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Inland
BND erhält Daten von US-Diensten, die er hier selbst nicht erheben darf
Bei Freund und Feind
Von Hans Georg

Neue Berichte bestätigen die enge Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) mit der National Security Agency (NSA). Demzufolge sind BND-Mitarbeiter immer wieder in die NSA-Zentrale in Fort Meade gereist, um sich dort etwa über Fragen der Technik auszutauschen. Auch habe die NSA dem BND Analyse-Tools zur Auswertung abgefangener Daten geliefert. Darüber hinaus bestätigt ein früherer Leiter eines österreichischen Dienstes, das "Wissen" über das NSA-Spähprogramm Prism sei "common understanding zwischen allen europäischen Nachrichtendiensten" gewesen.

Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom
Quelle: www.tagesschau.sf.tv
 
Über ein Geheimdienstzentrum der US-Streitkräfte, das in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden errichtet wird und einem Bericht zufolge auch von der NSA genutzt werden soll, ließen sich US-Militärs bereits vor Jahren mit der Äußerung zitieren, man wolle dort Informationen sammeln "über die aktuelle Lage bei Freund und Feind und alles, was unsere Aufgabe beeinflussen kann". Dass die Geheimdienstkooperation des westlichen Blocks, die im sogenannten Anti-Terror-Krieg auch Verschleppung und Folter von Verdächtigen beinhaltete, auf Geheimabkommen der führenden NATO-Mächte aus den Nachkriegsjahrzehnten zurückgeht, wird mittlerweile auch von der Bundesregierung eingeräumt.
 
Der BND in Fort Meade
 
Bereits am Donnerstag hatte das TV-Magazin "Monitor" ein Dokument gezeigt, in dem von einer Arbeitsreise von BND-Führungskräften in die NSA-Zentrale in Fort Meade im Februar 2010 berichtet wurde. Die NSA unterhält dort für ihre Kooperation mit ausländischen Diensten ein "Foreign Affairs Directorate", das den Austausch von Spionageinformationen, aber auch die Lieferung einschlägiger Ausrüstung organisiert. In dem TV-Magazin bestätigte ein ehemaliger Technischer Direktor der NSA, er habe "gemeinsame Treffen und Konferenzen" mit BND-Mitarbeitern erlebt; man habe sich dabei "über Technik und solche Dinge" ausgetauscht.[1] Wie "Der Spiegel" jetzt berichtet, habe die NSA unter anderem die Analyse-Tools für Lauschangriffe des BND auf Datenströme geliefert, die aus dem Ausland kämen und durch deutsche Leitungen verliefen. Der BND beziehe Daten aus fünf Internet-Knotenpunkten und lege einen Schwerpunkt auf Leitungen nach Nahost. BND-Präsident Gerhard Schindler habe die Kooperation mit der NSA bestätigt.[2]
 
Common Understanding
 
Darüber hinaus wird es für deutsche Stellen immer schwieriger, Kenntnisse über das inkriminierte NSA-Spähprogramm Prism abzustreiten. "Monitor" hatte am vergangenen Donnerstag Gert-René Polli, einen ehemaligen Leiter des österreichischen Geheimdienstes "Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung", mit den Worten zitiert: "Wir kannten die Auswirkungen dieses Programms. Und diese Information und dieses Wissen war common understanding zwischen allen europäischen Nachrichtendiensten, auch der Deutschen." Polli geht davon aus, dass der BND auch "Kooperationspartner im Hinblick auf das Spähprogramm" gewesen ist; die Schutzbehauptung der Bundesregierung, sie habe nichts von Prism gewusst, werde "nicht allzu lang haltbar sein".[3] Das Magazin "Der Spiegel" zitiert den US-Whistleblower Edward Snowden nun mit der Aussage, die NSA stecke "unter einer Decke mit den Deutschen".[4] Allerdings sorge man dafür, dass die an der Kooperation beteiligten Länder stets "ihr politisches Führungspersonal vor dem 'Backlash' schützen" könnten, sollte bekannt werden, wie "massiv die Privatsphäre von Menschen missachtet wird". Derlei ist auch bei anderen heiklen Themen üblich und nicht auf Geheimdienstmaßnahmen beschränkt.
 
Nervenzentrum in Europa
 
Wie "Der Spiegel" weiter berichtet, soll das "Consolidated Intelligence Center", das die US-Armee gegenwärtig in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden installiert, auch von der NSA genutzt werden. Berichte über den Ausbau der US-Militäreinrichtungen in Wiesbaden hatten schon vor Jahren für Aufmerksamkeit gesorgt (german-foreign-policy.com berichtete [5]). Die Gesamtanlage dort wird von den US-Streitkräften als "Nervenzentrum für die Armee in Europa" eingestuft.[6] In Wiesbaden entsteht unter anderem ein Koordinationszentrum für die sogenannte vernetzte Kriegführung ("Network Warfare Center"); auch Geheimdienst-Einheiten werden dort konzentriert. So ist etwa die "66th Military Intelligence Group" nach Wiesbaden überführt worden. Zuvor war sie in Darmstadt ansässig, wo sie erst 2004 untergebracht worden war - nach der Auflösung ihres vorherigen Standortes Bad Aibling. Dort hatte sie eine Abhöranlage betrieben. Kriegsgegner berichten unter Berufung auf den Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom, die Darmstädter Anlage habe "zum weltweiten US-Spionage-System Echelon" gehört, "mit dem alle satellitengestützten Kommunikationssysteme abgehört werden". "Mit Computern" würden "Faxe, E-Mails und Gespräche ausgewertet". Es sei möglich, dass diese Anlage nun in Wiesbaden installiert werde.[7] In der Presse wurden US-Militärs bereits 2008 mit den Worten zitiert, man wolle in Wiesbaden Informationen sammeln "über die aktuelle Lage bei Freund und Feind und alles, was unsere Aufgabe beeinflussen kann".[8]
 
Leitzentrale der Verschleppungen
 
Dass die Bundesrepublik Zentralen US-amerikanischer Geheimdienste beherbergt und diese mit ihren deutschen Pendants eng kooperieren, ist nicht neu. Einen weiteren Fall, der im sogenannten Anti-Terror-Krieg besondere Bedeutung erlangte, beschrieb Schmidt-Eenboom in einer Buchpublikation Ende 2006. Er berichtete damals von der CIA-Station in Frankfurt am Main, die "über etwa zweihundert Geheimdienstler" verfüge - "dreimal so viele wie in Bagdad", wo sich "die größte Nahostresidentur der Agency" befinde. "Als im Jahre 1989 der letzte große Agentenring der CIA zerschlagen worden war, stellte sich heraus, dass das Netz von Frankfurt am Main aus gesteuert wurde", berichtete der Geheimdienst-Experte. Vor allem aber habe der Journalist Stephen Grey nachgewiesen, dass die Frankfurter CIA-Zentrale "die weltweit wichtigste Kommandoeinrichtung für die Verschleppungen" von Verdächtigen durch den US-Geheimdienst gewesen sei. Schmidt-Eenboom kam zu dem Ergebnis, es sei "evident, dass die Bundesrepublik nicht nur wie andere europäische Staaten als Drehkreuz für den Flugverkehr bei Entführungen und zum Transport von Vernehmungsteams diente, sondern in den Mauern Frankfurts den Planungsstab und die Leitzentrale der völkerrechtswidrigen Verschleppungen beherbergte".[9]
 
Geheimabkommen
 
Neue Presseberichte bestätigen unterdessen, dass die überaus enge deutsch-US-amerikanische Geheimdienstkooperation unter anderem auf einer Verwaltungsvereinbarung aus dem Jahr 1968 beruht, über die german-foreign-policy.com letzte Woche berichtete.[10] Demnach dürften "die Geheimdienste der Westalliierten BND und Verfassungsschutz um Aufklärungsmaßnahmen ersuchen", heißt es; "die deutschen Dienste haben Rohdaten zu übergeben." Die Bundesregierung räume inzwischen ein, dass die bis letztes Jahr als "geheim" eingestufte Verwaltungsvereinbarung heute noch gelte, behaupte aber, sie sei "seit 1990 nicht mehr in Anspruch genommen" worden - weil es jetzt mehrere weitere, durchweg als "streng geheim" eingestufte "Absichtserklärungen" gebe, in denen "die Zusammenarbeit zwischen den amerikanischen Geheimdiensten und dem BND" geregelt sei. Darüber hinaus hätten "frühere Bundesregierungen den Amerikanern das Recht zugesichert", "'im Fall einer unmittelbaren Bedrohung' ihrer Streitkräfte 'angemessene Schutzmaßnahmen'" [11] zu ergreifen. Dies schließe "das Recht ein, eigene Nachrichten in Deutschland zu sammeln". Berlin profitiert davon, weil der BND regelmäßig Daten per Austausch von den US-Diensten erhält - Daten übrigens, die er im eigenen Land überhaupt nicht hätte erheben dürfen.(PK)
 
Weitere Informationen zur Thematik finden Sie hier: Befreundete Dienste (I) http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58636 (I), Befreundete Dienste (II) http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58637, Die westliche Wertegemeinschaft http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58638
 
[1] Grenzenlose Überwachung durch US-Geheimdienste: Was wusste die Bundesregierung? Monitor Nr. 649 vom 04.07.2013
[2] NSA liefert BND Werkzeuge für Lauschangriff; www.spiegel.de 07.07.2013
[3] Grenzenlose Überwachung durch US-Geheimdienste: Was wusste die Bundesregierung? Monitor Nr. 649 vom 04.07.2013
[4] NSA liefert BND Werkzeuge für Lauschangriff; www.spiegel.de 07.07.2013
[5] s. dazu Nervenzentrum http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57179
[6] Wiesbaden community sees building boom; Stars and Stripes European edition 02.03.2008
[7] Rüstungsatlas Hessen; www.ruestungsatlas2011.linksfraktion-hessen.de
[8] Die Spione kommen; Frankfurter Rundschau 12.02.2008
[9] Erich Schmidt-Eenboom: BND. Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten. Geheime Hintergründe und Fakten, München 2007. S. auch Steinmeier und seine Komplizen
[10] s. dazu Befreundete Dienste (I)
[11] Amerika darf Deutsche abhören; Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 07.07.2013
 
 
Diesen Beitrag haben wir mit Dank von http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58640 übernommen.


Online-Flyer Nr. 414  vom 10.07.2013

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