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Globales
US-Seeblockade Kubas und Raketenkrise in der Karibik im Herbst 1962 - Teil II
Kennedy will neue Regierung durchsetzen
Von Horst Schäfer

Der Autor des hier folgenden zweiten Teils der Serie über die völkerrechtswidrige Seeblockade Kubas und der darauf folgenden Raketenkrise in der Karibik unter US-Präsident John F. Kennedy hat elf Jahre als Korrespondent der DDR-Nachrichtenagentur ADN in den USA gearbeitet. Er ist Autor des Buches »Im Fadenkreuz: Kuba«, das in der NRhZ-Ausgabe Nr. 30 vom 7.2.2006 vorgestellt wurde.
 

Fidel Castro und Nikita Chruschtschow -
vor der Stationierung von Raketen auf Kuba
Vor 50 Jahren, am Morgen des 26. Oktober 1962 erklärte US-Präsident John F. Kennedy vor dem ExComm (1), die Blockade Kubas alleine werde wohl nicht zum gewünschten Erfolg, dem Abzug der sowjetischen Raketen, führen – dazu sei entweder eine Invasion nötig oder aber »ein Handel« mit der UdSSR. Damit meinte er offenbar den Abzug der Jupiter-Raketen aus der Türkei. Nach einer langen Diskussion über Luftangriffe gegen Kuba veranlaßte Kennedy, die Zahl der illegalen Überflüge der Insel insbesondere im Niedrigflugbereich von bisher zwei auf künftig zwölf pro Tag zu erhöhen.
 
»Schwertschneiden«
 
Der Generalstab legte seinen bevorzugten Plan »Scabbards« (Schwertschneiden) vor: Massive Luftangriffe auf Kuba, die zwölf Stunden nach dem Befehl des Präsidenten beginnen könnten und sieben Tage andauern sollten, »dann würden die Truppen an Land gehen«. Im Laufe des Tages wurde die Zahl der Bombenangriffe für den ersten Tag der Invasion auf 1.190 erhöht. John F. Kennedy forderte vom Außenministerium, das bereits geplante »Crashprogramm« gegen Kuba fortzusetzen mit dem Ziel, nach Invasion und Okkupation der Insel dort eine neue Regierung einzusetzen. Der Verteidigungsminister trug dann etwas zur Dämpfung der Invasionseuphorie bei, als er darauf verwies, daß laut Angaben der Militärs bis zu 18.484 US-Soldaten in den ersten zehn Tagen der Invasion sterben würden. Unklar bleibt, worauf sich diese »Berechnung« stützte.
 
Ebenfalls am 26. Oktober kam das Problem einer US-Invasion Kubas erneut in der Sitzung des ExComm zur Sprache. John F. Kennedy verwies darauf, daß Brasilien einen Plan vorgelegt habe, »der nicht nur eine atomwaffenfreie Zone in Lateinamerika verlangt, sondern auch eine Garantie der territorialen Integrität aller lateinamerikanischen Staaten einschließt«. Laut Protokoll gab es über die brasilianische Haltung einen interessanten Wortwechsel zwischen dem Präsidenten und seinem Außenminister: »Er (Kennedy) fragte, ob wir uns verpflichten könnten, Kuba nicht zu überfallen. Minister Rusk erläuterte, daß wir verpflichtet sind, Kuba nicht zu überfallen, weil wir die UN-Charta und den Vertrag von Rio unterzeichnet haben.« Kennedy und die US-Regierung waren sich also ihres völkerrechtswidrigen Vorgehens gegen Kuba voll bewußt.
 

Harold Macmillan bei Kennedy im White House -
will Kuba Unverletzlichkeit garantieren
Selbst der konservative britische Premier-minister Harold Macmillan, mit dem der Präsident während der Krise jeden Abend telefonierte, meldete vorsichti- ge Bedenken gegen die Kuba-Politik der USA an und machte Vorschläge, die Kennedy gar nicht begeisterten. In einem Telefongespräch am 26. Oktober, beschrieben in Dokument 87 der Dokumentensammlung des US-Außenministeriums, schlägt Macmillan vor, Kuba die »internationale Zusage als unantastbares Land« zu geben und setzt hinzu: »Wir alle garantieren seine Neutralität und Unverletzlichkeit«. Auf die anschließende Frage des Premiers an Kennedy: »Wäre das eine Möglichkeit?« antwortet der US-Präsident sehr zurückhaltend, er werde »darüber nachdenken«, meint dann aber eher ablehnend: »Das würde Castro an der Macht lassen.« Auch im ExComm kreiste die Diskussion an diesem Tag immer wieder um die Frage, daß ja der angestrebte Abzug der sowjetischen Raketen nicht das Hauptproblem für die USA löse, also das revolutionäre Kuba danach noch nicht verschwunden sei.
 
Post von Chruschtschow
 
In der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober trafen in Washington zwei Briefe von Ministerpräsident Chruschtschow ein, ein langer sehr persönlicher an den US-Präsidenten, der von Justizminister Kennedy als »emotional« beschrieben wurde, ein zweiter, ebenfalls an Kennedy. Beide Schreiben lösten im Weißen Haus am Abend, aber dann insbesondere am nächsten Morgen, hektische Aktivität aus. Jedermann benötige Frieden, schrieb der Vorsitzende des Obersten Sowjet der UdSSR, auch Kapitalisten, »wenn sie nicht den Verstand verloren haben«. Ein Krieg sei Feind und Unglück aller Nationen, betonte er und fragte Kennedy: »Welche Vorteile hätten Sie vom Krieg?« Er versicherte erneut, daß die auf Kuba stationierten Waffen ausschließlich Verteidigungszwecken dienten und dazu gedacht seien, »den Kubanern zu helfen, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es selber wünschen«. Wenn die USA verbindlich erklären würden, daß sie weder mit eigenen Truppen eine Invasion in Kuba durchführen, noch andere unterstützten, die eine Invasion planen, dann hätte sich die Anwesenheit des sowjetischen Militärs auf Kuba erledigt. Im zweiten Brief erinnerte er an die Umzingelung der UdSSR mit Militärbasen und Raketenstützpunkten und kündigte an, die sowjetischen Raketen aus Kuba abzuziehen, wenn die USA ihre Jupiter-Raketen aus der Türkei entfernen würden. Gleichzeitig schlug Chruschtschow Verhandlungen zum Abschluß eines Abkommens über den Stopp von Atomtests vor. Die bange Frage war an diesem Freitagabend: Wann und wie werden die USA auf die Vorschläge reagieren? (PK)
 
(1) The Executive Committee of the National Security Council
 
Teil III erscheint in der nächsten NRhZ-Ausgabe


Online-Flyer Nr. 378  vom 31.10.2012

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