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Krieg und Frieden
Zweite Stuttgarter Palästina-Solidaritätskonferenz 10.-12. Mai 2013
Grußwort
Von Evelyn Hecht-Galinski

Vom 10. bis 12. Mai fand in Stuttgart die zweite Palästina-Solidaritätskonferenz statt, über die wir in der aktuellen Fotogalerie von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann berichten. Hier das Grußwort von Schirmherrin Evelyn Hecht-Galinski, Publizistin, Autorin und Tochter des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski. Ein Interview im Zusammenhang mit der Konferenz hat der Journalist Ken Jebsen am Abend des ersten Tages mit ihr geführt, das Sie unter diesem Grußwort hören und sehen können.(1) Die üblichen Print- und TV-Medien haben über die Konferenz natürlich nicht berichtet. – Die Redaktion 

Evelyn Hecht-Galinski
Foto: Arbeiterfotografie
 
Liebe Referentinnen, liebe Teilnehmerinnen dieser Konferenz, als Mitglied des Palästina- Komitees Stuttgart betrachte ich es als eine große Freude und Ehre, so viele hochkarätige, kompetente und engagierte Vortragende und Aktivisten auch aus dem Ausland herzlich begrüßen zu dürfen, die dafür die Strapazen der Reise auf sich genommen haben. Ich hoffe Sie hatten alle eine gute Anreise und sind aufnahmebereit für diese anspruchsvolle und spannende Konferenz. Fällt die Konferenz doch in besondere Zeiten.
 
Am 8. Mai hatten wir als Deutsche des 68sten Tages der Befreiung von Faschismus und Nazidiktatur zu gedenken. Am 8. Mai feierte allerdings die Israel-Lobby auch den Israel-Tag ILI, I like Israel! Dazu sage ich: I dont like Israel anymore!
 
Zu diesen Geburtstagsfeiern der Unabhängigkeit des Israelischen Staates finden sich über 60 Städte in Deutschland zusammen. Im Übrigen: über 100 Städte in der Bundesrepublik haben Städtepartnerschaften mit dem israelischen Regime. Am 13. Mai wird hier in Stuttgart die so genannte Unabhängigkeit des Staates Israel zelebriert, natürlich unter der Schirmherrschaft vom Stuttgarter Oberbürgermeister und dem Ministerpräsidenten dieses Bundeslandes.


BesucherInnen der zweiten Stuttgarter Palästina-Solidaritätskonferenz
Foto: Arbeiterfotografie

Da frage ich mich, meine Damen und Herren, warum begeht man nicht den 15. Mai, den Tag der Nakba, der Katastrophe für das palästinensische Volk mit derselben Energie in Deutschland wie man diesen so genannten Unabhängigkeitstag von Israel feiert? Folgerichtig frage ich mich daher auch: Warum sehe ich auf dieser Konferenz keinen Oberbürgermeister von Stuttgart? Wo sind sie Herr Kuhn? Oder auch den grünen Ministerpräsidenten meines Bundeslandes Baden Württemberg: Wo sind sie Herr Kretschmann? Ich vermisse auch die maßgeblichen überregionalen Medien hier auf der Konferenz. Wenigstens hat Al Jazeera sich entschlossen über diese Konferenz zu berichten.
 
Sobald Israel ruft, sind sie alle da, die deutschen Politiker. Eilfertig bereit für Schirmherrschaften, Grußbotschaften oder sonstige Ehrungen. Ist es nicht an der Zeit, endlich umzudenken und auch die Palästinenser als Leidtragende der deutschen Geschichte anzuerkennen und sich aus diesem Grund für sie einzusetzen, um auch für deren legale Rechte einzutreten? Wie lange müssen wir es noch hinnehmen, dass die deutsche Politik und deren Protagonisten das israelische Regime so unkritisch feiern?
 
Das unbeschreibliche Unrecht, das von Deutschen organisiert an den europäischen Juden begangen wurde, darf nicht mehr dafür herhalten, dass das israelische Regime die palästinensische Bevölkerung beraubt, besetzt, besiedelt, entmenschlicht und ihnen ihre legitimen Rechte vorenthält, tausende palästinensische Häftlinge gefangen hält, auch in Administrativhaft, und auch vor der Verhaftung von Kindern und Jugendlichen nicht halt macht. Zudem setzt das zionistische Regime ungebremst die ethnische Säuberung fort:
Apartheidstrassen nur für Juden, da kommen für mich als Deutsche ungute Gedanken und Erinnerungen auf. Um mit Erich Fried zu sprechen:“Mir als Jüdin fällt der Vergleich von Juden mit Nazis nicht leicht, aber womit kann man diese Taten sonst vergleichen“?
 
Selbstverständlich plädiere ich auch für BDS, Boykott-Desinvestment-Sanktionen gegen den israelischen Staat. Das hat nichts zu tun mit "Kauft nicht beim Juden“, wie uns die Hasbara immer glauben machen will, um diese Boykotte gegen Waren zu verhindern. Diese BDS-Kampagne wird von einem breiten Spektrum palästinensischer und mittlerweile auch anderer Zivilgesellschaften, Parteien und Organisationen mitgetragen und hat eine enorme Wirkung. Nicht umsonst wird diese Boykott-Kampagne so bekämpft und gefürchtet vom zionistischen Regime! Sie ist das Zeichen des gewaltlosen Widerstands gegen den Siedlerkolonialismus, gegen das zionistische System Israel. BDS beruft sich auf die Universalität der Menschenrechte und wendet sich gegen jede Form des Rassismus, Antisemitismus oder der Islamophobie. Ich kämpfe gerade auch in Deutschland für diese Kampagne auf allen Gebieten, solange sich die Situation für die Palästinenser nicht ändert.
 
Dürfen wir Israel kritisieren? Ja, es ist sogar ein Muss, dieses zionistische Regime muss bekämpft werden! Schlussendlich machen wir uns mitschuldig am Unrecht der Taten des zionistischen Regimes, wenn wir diese Gräueltaten nicht kritisieren! Denn das israelische Regime spricht weder für mich, noch für alle Juden in der Welt! Mit seiner neuen Forderung an die Palästinenser, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen, sollen wir alle in die Pflicht genommen werden. Man will uns bewusst in Haftung nehmen für die Verbrechen, die das israelische Regime täglich begeht. Dafür dürfen wir uns nicht hergeben. Dieser Gehirnwäsche, der wir täglich ausgesetzt werden, müssen wir uns widersetzen.
 
Das zionistische Regime versucht so, den Antizionismus und die Israel-Kritik in unanständiger Art und Weise zu vermengen, um uns dadurch in die antijüdische/antisemitische Schmuddelecke zu ziehen, um uns so zum Schweigen zu bringen. Soll sich hier der Judenstaat von Theodor Herzl vollenden für ein Volk ohne Land ein Land ohne Volk? Nein und nochmals nein! Diese Forderungen nach Anerkennung als jüdischer Staat sind völlig undemokratisch und inakzeptabel! Ebenso wie der Ausspruch israelischer Politiker, Jerusalem müsse für immer die ungeteilte Hauptstadt des jüdischen Staates bleiben. Nur, um dann aber wieder die unannehmbare Forderung an die Palästinenser zu stellen, in Verhandlungen ohne Vorbedingungen einzuwilligen.
 
In der Zwischenzeit baut das israelische Regime seine Vorbedingungen weiter aus indem es Palästinenser umsiedelt, weiter ihres Landes beraubt und weiter jüdische Siedlungen baut.

Ich frage mich auch, in welche Friedensverhandlungen will die Palästinenserbehörde eigentlich noch eintreten? In einen Landtausch fast ohne Land, oder um auf das legale Rückkehrrecht der Palästinenser auch noch zu verzichten? Ich hoffe sehr auf eine Einigung zwischen der Fatah und der Hamas unter einer neuen unverbrauchten Führung mit einem rechtmäßigen Mandat.
 
So ist das Judentum leider auch zu einem Thema des palästinensischen Widerstands geworden, denn die Besatzung, der Kolonialismus und die Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen im zionistischen "jüdischen" Staat Israel sind ohne Juden nicht denkbar und daher untrennbar verbunden. Immerhin beruht der Staat Israel auf jüdischen Gesetzen und führt jüdische Embleme auf seinen Waffen, Kampfjets und Panzern, im Einsatz gegen Palästinenser und andere Gegner in Nachbarländern, wie jetzt auch in Syrien, vorher in Gaza oder im Libanon. So sind also das Judentum und jetzt der jüdische Staat nicht mehr voneinander zu trennen..
 
Darf man sich also wundern, wenn man Juden in der ganzen Welt zur Rechenschaft ziehen wird, wenn sie sich nicht dieser verbrecherischen Politik des jüdischen Staates widersetzen und diese bekämpfen? Solange das israelische Regime weiter das palästinensische Volk unterdrückt und mit Hilfe der USA und Europas als westlichen Vorposten im Nahen Osten zur Machterhaltung und zur Sicherung der Ressourcen benutzt, solange müssen wir unseren gemeinsamen Kampf mit allen Anstrengungen fortsetzen. Sehen wir das nicht augenblicklich in Syrien, wo Israel als Kriegspartei ungestraft eingreifen darf?
In der Tat: Für mich stellt Israel eine Gefahr für den Weltfrieden dar. Dieser Apartheidstaat, diese Ethnokratie Israel muss überwunden werden und zu einem gerechten Frieden führen, in einen gemeinsamen demokratischen Staat für alle seine Bürger, ohne Ansehen von Ethnie oder Religion.
 
Diese Konferenz und ihre verschiedenen Referentinnen werden sicher einen wichtigen Beitrag für die Perspektiven auf diesem Weg leisten und eine hoffentlich lebhafte Diskussion eröffnen, auch über die neuen Entwicklungen in der Region. Ich möchte auch ganz besonders meinen Freund Ilan Pappe wieder einmal begrüßen, der mir mit seinem Buch "Die ethnische Säuberung Palästinas" die Augen noch mehr öffnete, mich von allen unwahren Mythen befreite und mir seither ein großes Vorbild ist. Auch wenn ich im Syrien-Konflikt eine andere Meinung vertrete als er. Ach gäbe es doch mehr jüdische Israelis wie ihn!
 
Ich möchte mich auch explizit bei Attia bedanken, dem es durch seine Kontakte gelungen ist, ein solch breites Spektrum an besonderen Referentinnen nach Stuttgart zu holen - ohne dabei die monatelange Vorbereitungsarbeit des Komitees und seiner Frau Verena zu vergessen. Diese Aktivisten haben neben ihren normalen Aktivitäten Tag und Nacht am Gelingen dieser einmaligen Konferenz gearbeitet. Danke euch allen!
 
So bekräftige ich auch meinen Wunsch für den politischen Systemwechsel im historischen Palästina für das palästinensische Volk und für uns alle. Ich kann Erich Fried, meinem Lieblings „Störenfried“ nur zustimmen und mit seinem Gedicht enden:
 
"Freiheit und Selbstbestimmung für die Palästinenser
 
Die Schreie der gefolterten Palästinenser im Gefängnis von Hebron
und in den anderen israelischen Geheimdienstkellern
und auch die Schüsse,
die palästinensische Kinder und Jugendliche auf der Straße
niedergestreckt haben,
sind nicht ungehört verhallt.
Trotz Terror demonstrieren Zehntausende und fordern ihr Recht.
Über 1.000 wurden verhaftet, Dutzende erschossen.
Israel geht den Weg seines heimlichen Bundesgenossen Südafrika
Apartheid und Rassismus endlich ohne Maske.
 
Als von Hitler vertriebener Jude und in der Welt herumgekommener Schriftsteller
erkläre ich meine Solidarität
mit dem palästinensischen Volk.
Alle Welt ist aufgerufen zu verhindern, dass Terror und Unrecht eskalieren.
Die Juden sind aufgerufen, sich laut gegen die Verbrechen zu wenden,
die in ihrer aller Namen begangen werden.
Die Deutschen sind aufgerufen zu helfen;
Ohne Hitler wären nie genug verbitterte Einwanderer gekommen,
um die Palästinenser so unterdrücken zu können.
Die Amerikaner sind aufgerufen, ihren israelischen Satelliten nicht
weiter rasen zu lassen.
 
Alle Welt muss endlich offenen Auges Solidarität üben.
Der Terror muss aufhören.
Freiheit und Selbstbestimmung für die Palästinenser!"
 
Ich danke ihnen!
(PK)
 
(1) http://kenfm.de/blog/2013/05/12/pakos201/
 
Weitere wichtige Links in diesem Zusammenhang:
http://senderfreiespalaestina.de/
http://www.youtube.com/watch?v=xyoGY45I0e0
http://angryarab.blogspot.de/2013/05/bds-in-germany.html
http://www.nahostfrieden.ch/pdf/Boycott%20is%20kosher%20-%20May%202013.pdf
 


Online-Flyer Nr. 406  vom 15.05.2013

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