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Globales
Bald kein Hindernis mehr für ein neues Sykes-Picot-Abkommen à la 1916
USA lassen syrische "Rebellen" fallen
Von Thierry Meyssan

Sie haben sicherlich die Änderung des Tons der atlantischen Presse zum "syrischen Problem" bemerkt. Die "Rebellen", diese "Helden der Freiheit", haben sich plötzlich in fanatische Terroristen verwandelt, die sich zerfleischen. Für Thierry Meyssan, von dessen Syrischen Chroniken wir 2012 acht Folgen veröffentlicht haben, gibt es da nichts Neues unter der Sonne: Washington hat einfach die Idee, Baschar Al-Assad zu stürzen, fallen gelassen und nimmt Kurs auf die Abhaltung der Konferenz Genf II, die nach Ansicht von US-Außenamtschef John Kerry frühestens im September stattfinden wird. Nächster Schritt: der Verlust des französischen Einflusses in der Region. – Die Redaktion

Historische Landkarte zum Sykes-Picot-Abkommen von 1916
Quelle: www.planet-schule.de
 
 
Am 13. Juni hatte der Sprecher des Rates der nationalen Sicherheit (NSC) der Vereinigten Staaten angekündigt, dass die rote Linie überschritten worden sei: Wie die durch Franzosen und Briten gesammelten Beweise zeigten, hätte das Syrien von Baschar Al-Assad chemische Waffen gegen sein eigenes Volk benutzt. Man werde jetzt also sehen, was da kommen wird! Sofort wurde das neue gemeinsame Oberkommando der NATO-Landstreitkräfte in Izmir (Türkei) aktiviert. Der Krieg stand unmittelbar bevor.
 
Einen Monat später war diese westliche Überzeugung verschwunden. Die atlantische Presse entdeckt mit Schrecken, dass der bewaffnete Widerstand in Syrien aus Fanatikern besteht, die von den meisten Syrern gehasst werden, was wir seit zwei Jahren unaufhörlich erklären. Währenddessen liefern die Freie Syrische Armee (FSA) und die Al-Nusra Front einander vor Ort einen unbarmherzigen Krieg, statt gegen die Truppen von Damaskus zu kämpfen.
 
Was war also geschehen, das den "Befreiungskrieg" von Syrien in so ein riesiges Schlamassel verändert hat? In Wirklichkeit hat sich nichts in diesem einen Monat geändert: Die Syrische Arabische Armee hatte nie chemische Waffen gegen die "Rebellen" eingesetzt. Und sie haben sich auch nicht "radikalisiert." Im Gegenteil, der US-Plan, den ich als Erster im November letzten Jahres präsentiert habe, wird langsam installiert. Das Programm des Tages ist das Fallenlassen der bewaffneten Opposition.
 
All dies bestätigt uns das Erlahmen des angelsächsischen Imperialismus. Das Inkrafttreten an Stelle der in Washington getroffenen Beschlüsse erfolgt mit extremer Langsamkeit. Dieser Vorgang unterstreicht die Blindheit der westlichen Medien, die diese Beschlüsse ignorieren, bis sie sich dann in konkretes Handeln umsetzen. Unfähig die Welt zu analysieren wie sie ist, beharren sie darauf, die „politische Kommunikation“ nachzuplappern und als glaubwürdig darzustellen.
 
Also, was ich bereits schrieb [1], und was von den dominierenden Medien als "Verschwörungstheorie" bezeichnet wurde, wird ihnen nun auch offensichtlich - zehn Monate später. Eric Schmitt schrieb in der New York Times mit zarter Anspielung, dass "die Pläne der US-Regierung wirklich bescheidener sind, als sie sie in der Öffentlichkeit und privat erklärte" [2]. Stattdessen posaunt David Ignatius Titel grob in der Washington Post: „die syrischen Rebellen wurden von Washington im Stich gelassen“. [3]. Sie erwarteten Panzerabwehrwaffen und empfingen 120 mm-Mörser. Flugzeuge wurden ihnen versprochen, aber sie erhielten Kalaschnikows. Waffen kommen in jeder Menge an, aber nicht um Baschar Al-Assad zu stürzen, sondern damit sie sich untereinander töten, bis keiner mehr übrigbleibt.
 
Und damit kein Zweifel aufkommt: John Brennan, Direktor der CIA, und Vizepräsident Joe Biden haben unter Ausschluss der Öffentlichkeit den Kongress überzeugt, man sollte keine entscheidungsschweren Waffen nach Syrien schicken. Unterdessen stürzte sich in London das House-of-Commons in dieselbe Frontlücke. Und in Paris versuchen Alain Marsaud und Jacques Myard - aus anderen Gründen - die Nationalversammlung zur gleichen westlichen Verweigerung zu bewegen und die "Rebellen" nicht weiter zu unterstützen.
 
Ohne jegliche Bedenken hat Laurent Fabius, der französische Minister für Auswärtige Angelegenheiten, der im Dezember die Registrierung der Al-Nusra Front durch die USA auf ihrer Liste der Terrororganisationen noch bedauerte, "weil sie gute Arbeit an Ort und Stelle leisten" (sic!), die Vereinten Nationen gebeten, sie in die internationale Liste der terroristischen Organisationen aufzunehmen. Und Manuel Valls, der französische Innenminister, sagte am 19. Juli auf dem Sender France 2, dass die auf Seiten seiner früheren islamistischen Verbündeten kämpfenden Franzosen verhaftet und nach ihrer Rückkehr nach Frankreich angeklagt würden.
 
Die Genfer Konferenz, von der man nun seit einem Jahr spricht, rückt näher. Die Haupthindernisse stammten von der Nationalen Koalition, die, von Katar unterstützt, als Vorbedingung die Kapitulation von Baschar Al-Assad forderte, und von den Franko-Briten, die sich weigerten, Saudi-Arabien und Iran am Verhandlungstisch zu akzeptieren.Ajatollah Chamenei hat aber inzwischen Präsident Ahmadinedschad und seinen Kabinettschef Meshaie aus dem Spiel entfernt, Männer des Glaubens und der antiklerikalen Föderalisten, um sie durch Scheich Rohani, einen sehr pragmatischen Kleriker zu ersetzen. Sofort nach seiner Installation als neuer iranischer Präsident Ende August, soll Letzterer akzeptieren, an den Verhandlungen teilzunehmen. Die Angelsachsen entfernten ihrerseits Katar aus dem Spiel, diesen Mini-Gas Staat, der ihnen erlaubte, das Bündnis zwischen NATO und der Muslimbruderschaft zu verheimlichen. Sie haben die Verwaltung der "Rebellen" in Syrien allein Saudi Arabien anvertraut, während diese internationalen "Rebellen" in ihrer Presse diskreditiert werden. Mit oder ohne König Abdallah sollte Riyad auch die Verhandlungen akzeptieren.
 
Eine gefälschte Überraschung: auf dringende Bitte von US-Staatssekretär John Kerry hat die Palästinensische Autonomiebehörde der Wiederaufnahme von Verhandlungen mit Israel zugestimmt, selbst wenn dieses die Besiedlung der besetzten Gebiete weiterführt.
 
Abgesehen von unerwarteten Ereignissen in Ägypten oder Tunesien, sollte es innerhalb von zwei bis drei Monaten keine großen Hindernisse mehr geben, um Genf II abzuhalten, das "neue erweiterte Sykes-Picot" Abkommen. Diesen Namen trug schon 1916 die geheime Absprache, mit der sich Frankreich und das Vereinigte Königreich den Nahen Osten während des ersten Weltkrieges geteilt hatten. In dieser anstehenden Konferenz werden sich nun die Vereinigten Staaten und Russland Nordafrika und die Levante auf Kosten Frankreichs teilen, indem sie die Region in Zonen aufteilen, die von den Saudis (Sunniten) oder Iranern (Schiiten) unterverwaltet werden.
 
Nachdem der Emir von Katar zur Abdankung gezwungen wurde und die "Rebellen" in Syrien aufgegeben haben werden, wird Washington nun seinem treuesten Alliierten, also Frankreich, das zwei Jahre lang seine Hände umsonst beschmutzt hatte, den regionalen Einfluss entziehen. Aber so ist nun mal das zynische Gesetz des Imperialismus. (PK)
       
[1] „Obama II : die Säuberung und das Abkommen“, von Thierry Meyssan, Voltaire Netzwerk, 27. November 2012. „Die FSA glänzt weiterhin wie ein toter Stern “, von Thierry Meyssan, Voltaire Netzwerk, 26. Dezember 2012. „Werden sich Obama und Putin den Nahen-Osten teilen?“, von Thierry Meyssan, Odnako (Russische Föderation), Voltaire Netzwerk, 22. Februar 2013
[2] “No Quick Impact in U.S. Arms Plan for Syria Rebels”, von Mark Mazzetti, Eric Schmitt und Erin Banco, The New York Times, 14. Juli 2013
[3] “Syrian rebels get ‘the jilt’ from Washington”, von David Ignatius, The Washington Post, 18. Juli 2013.
 
Kontakt zum Autor Thierry Meyssan, von dem wir bereits in den NRhZ-Ausgaben 365 bis 372 acht "Syrische Chroniken" veröffentlichten: voltairenet.org@voltairenet.org, Büro Damaskus +963 1 166 331 44
  


Online-Flyer Nr. 416  vom 24.07.2013

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