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Inland
Zweifel am Erfolg eines voreilig durchgeführten NPD-Verbotsverfahrens
Gössner: Einfluss von V-Leuten weiter ein Risiko
Von Peter Kleinert

In der Sitzung der Innendeputation, der Vertretung der Bürgerschaft im Bereich des Inneren, berichtete der Leiter des Bremischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Joachim von Wachter, am 6. Februar über die Vorbereitungen für ein neues NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Rolf Gössner, parteiloser Vertreter der Fraktion DIE LINKE in der Deputation, hatte den Bericht und eine Debatte darüber beantragt. Er bekräftigte auch nach dieser Sitzung seine Zweifel an den Erfolgsaussichten der Verbots-Absichten.
 
 

Rechtsanwalt, Publizist und Vizepräsident
der Internationalen Liga für Menschenrechte
Rolf Gössner bei der Verleihung des Kölner
Karls-Preis der NRhZ im Mai 2012
Foto: Arbeiterfotografie
Ende 2012 hatten die Innen-minister- und Ministerpräsi-dentenkonferenz sowie der Bundesrat jeweils mit Unterstützung Bremens einem erneuten NPD-Verbotsanlauf zugestimmt. Sowohl Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) als auch der Leiter des Bremer VS halten Bremens Zustimmung für begründet und notwendig. Demgegenüber hält Rechtsanwalt Rolf Gössner die Beschlüsse angesichts der bestehenden Risiken nach wie vor für „vorschnell und fahrlässig“: „Sowohl die tatsächlichen als auch die rechtlichen Bedingungen für ein NPD-Verbotsfahren müssen erfüllt sein, andernfalls besteht wie beim letzten Verbotsdesaster 2003 die Gefahr, dass der Vorstoß vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte scheitert. Eine solche Niederlage könnte der NDP zu einem fatalen Imagegewinn verhelfen – einer Partei, die im Bund und den meisten Bundesländern eher dahindümpelt: ein klassischer Knieschuss.“
 
Die parlamentarische Randexistenz der neonazistischen NPD könnte Gössner zufolge die Gerichte dazu bewegen, die Einstufung der NPD als unmittelbare Gefahr für die Demokratie abzulehnen. „Die Gerichte haben die Hürden für ein Parteiverbot zurecht sehr hoch gelegt“, gibt Gössner zu bedenken. „Eine zu verbietende Partei muss demnach auch das reale Potential zur Realisierung einer solchen Gefahr haben. Doch diese Wirksamkeitshürde dürfte eine 1-bis-2-Prozent-Partei kaum schaffen.“
 
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor sei die erforderliche "Quellenfreiheit" des Belastungsmaterials, so Gössner: „Es gibt keine Garantie, dass dieses Material nicht unter dem Einfluss von V-Leuten entstanden ist, die noch Anfang 2012 – bereits seit Jahren und Jahrzehnten – die rassistische Politik der NPD mitgeprägt und mitfinanziert hatten. Auch wenn V-Leute in den Führungsebenen der Partei angeblich abgeschaltet worden sein sollen – wofür es keine Garantien oder Nachweise gibt –, so ist die NPD auf allen anderen Ebenen nach wie vor von geheimen Mitarbeitern des Verfassungsschutzes durchdrungen; auch sie sind in der Lage, NPD-Politik und Belastungsmaterial mitzuprägen. Dieser Umstand vergrößert das Risiko, dass das Verbotsverfahren wiederum wegen mangelnder Staatsferne der NPD eingestellt wird.“
 
Gössner erinnerte an das 2003 kläglich gescheiterte erste NPD-Verbotsverfahren: „Schon einmal war eine rot-grüne Regierungskoalition, damals auf Bundesebene, mit Feuereifer dabei, die NPD verbieten zu lassen – ebenfalls mit der Versicherung, dass das Belastungsmaterial ein Verbot rechtfertigen würden. Wie das Verfahren wegen der V-Leute-Unterwanderung und der daraus resultierenden Staatsnähe der NPD endete, ist bekannt. Man hätte auch damals die Problematik erkennen können und müssen.“
 
Rolf Gössner, der als Publizist die V-Mann-Verflechtungen des Verfassungsschutzes bereits intensiv recherchiert und dokumentiert hat und u.a. dafür 2012 den Kölner Karls-Preis erhielt (1), hält die neue offizielle NPD-Verbotsdebatte und die beschlossenen Verbotsanträge für „Symbol- und Verdrängungspolitik, um vom eigenen Versagen im Kampf gegen Neonazismus und Rechtsterror abzulenken“ – zumal mit einem Parteiverbot die zugrunde liegenden Probleme nicht ansatzweise gelöst werden könnten, weder der grassierende gewaltbereite Neonazismus noch der besorgniserregende Rassismus in Staat und Gesellschaft. Hierfür bedürfe es anderer Anstrengungen. (PK)
 
(1)
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17797
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17795
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17833
 


Online-Flyer Nr. 393  vom 13.02.2013

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