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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Globales
Wenn Regierungen ihre Lügen zu Syrien mehrmals wiederholen
Der NATO-Krieg wird vorbereitet
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Eine Regierung, die sicher ist, im Recht zu sein, denkt nicht daran, eine Propaganda-Lügen-Kampagne zu wagen, um dadurch zu beweisen, dass sie Recht hat. Deutschland entfernt sich immer weiter vom Recht und Gesetz, degeneriert zu einem Unrechtsstaat, der sich nicht Richtung Frieden bewegt, sondern in der Logik des Krieges und des Kalten Krieges verankert bleibt. Deshalb braucht seine Regierung Lügen und propagandistische Maschen, um die eigenen Leute bei der Stange zu halten und die Öffentlichkeit schamlos zu täuschen.
 

Außenminister Guido
Westerwelle schweigt
lieber zu den Syrien-
Vorschlägen von Kofi
Annan und Lakhdar
Brahimi
NRhZ-Archiv
Wiederholt man eine Lüge oft genug, so wird sie endlich als Wahrheit wahrgenommen, so schon die Doktrin des Nazi-Propagandaministers Joseph Goebbels. Im Zusammenhang mit den abstrusen NATO-Plänen zur Stationierung von Raketen in der Türkei hört man wiederholt, es gehe darum, "den NATO-Partner vor möglichen Angriffen aus dem benachbarten Syrien zu schützen", der Einsatz sei "ausschließlich defensiv". Jedoch gab es bislang keinen Raketenbeschuss aus Syrien, wie ganz richtig die Journalisten Christoph Hickmann und Martin Winter (SZ vom 15.12.) feststellten. Das Gegenteil ist den Tatsachen entsprechend der Fall: Aus der Türkei agieren Terror-Banden, die Syrien ins Chaos stürzen wollen.
 
Solche Banden in einem Konglomerat von ausländischen Oppositionellen rotteten sich kürzlich zusammen, um eine sogenannte "Nationale Koalition" im marokkanischen Marrakesch zu bilden. Einige westliche Regierungen verliehen nach dem Vorbild der USA und europäischer Staaten der syrischen Opposition offiziell vergangenen Mittwoch sofort einen offiziellen Status. Synchron mit diesem zusammentretenden Bund von Kollaborateuren erklärte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am selben Tag, der Zusammenbruch der syrischen Regierung sei nur noch "eine Frage der Zeit". Dazu wagten deutsche Medien unverschämt, Russland einen Wechsel seiner begründeten Position zu Syrien zu unterstellen. Das Dementi aus Moskau kam prompt: Vize-Außenminister Michail Bogdanow habe keine Interviews oder Presse-Erklärungen verbreitet, also gebe es keine Aussage von ihm, wie tendenziös und gelogen verbreitet wurde. "Russland hat seine Position zu Syrien nicht verändert und wird sie nicht verändern." Die Lüge wurde also aufgedeckt und damit auch, wie unverfroren deutsche Medien hierzulande die Öffentlichkeit im Interesse einer kriminellen Politik der Mächtigen täuschen wollen.
 
Zur Manipulation der Öffentlichkeit gehört auch das Schweigen über die kritische politische Stellungnahme des Fraktionsvorsitzenden der Linken Gregor Gysi, der in seiner brillanten Rede fundiert begründet die gefährliche Kriegspolitik der Bundesregierung denunzierte. Manipulativ verlautete es daraufhin in der SZ vom 15.12. "Scharfe Kritik erntete Linken-Fraktionschef Gregor Gysi für seinen Vorwurf, Deutschland marschiere "mit der Bundeswehr in den Nahen Osten ein". Aus welcher Ecke kommt denn jene "scharfe Kritik" an Gysi? Im selben Blatt wird lediglich die unsägliche Grüne Kerstin Müller zitiert, die seit langem für ihre widerliche Sympathie für Angriffskriege auf hässliche Weise bekannt ist - zusammen mit ihrer bedingungslosen Abhängigkeit von der NATO, seit ihr Mentor, Joschka Fischer, sich als NATO-Laufbursche hergab, um die serbische Regierung vor dem verheerenden Bombenangriff 1999 beschämend zu erpressen. Die deutsche Öffentlichkeit aber versteht sehr gut den Vorwurf von Gregor Gysi und teilt gewiss genauso empört seine nüchterne Kritik an der Stationierung von Raketen in der Türkei nahe der Grenze zu Syrien und der Entsendung von Bundeswehrsoldaten in diese Krisenregion.
 
Ein NATO-Bekenntnis ist jetzt völlig unangebracht. Es macht stutzig, dass es in einigen Medien auch noch vollkommen überbetont wird. Nicht nur sekundäre Regierungs- und SPD-Vertreter, sondern auch ARD-Korrespondent Christian Thiels in Berlin verfiel in dieses seltsame NATO-Bekenntnis. Eines wird dabei auch noch einmal klar: Das Leben, das Leid der Menschen in Syrien interessiert nicht die korrupten europäischen Politik-Eliten. Sie blockieren weiter jeden Dialog und beharren auf ihrer Besessenheit, den syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad gewaltsam zu stürzen. Vor einem so extremen Wahn hat der ehemalige UNO-Generalsekretär und erste Sondervermittler zu Syrien, Kofi Annan, entschlossen gewarnt. Er besuchte Berlin am 11.12., also genau einen Tag vor dem unsäglichen Marrakesch-Treffen, und wurde von Außenminister Guido Westerwelle im Außenministerium empfangen, bezeichnenderweise ohne großes Presse-Echo. Kofi Annan hatte kürzlich die USA und ihre westlichen Partner im UN-Sicherheitsrat kritisiert, das Genfer Abkommen vom 30. Juni 2012 torpediert zu haben. Dies sollte eine verfassungsgebende Versammlung einleiten und Neuwahlen vorbereiten. Al-Assad hatte gegenüber Kofi Annan seine Zustimmung zu diesem Abkommen erklärt. Unmittelbar darauf hatten die USA, Frankreich und Großbritannien im UN-Sicherheitsrat schärfere Maßnahmen gegen Syrien gefordert und die Vereinbarung ignoriert. Gefesselt oder konfus in der Propaganda-Masche und Kriegslogik unterschlagen deutsche Medien die autorisierte sachliche Kritik von Kofi Annan. Nur die "Junge Welt" als einzige professionell seriöse Zeitung Deutschlands hatte den Mut, gegen diese offizielle Strömung zugunsten einer wahrhaften sachlichen Information anzugehen.
 
Das Bündnis der ausländischen Oppositionellen wurde in Marrakesch unter der Anleitung von US-Außenministerin Hillary Clinton forciert, um das Anti-Assad-Lager als legitime Führung des syrischen Volks fungieren zu lassen. Werner Pirker macht uns in der jW darauf aufmerksam: "In bescheidener Zurückhaltung überließ Washington Großbritannien und Frankreich bei der Anerkennung der Kollaborateure den Vortritt." Während Guido Westerwelle von einem "klaren Zeichen der Aufwertung der syrischen Koalition" sprach, "die die legitimen Interessen des syrischen Volkes vertritt", betonte sein britischer Amtskollege William Hague, dass Großbritannien die Koalition bereits "voll anerkannt" habe. Großbritannien hatte in der vergangenen Woche vergeblich versucht, ein EU-Waffenembargo aufzuweichen, um die Aufständischen in Syrien zu beliefern.
 
Mit überwältigender Mehrheit hatte der US-Senat in der ersten Dezember-Woche die Regierung in Washington aufgefordert, militärische Optionen für ein Eingreifen in Syrien auszuarbeiten. Das heißt, die radikalen Neokonservativen sind am Werk, um noch mehr Unheil im Nahen Osten anzurichten und der Politik in Syrien keine Chance zu geben. Der Druck der Neokonservativen aus dem US-Senat hatte also offensichtlich entscheidend dazu beigetragen, dass die Türkei innerhalb der NATO für eine internationale Militärintervention warb. Die Patriot-Mission soll zudem französische und britische Versuche decken, Waffen an die Opposition zu liefern. Die Stationierung der Luftabwehrraketen dient letztlich auch dazu, die diplomatischen Bemühungen des internationalen Syrien-Gesandten Lakhdar Brahimi sowie Gespräche von Vertretern der USA und Russlands zu sabotieren.
 
Eine große Persönlichkeit wie der profilierteste Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im US-Senat, der Außenpolitiker John Kerry, ist bestimmt imstande als zukünftiger Außenminister die amerikanische Außenpolitik wieder auf die richtigen Gleise zu setzen und Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Reaktionäre Elemente dürfen keineswegs weiter die politische Bühne betreten. Unbegreiflich, warum der SZ-Journalist Nicolas Richter meint, "Kerry hat ein schwieriges Verhältnis zum Krieg". Welches Verhältnis zum Krieg hat denn dieser seltsame SZ-Journalist? Wieso will er John Kerry nicht dafür würdigen, dass dieser sich nach seiner Rückkehr aus Vietnam den Kriegsgegnern anschloss und dem US-Militär vorwarf, Verbrechen zu begehen? Ebenso ehrt es John Kerry, dass er Präsident George W. Bush vorwarf, sein Land getäuscht zu haben, als nach der US-Invasion in Irak kein Massenvernichtungsarsenal gefunden wurde. Gerade infolgedessen wurden Bush und der Brite Anthony Blair als Kriegsverbrecher für Verbrechen gegen den Frieden vom Kuala-Lumpur-Tribunal am 23.11.2011 verurteilt. Nicolas Richter sollte diese gerichtliche Verurteilung von großer globaler Tragweite nicht ignorieren, sondern normale Konsequenzen daraus ziehen, bevor er blamabel oberflächlich das "Verhältnis zum Krieg" banalisiert. Leider zeigt sich hier zum wiederholten Mal, wie anachronistisch einige SZ-Journalisten in der verheerenden Mentalität des 20. Jahrhunderts verankert bleiben: Eine verhängnisvolle Last von Faschismus, NATO, Atombomben und Kaltem Krieg.
 
Deutsche Medien, Bundeskanzleramt und Bundestag wären gut beraten, wenn sie die Ansprache des russischen Präsidenten Vladimir Putin im Kreml vom 12.12. als Anstoß zum konzentrierten Nachdenken nähmen, vor allem was Demokratieverständnis betrifft: "Russische Demokratie bedeutet die Herrschaft des russischen Volkes und nicht etwa eine 'Demokratie' nach Maßstäben, die aus dem Ausland diktiert werden", erklärte der russische Präsident. (ARD/ZDF-Mittagsmagazin 12.12.). Kein Kommentar dazu in der Süddeutschen Zeitung. Warum? Weil Deutsche Journalisten dann anerkennen müssten, dass Deutschland offensichtlich unter Fremdbestimmung handelt. Ist Deutschland eine Demokratie im Sinne der Herrschaft des deutschen Volkes? Wahlen existieren hierzulande, ja, aber handeln die deutschen Volksvertreter souverän oder unter dem Diktat und starken Einfluss einer fremden Macht, die NATO heißt? Die unangenehme Frage ist berechtigt und deutsche Medien sollten sich damit befassen, ohne die prekär funktionierende deutsche "Demokratie" unter den Teppich zu kehren. Selbst die Gerichtsbarkeit, sogar das Bundesverfassungsgericht, ist hier ein Konglomerat der Parteien-Oligarchie mit verdienten Parteimitgliedern als Richter. Deshalb funktioniert die Justiz auch nicht.
 
Die Arroganz des NATO-Westblocks ist widerlich und hört nicht auf, die Menschen in Syrien mit Terror und Bomben-Explosionen skrupellos töten zu lassen. Diese Perversion findet im Namen der "westlichen Demokratie" statt. Zutreffend stellt Werner Pirker in seinem hervorragenden Leitartikel "Kriegserklärung" (Junge Welt, 13.12.) das falsche westliche Verhaltensmuster bloß: "Dass die syrische Opposition demokratisch legitimiert sei, wird aus ihrer Kollaboration mit dem "demokratischen Westen" heraus begründet. Doch wie demokratisch legitimiert kann eine politische Kraft sein, die ihren Machtanspruch nicht aus freien Wahlen, sondern aus der politischen und militärischen Unterstützung durch die westlichen Hegemonialmächte bezieht? Die Parlamentswahlen vom September 2011 und die Kommunalwahlen vom Dezember ...sind von der unversöhnlichen Opposition, die keine andere Option als die eines gewaltsamen Umsturzes in Betracht zu ziehen bereit ist, boykottiert worden. Was hat Demokratie noch mit der Idee demokratischer Selbstbestimmung zu tun, wenn die Fremdbestimmung zu ihrer Voraussetzung erklärt wird?"
 
Was hatte die prowestliche Opposition dazu bewogen, die lang angekündigten Wahlen in Syrien zu boykottieren? Warum wurden sie von OSZE-Wahlbeobachtern nicht einmal zur Kenntnis genommen? Warum haben deutsche Medien darüber nichts gemeldet und kommentiert? "Weil Wahlen im syrischen 'Revolutionsszenario' nicht vorgesehen waren. Denn sie hätten die mangelnde Verankerung der Aufständischen in der Bevölkerung schonungslos bloßgelegt", so Werner Pirker.
 
Wie unerträglich das dekadent selbstsüchtige Europa handelt, zeigt das neokoloniale Frankreich. Absolut unangebracht und blamabel sind amtliche europäische Erklärungen, Europa müsse dazu beitragen, dass der syrische Machthaber Baschar Al-Assad "so rasch wie möglich verschwindet", und es sei eine "moralische Pflicht", den Syrern gegen das "illegitime Regime" zu helfen - Aussagen, die die unglaubliche Zumutung des französischen Präsidenten François Hollande und des Präsidenten des Europäischen Rats bloßstellen (SZ vom 15.12.). So weit die Anmaßungen eines korrupten anachronistischen Europas, eines Europas von Banditen, das sich immer weiter von Demokratie, Menschlichkeit, Recht und Respekt für die Selbstbestimmung anderer Völker entfernt.
 
Russland und China engagieren sich für die Übergangsregierung, für die sich die fünf UN-Sicherheitsmächte im Konsens in Genf am 30.6.12 abstimmten. Deshalb werden sie kritisiert und ihre Position von einem zerstörerischen Westen verdreht. Die Genfer Vereinbarung ist der Plan von Kofi Annan und Lakhdar Brahimi, also der Plan der zwei UN-Gesandten zu Syrien. Darüber schweigt der deutsche Außenminister Guido Westerwelle, weil er zu diesen Saboteuren gehört. Anstatt sich für eine zivilisierte Politik einzusetzen, hat sich das Außenministerium zugunsten bewaffneter Aufständischer quasi in eine Zentrale des Gewalt-Exports nach Syrien verwandelt. So abgrundtief war Deutschland seit der Zeit des Nazi-Terrors bisher noch nicht gesunken. (PK)
 
Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait ist Juristin und Diplomatin a.D. und lebt seit dem Putsch gegen den sozialistischen Präsidenten Chiles, Salvador Allende, in Deutschland.


Online-Flyer Nr. 385  vom 19.12.2012

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