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Inland
Prinz Turki al Faisal aus Saudi Arabien unterstützt Aufständische in Syrien:
"Gute Jungs, böse Jungs"
Von Hans Georg

Eine Schlüsselfigur aus dem Afghanistan-Krieg der 1980er Jahre hat letzte Woche bei seinem Deutschlandbesuch  anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz für die Hochrüstung der Aufständischen in Syrien geworben. Man müsse den Rebellenmilizen Panzer- und Luftabwehrraketen beschaffen, fordert Prinz Turki al Faisal, ein einflussreiches Mitglied des saudischen Herrscherclans. Turki al Faisal hatte sich in den 1980er Jahren als Chef des saudischen Geheimdienstes damit befasst, die afghanischen Milizionäre mit Waffen für den Kampf gegen die Regierung auszustatten.
 
 

Prinz Turki al Faisal 2.Zeile
Quelle: thinkprogress.org

 
Damals hatte er mit Usama bin Ladin kooperiert, der sich an den afghanischen Aufständen beteiligte - "ein netter Kerl", wie Turki erklärt. Der ehemalige saudische Geheimdienstchef äußert über seine Forderung zur Rebellen-Aufrüstung in Syrien, man dürfe die Waffen nicht willkürlich verteilen, sondern müsse sie, ganz wie damals in Afghanistan, streng kontrollieren. Zugriff erhalten sollten nicht die "bösen", sondern nur die "guten Jungs". Turki ist am Wochenende bei der Münchner Sicherheitskonferenz aufgetreten, auf der über weitere westliche Hilfen für die Aufständischen in Syrien debattiert wurde.
 
Rebellen bewaffnen
 
Prinz Turki al Faisal, ein einflussreiches Mitglied des saudischen Herrscherclans al Saud, hat bei seinem Deutschlandbesuch massiv für die Hochrüstung der Aufständischen in Syrien geworben. Der Prinz, der bereits am 25. Januar mit der Forderung an die Öffentlichkeit getreten war, die Aufständischen offen mit Panzer- und Luftabwehrraketen auszustatten, hielt sich zu Gesprächen in Berlin sowie in München auf. Nach zwei Auftritten bei der Deutsch-Arabischen Freundschaftsgesellschaft, als deren aktueller Präsident der einstige bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu fungiert, nahm Turki al Faisal an der Münchner Sicherheitskonferenz teil; dort stellte er sich unter anderem für ein "Hintergrundgespräch" bei dem Nachwuchsnetzwerk "Munich Young Leaders" zur Verfügung - bereits zum zweiten Mal nach einem ersten "Hintergrundgespräch" 2010. In den vergangenen Jahren hat er mehrfach zu Gesprächen mit Regierungsstellen die deutsche Hauptstadt bereist. Im Oktober 2004 etwa nahm er an einer Tagung des Bundesnachrichtendienstes teil, im Februar 2009 führte er Gespräche im Bundesinnenministerium; Thema war damals, wie die Pressestelle erklärte, die "sicherheitspolitische Zusammenarbeit" Deutschlands und Saudi-Arabiens, insbesondere die Kooperation in Afghanistan.[1]
 
Aufständische hochrüsten
 
Turki al Faisal, der in der Bundesrepublik immer wieder zu Rate gezogen wird, kann als zentrale Schlüsselfigur in dem Krieg gelten, in dem der Westen erstmals in großem Maßstab islamistische Milizen für seine Zwecke nutzte: im Afghanistan-Krieg der 1980er Jahre. Im Jahr 1977 war Turki zum Chef des wichtigsten saudischen Geheimdienstes, des General Intelligence Presidency (GIP), ernannt worden; den Posten hatte er bis zum Jahr 2001 inne. In seinen ersten Amtsjahren - damals unterhielt der BND, der dem GIP bereits in den 1960er Jahren umfangreiche Aufbauhilfe geleistet hatte, längst eine Residentur in Riad - baute er den Dienst gewaltig aus, ab 1979 in noch dichterer Kooperation mit der CIA als zuvor, weil Washington nach dem Sturz des Schah keinesfalls weitere Einflussverluste am Persischen Golf hinnehmen wollte. Im Juli 1980 kamen GIP und CIA zudem überein, gemeinsam die Aufständischen in Afghanistan hochzurüsten. Alles in allem - dabei sind auch Spenden privater saudischer "Hilfsorganisationen" eingerechnet - sollen sich die Mittel, die dafür bereitstanden, auf bis zu einer halben Milliarde US-Dollar jährlich belaufen haben.
 
Ein netter Kerl
 
Konkret abgewickelt wurden die Unterstützungsleistungen in einem hohen Maß über den GIP und sogar über Turki al Faisal persönlich, der bis zu fünf Mal pro Monat nach Pakistan und teils weiter nach Afghanistan gereist sein soll, um die Verteilung der Gelder zu regeln. Nicht selten gingen die Mittel an Mujahedin, die ihre religiösen Vorstellungen an die wahhabitischen Ideen der saudischen Geldgeber anzupassen bereit waren; damit konnte in Afghanistan die wohl reaktionärste Form des Islamismus immer stärker Fuß fassen. Zu Turkis Gewährsleuten vor Ort gehörte Usama bin Ladin, von dem der GIP-Chef damals sehr angetan war. "Er sprach wenig und erhob nie seine Stimme", berichtete er später: "Kurzum, er war ein netter Kerl."[2] Von Kontakten zu bin Ladin berichteten auch Deutsche, die damals - zumindest teilweise in offiziellem Auftrag - ebenfalls in Pakistan oder Afghanistan tätig waren, um die gegen die missliebige Regierung kämpfenden Aufständischen zu unterstützen (german-foreign-policy.com berichtete [3]). Turki al Faisal gab später an, sein GIP habe damals zwar versucht, die Verteilung der Gelder an als zuverlässig eingeschätzte Milizionäre zu steuern; dabei habe man jedoch zuweilen die Kontrolle verloren.[4] Unabhängig von der Frage, ob dies zutrifft oder nur eine Schutzbehauptung ist, um Kritik an der saudischen Unterstützung für die exponiertesten islamistischen Mujahedin abzuwehren, zeigt die Äußerung, dass auch Kräfte profitierten, von denen man sich im Rückblick lieber distanziert.
 
Die guten Jungs
 
In einem Interview hat Turki al Faisal jetzt nicht nur die Forderung bekräftigt, heute müssten die Rebellen in Syrien "Panzerabwehrwaffen, Luftabwehrwaffen und Waffen gegen Artillerie" erhalten. Er hat zudem, basierend auf seiner Erfahrung aus dem islamistischen Aufstand im Afghanistan der 1980er Jahre, erläutert, wie die Waffenlieferungen abzuwickeln seien. Demnach sei es Aufgabe der Geheimdienste herauszufinden, "wer in der (syrischen, d.Red.) Opposition die guten Jungs und die bösen Jungs sind": "Und man liefert die Waffen an die guten Jungs."[5] Im Notfall sei es technisch möglich, die Waffen "aus der Entfernung mit elektronischen Mitteln unbrauchbar zu machen, wenn sie in falsche Hände geraten"; "also besteht keine Gefahr". Turki al Faisal, der nach wie vor zu den inneren Machtzirkeln in Riad gehört, aber keine Regierungsfunktion innehat und deswegen nicht in diplomatische Verpflichtungen eingebunden ist, bestätigt, dass Saudi-Arabien längst Waffen an die Aufständischen liefert: "Ich bin sicher, dass es Unterstützung gibt." Welche Kräfte innerhalb des Aufstands von Saudi-Arabien unterstützt werden, das präzisiert der in Berlin immer wieder konsultierte Prinz nicht.
 
Die neuen Taliban
 
Während in Berlin, forciert unter anderem von Turki al Faisal, über weitere Unterstützung für die Aufständischen diskutiert wird - der Bundesnachrichtendienst ist längst in der Region aktiv [6] -, hat König Abdullah von Jordanien die politische Entwicklung des syrischen Aufstands unlängst in ungewöhnlich deutlichen Worten beschrieben. Demnach sei es ein zentrales Problem, dass sich "al Qaida-Kräfte im vergangenen Jahr in Syrien etabliert" hätten und dabei "Geld und Ausrüstung aus dem Ausland" erhielten.[7] Unter Hinweis darauf, dass auch Jordanien Soldaten nach Afghanistan entsandt habe, erklärte er: "Die neuen Taliban, mit denen wir es zu tun haben werden, werden in Syrien anzutreffen sein." Sollte das Assad-Regime stürzen, dann werde es selbst im besten Falle mindestens drei Jahre dauern, um "mit ihnen aufzuräumen". Bislang haben solche Warnungen weder der deutschen Unterstützung für die Aufständischen in Syrien noch der deutsch-saudischen Kooperation, die sich nicht zuletzt auf das Bemühen um den Sturz des Assad-Regimes erstreckt, etwas anhaben können. (PK)
 
[1] s. dazu Alte Verbündete
[2] Der meistgesuchte Mann der Welt; www.zeit.de 02.05.2011
[3] s. dazu Alte Verbündete
[4] Steve Coll: Ghost Wars. The Secret History of the CIA, Afghanistan, and bin Laden, from the Soviet Invasion to September 10, 2001, London 2004
[5] "Waffen an die guten Jungs liefern"; www.faz.net 30.01.2013
[6] s. dazu Verdeckte Kriegspartei
[7] Saudi prince calls for Syrian rebels to be armed; www.reuters.com 25.01.2013
 
Diesen Artikel haben wir übernommen von http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58529


Online-Flyer Nr. 393  vom 13.02.2013

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