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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Inland
Neue Steuerpläne der Bundesregierung
Fahrradsteuer und Briefkastengebühr
Von Wolfgang Bittner

Das Bundesfinanzministerium plant die Einführung einiger neuer Gebühren, Abgaben und Steuern, um den besorgniserregend defizitären Bundeshaushalt zu entlasten und eine weitere angemessene Bezahlung und Versorgung der Politiker sicherzustellen. Im Gespräch sind bisher eine Straßenbenutzungsgebühr für Fußgänger, Fahrradsteuer, Briefkastengebühr, Lampenanschlussgebühr und Schlafstellensteuer, wie aus Regierungskreisen verlautete. 



Natürlich keine Rollstuhlsteuer auf der Vorschlagsliste des Finanzministers
Cartoon: Kostas Koufogiorgos

Grünanlagengebühren, Autobahnerweiterungsabgaben, Kindersteuer und Kinderverweigerungssteuer, Luft- und Wasserverbesserungsabgaben, Knopf- und Reißverschlusssteuer sowie eine Schminksteuer für Frauen und eine Rasur- beziehungsweise Bartgebühr für Männer stehen ebenfalls auf einer Vorschlagsliste des Bundesfinanzministeriums.
 
Weitere Vorschläge zur Sanierung der Staatsfinanzen werden zurzeit in den Finanzministerien des Bundes und der Länder ausgearbeitet. Noch umstritten sind Überlegungen, die Nutzung der Atemluft steuerlich zu regulieren.
 
Ohne Frage ist mit einer abermaligen deutlichen Anhebung der Lohn-, Einkommen- und Mehrwertsteuer zu rechnen, während die Bundesregierung in dem überaus sensiblen Bereich der Gewerbe-, Vermögens-, Erbschafts-, Kapitalertrags- und Transaktionssteuer äußerste Zurückhaltung übt, also jeden Eingriff in die Freiheit der Vermögenden unterlässt.
 
Auch die Preise für öffentliche Verkehrsmittel, Müllabfuhr, Straßenreinigung, Wasser, Abwasser und alle öffentlichen Dienstleistungen werden drastisch erhöht werden müssen. Viele Kommunen – so erläuterte der Finanzminister in mehreren gleichlautenden Interviews – stünden vor dem finanziellen Ruin und könnten kaum noch die Gehälter auszahlen. Deswegen wird beispielsweise die Ausstellung eines Personalausweises, Reisepasses, Führerscheins, polizeilichen Führungszeugnisses, einer Geburtsurkunde oder einer Steuerkarte in absehbarer Zukunft wahrscheinlich einen runden Tausender kosten müssen. Geld sei genug da, heißt es in Regierungskreisen, es sei nur noch nicht richtig verteilt. Dafür wolle man in den nächsten Jahren Sorge tragen.
 
Ist es gefährlich, solche Planungen bekannt zu machen, bevor die Gesetzesvorlagen auf dem Tisch liegen? Sicher! Eigentlich ist es unverantwortlich. Soll es doch Politiker geben, die hin und wieder sogar Satiren lesen. Doch nach Feststellungen der demoskopischen Institute gibt es kaum Grund zur Beunruhigung: Die Steuerpflichtigen lassen sich trotz aller Unkenrufe das Vertrauen in unsere Finanzpolitiker nicht nehmen.
 
Kritiker behaupten zwar, die Gebühren-, Abgaben- und Steuerlast heutiger Tage gehe sogar über vergangene feudale Verhältnissen hinaus. Aber das ist eine böswillige Übertreibung. Schließlich sind die zeitlich sehr aufwendigen Hand- und Spanndienste schon seit Längerem abgeschafft worden. Das Jus primae noctis, das mancherorts zu Unzuträglichkeiten führte, ist ersatzlos weggefallen, und die lokalen Verbote, in den Wäldern Blätter als Streu für die Schweine und Ziegen zu sammeln, sind ebenfalls aufgehoben. Das zeigt eindrucksvoll, wie viel Spielraum immer noch vorhanden ist.
Der Bund der Steuerzahler hat gegen die geschlechterbezogene Einführung von Schmink- sowie Rasur- beziehungsweise Bartsteuern scharfen Protest erhoben, da sie nach Ansicht auch von Verfassungsrechtlern gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen. Ferner warnte er vor übermäßiger Anhebung der Mehrwertsteuer: Bei 48 Prozent sei die Schmerzgrenze erreicht. (PK)
 
Wolfgang Bittner, geboren 1941 in Gleiwitz, lebt als Schriftsteller in Göttingen. Er studierte Jura, Philosophie und Soziologie und promovierte 1972 zum Dr. jur. Bis 1974 ging er verschiedenen Tätigkeiten nach, u.a. als Verwaltungsbeamter und Rechtsanwalt. Ausgedehnte Reisen führten ihn nach Vorderasien, Mexiko, Kanada und Neuseeland. Er ist freier Mitarbeiter bei Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen, erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen und ist Mitglied im PEN. Hin und wieder nahm er Lehrtätigkeiten im In- und Ausland wahr, 2004/05 und 2006 Gastprofessuren in Polen. Von Wolfgang Bittner sind mehr als 60 Bücher für Erwachsene, Jugendliche und Kinder erschienen, darunter die Romane „Hellers allmähliche Heimkehr“, „Schattenriss oder Die Kur in Bad Schönenborn“ und „Niemandsland“, der Erzählband „Das andere Leben“ sowie das Sachbuch „Beruf: Schriftsteller – Was man wissen muss, wenn man vom Schreiben leben will“. Manchmal schreibt er auch Satiren wie die vorstehende. – Weitere Informationen unter www.wolfgangbittner.de 
 


Online-Flyer Nr. 412  vom 26.06.2013

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