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Aktueller Online-Flyer vom 23. April 2024  

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Inland
Die Tricks der Superdelegierten und andere Geschichten
Die Piratenpartei im Wahrheitscheck
Von Jo Menschenfreund

Die Piraten waren angetreten, „Um die Politik zu verändern“, sagten sie. „Nicht die Inhalte stehen im Vordergrund, sondern die Art, wie Politik gemacht wird“, sagten sie. Kurz vor dem Bundesparteitag der Piraten (10. bis 12. Mai) ist es Zeit, diese Aussage auf den Prüfstand zu stellen.
 
Foto: Jo Menschenfreund
 
Was das Verhalten mancher „herausragender“ Mitglieder der Piratenpartei und ihre Beziehung zu den nach Außen vorgetragenen Grundsätzen angeht, so drängt sich zunehmend ein weniger schmeichelhafter Eindruck auf: Mit dem Ausscheiden von immer mehr enttäuschten Mitgliedern nimmt die Selbstverständlichkeit, mit der Einzelne oft auch ohne demokratische Legitimierung Sonderrechte für sich beanspruchen, zu. Und im Rahmen der Diskussion des Wahlprogramms erweist sich die Piratenpartei als egozentrisch und so gar nicht international. Landet doch das Interesse an Außen- und Friedenspolitik abgeschlagen hinter dagegen eher profan anmutenden Themen. Die Piraten verstoßen immer deutlicher gegen ihre eigenen Werte, nur um dadurch den Weg zur erhofften Macht zu ebnen. Die Glaubwürdigkeit geht so leider verloren. Hier ein paar Beispiele aus den letzten Wochen.
 
Das Spendengate (9)
 
Da erscheint ein Blogbeitrag, der beschreibt, dass Mitglieder der Piratenpartei Berlin sich weigern, Auskunft über den Verbleib von Spendengeldern zu geben. (4) Zu den wichtigsten Protagonisten gehört Mareike Peter, eine engagierte Vertreterin der Menschenrechte für Asylsuchende. Die jedoch auch schon durch m.E. faschistoide Aussagen „Zünd den an, solange er noch da ist!!!“ (6) hervorgetreten war. Und gerade kürzlich auch wieder durch den Versuch, über Twitter andere zu bewegen, von ihr als politische Gegner empfundene Mitglieder der Piratenpartei aus der Twitterliste zu entfernen. Ihr zur Seite sprang ihr Lebensgefährte Oliver Höfinghoff (Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin), der sie als Mitarbeiterin eingestellt hatte, und der gerne Diskussionen mit dem Vermerk „So einen Scheiß tu ich mir nicht an“ aus dem Weg geht und politische Gegner als zu blockierende Spammer (10) an Twitter meldet (5). Höfinghoff bezeichnet Demokratie auch gerne als Übergangslösung.
 
Dabei ist es letztendlich unwichtig, warum das offensichtlich für einen bestimmten Zweck gespendete Geld über Monate auf einem Privatkonto verblieb (1) und was mit dem Geld letztendlich geschieht, was auch nach Wochen noch nicht klar ist. Vielmehr ist für eine Partei, die Transparenz, Toleranz, Inklusion und Kampf gegen Korruption als wichtige Themen immer wieder in den Vordergrund stellt, das Auftreten und Verhalten von Höfinghoff und Peter der eigentliche Skandal. Statt Transparenz und Toleranz zu beweisen, verweigerten sie Auskunft, zeigten sie Trotz und machten widersprüchliche Angaben.
 
Gemeinsames Wahlprogramm
 
Zur Vorbereitung des Wahlparteitags der Piraten in Neumarkt im Mai d.J. hatten sich die Koordinatoren vieler AGs zusammengeschlossen und wollten einen gemeinsamen Wahlprogrammantrag einreichen. Dieser Antrag sollte möglichst viele Themen, die innerhalb der Partei bearbeitet wurden, umfassen und zwischen den verschiedenen AGs, die ähnliche Themenfelder bearbeiteten, abgestimmt werden. Über Monate wurde gerungen und diskutiert. Die Vertreter der AG Außenpolitik fehlten. Obwohl die Partei sich als internationale Bewegung versteht. Schließlich wurde das Programm den Mitgliedern in einer Umfrage zur Abstimmung vorgestellt. Diejenigen Positionen, die 2/3 Zustimmung erhielten, sollten dann in das gemeinsame Wahlprogramm einfließen.
 
Einen Tag oder zwei Tage vor Antragsschluss, alle Mitglieder waren hektisch bemüht die letzten Änderungen an den eigenen Anträgen zu diskutieren, wurde plötzlich, so erschien es vielen Aktiven, nur wenige Stunde vor der Abgabefrist, in einer Nacht- und Nebelaktion ein alternativer „Gemeinsamer Wahlprogramm-Vorschlag“ entwickelt. Dieser enthielt auch ältere Anträge der AG Außenpolitik, leicht modifiziert. Die Teile, die sich auf die Außenpolitik bezogen, machten nur ganz rudimentäre Aussagen, es war bei weitem kein Programm, das Abgeordneten im Bundestag die Richtlinie der Politik vorgeben würde. Und niemand kann ahnen, wie Abgeordnete der Piratenpartei, sollten sie in den Bundestag gewählt werden, sich außenpolitisch verhalten werden. Diese Anträge waren durch kein Konsensgespräch gegangen und hatten nicht an der Umfrage teilgenommen, an der alle Anträge für ein gemeinsames Wahlprogramm teilnehmen sollten, sie waren noch nicht einmal innerhalb der AG Außenpolitik abschließend behandelt und beschlossen worden und landeten trotzdem plötzlich in einem „gemeinsamen Antrag“. Angeblich hätte dieser gemeinsame Antrag größere Chancen auf einen Konsens auf dem BPT als andere Anträge, die vorher über Monate diskutiert worden waren.
 
Aber damit nicht genug. Obwohl über alle anderen eingereichten Anträge z.B. zwischen der AG Friedenspolitik und der UG Verteidigung intensiv diskutiert worden war und auch aufmerksam andere AGs beobachtet wurden, damit Kollisionen zwischen Anträgen vermieden werden konnten, und um zu verhindern, dass konkurrierende Anträge eingereicht werden, fand eine solche über die Anträge der AG Außenpolitik nicht statt. Ganz plötzlich wurden Entwürfe gelöscht, Pads geändert, Anträge gestellt, ohne mit Gruppen in der Partei, die an dem gleichen Politik-Thema arbeiten, Rücksprache zu halten.
 
Die Tricks der Superdelegierten
 
Der Eindruck drängt sich auf, dass gewisse Mitglieder auf Biegen und Brechen versuchen, die Partei in eine Richtung zu drängen, die einer kleinen aber aktiven Minderheit entspricht. Ein Beispiel soll das verdeutlichen.
 
Eine Gruppe aus der AG Außenpolitik hatte eine LQFB-Initiative gestartet, nach der die Aufgaben der Landesverteidigung zunehmend auf EU-Organisationen übertragen werden sollten. (11) Da die Antragsteller bekannt dafür waren, militärischen Interventionen positiv gegenüber zu stehen, musste man davon ausgehen, dass das Ziel eine erleichterte Teilnahme an Militäraktionen im Ausland sein könnte. Daher entschloss ich mich zu einer Gegeninitiative, um dies zu verdeutlichen (8). Mit und ohne Superdelegationen erhielt mein Antrag eine Mehrheit, während der Ursprungsantrag deutlich abgelehnt wurde. Ganz besonders deutlich zeigte sich das Ergebnis dann, wenn man es um die Stimmen der Superdelegierten bereinigte. Was trotz der geringen Anteilname m.E. die antimilitaristische Grundstimmung innerhalb der Partei verdeutlicht.
 
Durch den Teil „Außen- und Sicherheitspolitik“ unter der Überschrift „Transparente Außenpolitik“ in dem nicht zwischen den AGs diskutierten Antrag WP138 (14) wird nun wieder versucht, eine Tür genau in diese Richtung zu öffnen. Dort heißt es:
„……….…………Im Zuge der Entwicklung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union wurden Institutionen einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt und erweitert. Die Piratenpartei fordert Transparenz, auch in der Außenpolitik. Deshalb steht sie dafür ein, dass die EU-Organe die langfristigen außenpolitischen Ziele der EU definieren und öffentlich kommunizieren………..………“
 
Zunächst stellt sich die Frage, was Transparenz damit zu tun hat, dass europäische Organe mehr außenpolitische Ziele definieren? Wenn sie nicht definiert sind, besteht auch kein Bedarf an dieser Transparenz. Durch die Wortwahl soll suggeriert werden, dass es um Transparenz geht, in Wirklichkeit geht es darum, Kompetenzen auf europäische Institutionen zu verlagern, schleichend das Grundgesetz mit seinen Begrenzungen aufzugeben. Leider ist das nicht das erste Mal, dass ein solcher Versuch vermutet werden muss.  
 
Klüngelpolitik
 
Leider wurde trotzdem ausgerechnet der niemals mit interessierten AGs diskutierte „Sammelantrag Außenpolitik“ an die Spitze der abzustimmenden Anträge für den Tagesordnungsantrag im Bereich Außenpolitik gestellt. In einem Verfahren, dass nicht nachprüfbar und intransparent ist. Ein Antrag, dessen Inhalt noch nicht einmal durch ein demokratisches Verfahren innerhalb der AG Außenpolitik legitimiert wurde. Ein Verfahren, dass ein Schlag ins Gesicht aller Aktivisten ist, die sich über Monate um Konsenslösungen bemüht hatten.
 
Demokratieplacebo?
 
Wenn dann am Wochenende des dreitägigen Bundesparteitages vom 10. bis 12. Mai möglicherweise 1000 oder 2000 von 36000 Mitgliedern, also ca. 5%, über Anträge entscheiden, werden viele Aktivisten von dieser Entscheidung ausgeschlossen. Nämlich solche, die nicht zu den Zeitreichen gehören, oder denen schlicht die finanziellen Mittel fehlen, um drei Tage an der Veranstaltung teilzunehmen. So wie schon am 27. und 28. April im Landesverband Bayern weniger als 4% der Mitglieder das Wahlprogramm verabschiedeten, ohne dass 96% der Mitglieder eine Chance erhielten, ihre Stimme abzugeben. Es ist also nicht notwendig, die Masse der Mitglieder zu überzeugen, sondern lediglich die 4%, die ohne anderen gegenüber rechenschaftspflichtig zu sein, auf dem Parteitag abstimmungsberechtigt sind. Wie demokratisch so etwas noch ist, besonders wenn man dann die „Netzwerke“ auf den Parteitagen in Aktion sieht, mag jeder für sich selbst entscheiden.
 
Das Gutachtengate
 
Ein weiteres Beispiel, wie weit Anspruch und Wirklichkeit in der Führung der Piratenpartei (19) auseinanderklaffen konnte man im so genannten „Gutachtengate“ (20) beobachten. Der Kölner Stadt Anzeiger schrieb am 1.4., und es war kein Aprilscherz:
„……………… Schwerer wiegt, dass der Landesvorstand der NRW-Piraten die Grundidee der eigenen Partei verraten hat. Transparenz ist das Zauberwort, mit dem die Piraten im vergangenen Jahr viele Wähler verzückt haben. Und nun? Gutachten zurückhalten, weil einem der Inhalt nicht gefällt – wie wollen die Piraten solches Regierungsverhalten künftig noch anprangern, wenn ihr eigener Vorstand nicht davor zurückschreckt? ……………..“
 
Der Shitstorm, der folgte, hat wieder ein Opfer gefordert und erhalten. Ein Landesvorstandsmitglied legte sein Amt nieder und verließ sogar die Partei. Und wieder hat man das Gefühl, dass es ein Bauernopfer war. Statt die Grundproblematik aufzuarbeiten und Verfahren und Maßnahmen zu ergreifen, um künftig Vorgänge dieser Art zu verhindern, wurde ein Mitglied regelrecht virtuell exekutiert, ausgerechnet eines, das sich über Jahre ehrenamtlich für die Partei aufgerieben hatte.
 
Der Bezirksverband Köln
 
Ein Mitglied der Partei, dessen Namen mir bekannt ist, das aber nicht genannt werden möchte, schreibt:
„…………………Nachdem Mitglieder des Kreisverbandes Köln sowohl bei den Ämterwahlen in Köln als auch bei den Ämterwahlen im Land NRW herbe Niederlagen einstecken mussten, versuchen sie nun über einen angeblich niemals aufgelösten Bezirksverband Köln zu einem Amt zu kommen. Mit einem Amt hat man in einer Partei eine wesentlich bessere Chance, auch ein Mandat zu erhalten. Die beiden Hauptantreiber der Idee XXXXXXX und XXXXXXX (22) reisen derzeit wie wild in NRW herum um sich für die Wiederbelebung des Bezirksverbandes und ihre Kandidaturen für Ämter zu platzieren. …………..……..“
 
Die Geschichte erscheint wie das Stück einer bayrischen Dorfbühne. Während sich hunderte von Piraten die Nächte um die Ohren schlagen, um Einigkeit über Anträge zum Wahl- und Grundsatzprogramm zu erreichen, sollen einzelne den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf die persönliche Karriereplanung legen? Inzwischen gibt es eine LQFB-Initiative im elektronischen Abstimmungssystem des Landesverbandes NRW (21) in der man lesen kann:
 
Die Feminismusdebatte
 
Im Grundsatzprogramm erklärt sich die Piratenpartei für „postgender“. D.h. die Trennung der Geschlechter ist überwunden und spielt keine Rolle mehr in der Gesellschaft der Mitglieder. Nachdem aber insbesondere die GRÜNEN und Medien dies zum Anlass genommen hatten, das Übergewicht an männlichen Amtsträgern und sichtbaren Mitgliedern zum Wahlkampfthema zu machen, verkrampfte sich das Verhältnis sichtbar. Statt nun über einen demokratischen Diskurs eine Veränderung des Grundsatzprogramms zu betreiben und einen Kompromiss zwischen „postgender“ und „Förderung weiblicher Mitglieder“ zu suchen, begann ein heftiger Kampf. Dieser wurde einerseits von radikalen Feministinnen geführt, unterstützt vom Bundesvorstand. Andererseits forderte dies den Widerspruch von Anhängern der „Postgender“-Bewegung heraus. Auf dem bisherigen Höhepunkt der Auseinandersetzung fand eine vom Bundesvorstand finanziell unterstützte Veranstaltung statt, die schon in der Vorankündigung nicht auf Ausgleich, sondern Durchsetzung der eigenen Überzeugung angelegt war.
 
Das Ereignis produzierte am ersten Tag einen Eklat. Ein unwidersprochenes Interview (28) zeigt auf, wie die Ordner das Mitglied Dennis Plagge mit Hilfe der Polizei aus der Veranstaltung entfernten. Obwohl Aufnahmen der Veranstaltung nachweisen, dass das einzige Vergehen ein einmaliges Statement war, in dem Plagge darauf hinwies, dass „postgender“ im Grundsatzprogramm der Piratenpartei festgeschrieben ist. Darüber hinaus, so Plagge, bleibt die Frage, warum der Bundesvorstand eine „private Party“ im Anschluss an die offene Veranstaltung finanzierte.
 
Für eine Partei, die Toleranz, Inklusion und Demokratie predigt, ist es unverständlich, dass keine friedliche Einigung durch Konsensveranstaltungen statt Konfrontationsveranstaltungen gesucht wird. Damit man einerseits den „Postgender"-Befürwortern entgegen kommt, andererseits Frauen motiviert, sich stärker in der Partei zu engagieren. Und schließlich, was überhaupt nicht schwierig zu sein scheint, Doppelspitzen für wichtige Ämter zu vereinbaren.
 
Hass macht blind
 
Dass Mitglieder ausgegrenzt, beleidigt, verunglimpft und verleumdet werden, hatte ich bereits in meinem Buch (26) ausführlich dargelegt. Interessant ist, dass durch den in diesem Verfahren sich entwickelnden Hass die „wichtigen“ Protagonisten der Partei unfähig werden, die Interessen der Partei zu wahren, weil sie grundsätzlich gegen jeden Vorschlag sind, der von der verhassten Person vorgetragen wird. So geschehen z.B. im Fall von Otla Pinnow.
Die Piratenpartei erlaubt Mehrfachmitgliedschaften. Dies wurde in Köln von Gruppen, die auch zur rechten „Pro“-Bewegung gehörten, ausgenutzt. Sie missbrauchten Piraten-Insignien bei Demonstrationen mit rassistischem Hintergrund. Aus diesem Grund wurde ein Antrag für die Landessatzung der Partei gestellt, die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in der Piratenpartei mit der in verschiedenen extremistischen Organisationen aufzunehmen. Dummerweise aber unterlief dem ehemaligen Vorsitzenden der KV Köln und Landtagsabgeordneten Daniel Schwerd ein Fehler. Er verknüpfte die Unvereinbarkeit an Gründe. Dadurch war der Weg zu ewig währenden Schiedsgerichtsverfahren geöffnet. Insbesondere, weil der Antrag auch unter „Sonstiges“ gestellt wurde statt als Satzungsänderungsantrag, wie von Otla Pinnow vorgeschlagen.
 
Dieser Fehler wurde begangen, obwohl Pinnow ausdrücklich darauf hingewiesen und vorgeschlagen hatte, die Unvereinbarkeit ohne weitere Bedingungen allein durch die Mitgliedschaft in einer der von ihr genannten, insbesondere rechten Organisationen, festzustellen. Ihre Liste war vollständig, ihre Formulierung rechtssicher. Sie waren noch von anderen Mitgliedern verbessert worden. Aber im Sinne eines „So einen Scheiß zieh ich mir nicht rein“ ignorierte der Landesvorstand, insbesondere der inzwischen zurück getretene politische Geschäftsführer des Landesverbandes NRW (siehe Gutachtengate) den Vorschlag.
Auf Nachfrage erklärte Otla Pinnow mir gegenüber:
„………………………………..Natürlich war mir von Anfang an klar, dass über Mitgliedschaft letztlich die Bundessatzung zu bestimmen hat, ich ging jedoch davon aus, dass der BPT nichts dagegen haben und zudem einem gleichen für den BPT zustimmen würde. Da der zeitliche Abstand zwischen LPT und BPT gering ist, hätte eine Eingabe von wegen nicht Bundesbeschluss nichts genützt; im Ergebnis wäre ein Ausschluss schneller zu haben gewesen. Ergo habe ich den Antrag, ebenfalls im Februar, an Sebastian Nerz weiter geleitet. Der leitete ihn weiter an Peukert. ……………….“
 
Und so wird vielleicht am Ende ironischerweise der Antrag eines als „Nazi“ und „Antisemit“ verhassten Mitglieds möglicherweise dazu führen, dass Rechtsextreme zukünftig erfolgreich aus der Piratenpartei ausgeschlossen werden können. Es wäre aber ein Wunder, wenn der Name Otla Pinnow in diesem Zusammenhang positiv genannt werden würde. Zu groß ist der Hass gegen Andersdenkende in gewissen Kreisen der Partei.
 
Auch gerade in den letzten Tagen wieder aufgetaucht: Die Hassattacken mindestens eines Mandatsträgers der Piratenpartei, jenes bereits früher erwähnten Oliver Höfinghoff (33). Das Verhalten solcher Mandatsträger strahlt auf die ganze Partei aus. Insbesondere wenn offensichtlich ein großer Teil des Vorstandes der Partei sein Verhalten nicht nur toleriert, sondern auch noch unterstützt und verteidigt.
 
Pannen oder systemimmanent?
 
Die Liste ist nicht abgeschlossen. Je mehr Mitglieder frustriert die Partei verlassen, desto einfacher ist es für eine kleine Gruppe, die Partei nach dem eigenen Willen zu formen. Es gibt so viele Menschen in der Piratenpartei, die sich jeden Tag intensiv für die Partei einsetzen. Aber sie sind oft vollkommen in ihrem Engagement eingebunden und haben nicht die Zeit andere Themen zu bearbeiten. Sie vertrauen darauf, dass die immer wieder angeführten Ideale mit dem Leben gefüllt werden, das von der Mehrheit der Piraten unter diesen Begriffen verstanden wird.
 
Aber der Bundesparteitag in Neumarkt gibt wieder nur denjenigen die Möglichkeit, an den entscheidenden Abstimmungen teilzunehmen, die über drei Tage Freizeit genau an diesem Termin verfügen. Andere haben keine Möglichkeit auf die Politik der Partei Einfluss zu nehmen. Es gibt kein Delegationssystem. Falls die Abstimmungen in Neumarkt von den ausgeschlossenen Mitgliedern nicht als repräsentativ empfunden werden, droht der Partei ein weiterer Exodus.
 
Die Piraten waren die Hoffnung auf eine neue Politik und neue Umgangsformen. Zu den Umgangsformen haben wir inzwischen einiges gehört. Zur Politik kursiert die Meinung, dass Positionen zur Wirtschaftspolitik in Hinsicht auf den ESM dem Wahlprogramm der konservativ-elitär-populistischen AfD (27) sehr ähnlich sein sollen. Wenn das ein Hinweis auf die Entscheidungen auf dem Bundesparteitag sein sollte, könnte sich auch die Hoffnung auf eine wirklich neue Politik schon bald zerschlagen. Hoffentlich sind die anwesenden 1500 bis 2000 Mitglieder von über 30.000 registrierten Mitgliedern klug genug, die richtigen Entscheidungen zu fällen.  
 
Fazit:
 
Es sind nicht „Pleiten, Pech und Pannen“, die das Problem der Piraten darstellen. Es sind auch nicht die persönlichen Querelen innerhalb des Vorstandes. Es ist die Verweigerung insbesondere der gut ausgebildeten Zeitelite der Partei, aus den Fehlern und Erfahrungen anderer Parteien zu lernen. Es ist der teilweise erfolgreiche Versuch von politisch erfahrenen Netzwerkern, die Partei unter dem Schein von demokratischen Verfahren zu beeinflussen und für die Zwecke von Minderheiten zu nutzen. Es ist der unerklärliche Zeit-Reichtum von einzelnen Protagonisten, der es ihnen erlaubt, als scheinbar unersetzliche Arbeiter für die Partei aufzutreten und sich für Ämter als Sprungbrett für Mandate in Stellung zu bringen. Und es ist der blinde Glaube an den technischen Fortschritt verbunden mit der Unschuld und Gutgläubigkeit vieler engagierter und motivierter Aktiven, die anscheinend nicht erkennen, wie sie instrumentalisiert werden. Aber das vielleicht größte Problem ist die Unfähigkeit, über Kritik angemessen zu reden und Lehren daraus zu ziehen. (32)
 
Selbst die von Mandatsträgern und Kandidaten immer wieder mantraartig vorgetragene Verweigerung der Selbstverpflichtung zu einer Mandatsträgerabgabe für die Partei und gegen jede Art von Fraktionsdisziplin, wird von den Aktiven der Partei akzeptiert, ohne dass es zu einem ernsthaften Hinterfragen kommt.
 
Wenn nun auch noch eine so genannte „Ständige Mitgliederversammlung“ auf Basis des umstrittenen Liquid Feedback kommt, steht der Fernsteuerung der Partei durch eine Handvoll von Superdelegierten und Netzwerkern endgültig nichts mehr im Wege (13). Dann können Beschlüsse nach Belieben ohne Umweg über die zwar leicht manipulierbare aber im Prinzip unberechenbare Mitgliederversammlung gefasst werden.
 
Und die Inhalte?
 
Nachdem der Realitätscheck hinsichtlich der Art des Politikmachens nicht so ausgefallen ist, wie ich das erwartet hatte, wird es Zeit, nun die Inhalte der Partei auf den Prüfstand zu stellen. Dazu ist kurz nach dem Bundesparteitag, der das Wahlprogramm verabschieden soll, ein geeigneter Moment. (PK)
 
(1) https://plus.google.com/115501436122685706456/posts/958CFf6uamG
(3) http://wiki.piratenpartei.de/Mumble
(4) http://www.piratenkim.de/2013/04/12/unschone-diskussion-um-mogliches-spenden-gate-bei-berliner-piraten/
(5) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2012/08/die-bankenkrise-mal-anders-gesehen.html
(6) http://www.bz-berlin.de/aktuell/berlin/piratin-hetzt-gegen-neuen-polizei-chef-article1603970.html
(8) http://lfpp.de/i6138
(9) Als „GATE“ bezeichnet man auf Twitter einen „Skandal“ oder ein „Skandälchen“ oder was man dafür hält. Oft gefolgt durch einen „Shitstorm“, in dem oft Menschen, ohne die Details zu kennen oder bewerten zu können, über die vermeintlichen Verursacher des Skandals herfallen und sie mit wütenden Kommentaren, die oft ins obszöne abgleiten, beschimpfen.
(10) Als Spammer werden Teilnehmer bezeichnet, die gesetzeswidriges oder gegen die Regeln der Gemeinschaft verstoßendes Verhalten an den Tag legen.
(11) https://lqfb.piratenpartei.de/lf/initiative/show/6102.html
(13) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2013/03/warum-lqfb-und-adhocracy-scheitern.html
(14) https://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2013.1/Antragsportal/WP138
(19) http://www.jomenschenfreund.blogspot.de/2013/02/anspruch-und-wirklichkeit-in-der.html
(20) http://www.ksta.de/debatte/kommentar-piraten-verlieren-an-glaubwuerdigkeit,15188012,22257600.html
(21) https://lqpp.de/nw/issue/show/247.html
(22) Namen sind mir bekannt, wurden aber von mir gelöscht.
(26) http://www.xinxii.com/mein-leben-in-der-piratenpartei-2012-p-340142.html
(27) http://de.wikipedia.org/wiki/Alternative_f%C3%BCr_Deutschland
(28) https://soundcloud.com/simonlange1971/interview-mit-dennis-plagge
(32) http://zuse-crew.de/2013/04/22/von-der-fahigkeit-nicht-kritikfahig-zu-sein/
http://steinholzheim.wordpress.com/2013/04/29/klarstellung-zur-beratung-des-bundesvorstandes-der-piratenpartei/
(33) http://jomenschenfreund.blogspot.de/2013/05/kann-ein-rassist-auch-antifaschist-sein.html


Jo Menschenfreund, der diesen Artikel unter Pseudonym geschrieben hat, ist selbst Mitglied der Piratenpartei. Wenn Sie ihm dazu ihre Meinung mitteilen wollen, erreichen Sie ihn unter jomenschenfreund@googlemail.com.
Seinen Blog finden Sie unter http://jomenschenfreund.blogspot.com/ Dort finden Sie auch einen Hinweis auf sein Buch "Mein Leben in der Piratenpartei 2012", das am 31.12.2012 in der Verlagsgruppe Holtzbrinck erschienen ist.


Online-Flyer Nr. 405  vom 08.05.2013

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