanden, heute hier zu sein. Im eisigen Februar hätten wir den Berlinerinnen und Berlinern den Weg zu den Wahllokalen gerne erspart. Es hätte uns gefreut, wenn Senat und Abgeordnetenhaus unseren Gesetzestext übernommen hätten. Dem ist nicht so. Deshalb rufen wir nun auf zum Volksentscheid!

Nach dem Erfolg des Volksbegehrens, unter dem Druck von 320.000 Stimmen, kam plötzlich Bewegung in die Politik und in die Konzernzentralen von RWE und Veolia. Von allen Parteien war nun zu hören, dass sie eigentlich schon immer für die Veröffentlichung der Geheimverträge gewesen seien. Wurde zuvor behauptet, eine Veröffentlichung der Verträge hätte hohe Schadensersatzforderungen an das Land Berlin zur Folge, gab der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit bei seiner eilig einberufenen Pressekonferenz am Tage der Veröffentlichung der Verträge zu Protokoll, dass doch alles kein Problem sei und man „nichts zu verbergen“ habe. Wenn dem so ist, dann drängt sich natürlich die Frage auf: Warum sind die Verträge so lange geheim gehalten worden?

Die Politik behauptet, der Volksentscheid sei nun überflüssig, weil alles offengelegt sei. Aber: Bis heute hat sich kein Senatsmitglied für die vollständige Offenlegung verbürgt, ein vor Gericht verwertbares Dokument dazu gibt es nicht. 700 Seiten umfasst der im Internet veröffentlichte Text. Doch die vollständigen Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden füllen mehr als 180 Aktenordner, Berliner Zeitungen sprechen von 90.000 Blatt. Es überrascht daher nicht, dass einige wichtige Vereinbarungen, die für eine rechtliche Gesamtbeurteilung des
Vertragswerks relevant sind, in der Veröffentlichung fehlen.

Das neue Informationsfreiheitsgesetz (IFG), auf dessen Grundlage die Veröffentlichung im Internet erfolgte, ist nicht geeignet, die vollständige Offenlegung zu gewährleisten. Deshalb ist unser Gesetz so wichtig. Sein einfacher und klarer Grundsatz lautet: Ein Privatunternehmen, das mit einem öffentlichen Betrieb im Bereich der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern Verträge abschließt, muss zu vollständiger Offenlegung bereit sein - es muss sich von Anfang an den Erfordernissen demokratischer Transparenz und Kontrolle unterwerfen. Für die Verträge zur Berliner Wasserprivatisierung heißt das: Eine Geheimhaltung, die über den Schutz bestimmter personenbezogener Daten hinausgeht, ist nicht rechtmäßig und führt zur Unwirksamkeit der vertraglichen Vereinbarungen sowie der dazugehörigen Beschlüsse und Nebenabreden.

Der Berliner Senat behauptet, dass unser Gesetz verfassungswidrig sei. Diese Vorgehensweise ist nicht neu. Schon 2008 hatte er mit der Behauptung der Verfassungswidrigkeit versucht, das Volksbegehren zu verbieten. Ein Jahr später hob das Landesverfassungsgericht den Senatsbeschluss auf. Es ist an der Zeit, dass die Berliner Bürgerinnen und Bürger den Senat daran erinnern, welche Rolle den Geboten der demokratischen Legitimation, Transparenz und Kontrolle in unserer Verfassung zukommt!

Mit großer Besorgnis beobachten wir, dass die privaten Wirtschaftskonzerne immer mehr Bereiche unseres Lebens ihren Gewinninteressen unterwerfen. Nun ist offenbar unsere Grundversorgung mit lebenswichtigen Gütern wie Wasser und Energie an der Reihe. Die Politik ist außerstande, diesem schleichenden Okkupationsprozess Einhalt zu gebieten, im Gegenteil, für eine vorübergehende Sanierung öffentlicher Haushalte sind die Politiker immer häufiger bereit, sogar im Bereich der Grundversorgung Privatisierungen zuzustimmen, obwohl diese gerade dort mit nicht zu verantwortenden Risiken verbunden sind.
Es liegt nun in der Hand der Bürgerinnen und Bürger, diesen Entwicklungen entgegenzutreten. Es geht darum, dem Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge Einhalt zu gebieten. Die Folgen einer Art von Privatisierung, die sich unter dem ebenso wohlklingenden wie irreführenden Namen einer „Öffentlich-Privaten Partnerschaft“ vollzieht, sind in unserer Stadt nicht zu übersehen. Spätestens seit dem S-Bahn-Desaster wissen alle, wie teuer uns die Privatisierung kommunaler Betriebe zu stehen kommt. Auch für die teilprivatisierte Berliner Wasserversorgung, bei der gewinnmaximierenden Konzernen im Rahmen von Geheimverträgen hohe Gewinngarantien und Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden, sind die negativen Folgen bekannt: Exorbitante Preissteigerungen, massiver Abbau von Arbeitsplätzen und, wie längerfristig zu befürchten steht, die Vernachlässigung notwendiger Instandhaltungsarbeiten und Ersatzinvestitionen.

Der anstehende Volksentscheid wird regional, national und international mit großer Spannung verfolgt. Im Brennpunkt des Interesses steht die Frage, ob es unserer Bürgerinitiative gelingt, nach dem erfolgreichen Volksbegehren nun auch die zweite, entscheidende Etappe zu gewinnen und damit der unheiligen Allianz zwischen Privatunternehmen und staatlichen Institutionen in Berlin Einhalt zu gebieten. Gelänge dies, würden wir einen Präzedenzfall in Sachen Transparenz, Demokratie und Bürgerrechten schaffen, der weit über die Grenzen Berlins hinaus zum Signal des Aufbruchs für die Menschen werden kann.

Mit dem Volksentscheid am 13. Februar 2011 wird demnach über einen Gegenstand entschieden, der sowohl übergeordnete Bedeutung besitzt als auch ganz konkret umrissen ist. Im Gegensatz zu Bundestags- oder Landtagswahlen stehen hier nicht Parteien zur Wahl, die sich in ihrer praktischen Politik kaum noch unterscheiden. Der Volksentscheid bezieht sich auf klar unterscheidbare Alternativen, und er bleibt nicht folgenlos, ganz im Gegenteil, er hat ganz konkrete Auswirkungen auf die Wasserversorgung in Berlin.

Deshalb appellieren wir an alle Berlinerinnen und Berliner: Ergreifen Sie diese Möglichkeit, wirklich mitzubestimmen, gehen Sie zur Wahl! Schaffen Sie Klarheit! Sorgen Sie dafür, dass das Vertragswerk zur Berliner Wasserprivatisierung vollständig offengelegt werden muss und dass rechtswidrige Vereinbarungen unwirksam werden!

Überlassen wir die Bereiche der elementaren Daseinsvorsorge nicht gewinnorientierten Konzernen! Schaffen wir mit der vollständigen Offenlegung der Verträge die Voraussetzung für eine kostengünstige Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe! Bringen wir das lebenswichtige Gut Wasser wieder in öffentliche Hand!

Die Erfahrung des Volksbegehrens lehrt uns: Nur wenn wir den politischen Druck aufrecht erhalten, wird die Überführung der Berliner Wasserversorgung in Bürgerhand auch dann noch auf der Tagesordnung stehen, wenn die Zeit der Wahlkampfversprechen vorüber ist.

Mindestens 612.000 Ja-Stimmen sind nötig. Wir bitten alle Berlinerinnen und Berliner: Gehen Sie am 13. Februar zum Volksentscheid!
Stimmen sie mit JA für „Unser Wasser“! (PK)


Online-Flyer Nr. 430  vom 30.10.2013

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