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Wirtschaft und Umwelt
Wenn Monsanto, Syngenta, BASF, BAYER u.a. ihre Profite bedroht sehen
Genmaisstudie und Krisenkommunikation
Von Axel Mayer

Eine im September 2012 veröffentlichte Studie von Gilles-Eric Seralini, Professor an der Universität Caen, sorgt für Aufsehen. Séralinis Versuche ergaben, dass Tiere, die eine bestimmte Sorte Genmais bekamen, früher starben und vermehrt Tumore entwickelten: Weibliche Tiere bekamen vor allem Brustkrebs, männliche erkrankten an Haut oder Nierenkrebs.
 

Prof. Gilles-Eric Seralini von der
Universität Caen
Quelle: Quelle: Universität Caen
Eine solche Studie könnte nicht nur für Monsanto, sondern auch für Syngenta, BASF, BAYER, Dow und Dupont-Pioneer und das "Geschäftsmodell Gift & Gen" ein Milliardenfiasko bedeuten. Was jetzt anläuft, sind nicht die unbe- dingt notwendigen Überprüfungs-studien und fachwissenschaft-lichen Debatten, sondern jetzt geht es der Genlobby erst einmal darum, die kritische Studie anzugreifen. Um es in der Logik von Monsanto auszudrücken: "Die Studie und ihre Herausgeber müssen wissenschaftlich vernichtet werden." Vornehmer ausgedrückt nennt man diesen Prozess Krisenkommunikation.
 
Als Krisenkommunikation wird die Öffentlichkeitsarbeit von Firmen, Verbänden und Behörden in Krisen-Situationen verstanden. Die Veröffentlichung von Gilles-Eric Seralini ist für Monsanto und die globale Genlobby mehr als eine Krise.
 
Globale PR-Kampagne gegen die Studie
 
Die globale PR-Kampagne gegen die Genmaisstudie und ihren Herausgeber läuft an: Weil Professor Gilles-Eric Séralini bereits 2007 vor Vergiftungssymptomen durch Genpflanzen warnte, wurde er schon in den ersten Presseartikeln zur Studie dem Lager der Gentechnik-Kritiker zugerechnet. Eine solche vorschnelle Zuordnung wäre journalistisch akzeptabel, wenn bei all den Jubelstudien zur Gentechnik und den darauf folgenden Medien-Beiträgen ähnlich verfahren würde.
 
Wenn jetzt, zu Beginn der PR-Kampagne, der Vizepräsident des Verbandes Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBio), Prof. Diethard Tautz, die Studie seines französischen Kollegen in allen Medien scharf kritisiert, dann wird die Frage nach seinem erkenntnisleitenden Interesse, seinen bisherigen Auftraggebern und möglichen Lobbyverbindungen (auch des Verbandes VBio) nicht öffentlich hinterfragt. Der Verband VBio ist in den letzten Jahren öffentlich und offensiv für die Anwendung der Gentechnik eingetreten.
 
Zur Krisenkommunikation in der ersten Phase gehört üblicherweise auch der gezielte Einsatz von Leserbriefschreibern, die Manipulation von Internetforen und Wikipedia-Manipulation. Der Lebenslauf der kritischen WissenschaftlerInnen wird ausgespäht, mit dem Ziel, mögliche Angriffsflächen zu finden.
 
Die Pusztai-Affäre
 
1998 machte Dr. Árpád Pusztai Ergebnisse von Untersuchungen im Fernsehen und in der medizinischen Fachzeitschrift Lancet 1999 öffentlich. Die darauf folgende Auseinandersetzung über die Gültigkeit der Forschungsergebnisse und die gut organisierte Kampage gegen ihn wurde als Pusztai-Affäre bekannt.
 
Die globale Genlobby begann mit erfolgreicher "Krisenkommunikation", mit Verdächtigungen, Unterstellungen, Rufmordkampagnen und dem Versuch, die Ergebnisse der Studie zu diskreditieren und den Herausgeber der Studie wissenschaftlich zu vernichten. Als Folge dieser Kampagne wurde Pusztais Arbeitsvertrag nicht mehr verlängert und das Rowett Research Institute schloss ihn von der Mitwirkung an weiteren Untersuchungen aus. Pusztais Untersuchungen hatten Hinweise ergeben, dass der Verzehr von gentechnisch veränderten Kartoffeln Schäden am Immunsystem und verändertes Organwachstum bei Ratten hervorrufen könnte. Eine Überprüfung der Royal Society, sowie die von The Lancet zugewiesenen Prüfer gaben an, dass Pusztais Studie methodologisch unbrauchbar sei und keinen solchen Schluss zulasse.
 
Nach diesen gut organisierten Angriffen analysierten 23 unabhängige ForscherInnen aus insgesamt 13 Ländern, darunter etliche Universitätsprofessoren, wie Prof. Ian Pryme von der Universität Bergen, unabhängig voneinander seinen Versuch. In einem Memorandum forderten daraufhin die beteiligten Wissenschaftler öffentlich die Rehabilitierung von Pusztai. Sie bestätigten, dass die Annahme begründet sei, der Verzehr von gentechnisch veränderten Pflanzen könne auch bei Säugetieren erhebliche gesundheitliche Auswirkungen nach sich ziehen. Die Pusztai-Affäre war in ihrer ganzen Bösartigkeit ein typisches Beispiel für gut organisierte Krisenkommunikation.
 
Die Manipulationsindustrie
 
Bei Krisenkommunikation müssen zwei unterschiedliche Ebenen betrachtet werden: Da ist die notwendige, sachliche Kommunikation, um eine Krise zu überwinden, Panik zu vermeiden und Schäden und Opfer zu minimieren. Es gibt allerdings auch die propagandistische Ebene der gezielten Verharmlosung und Desinformation, denn nicht nur eine störende wissenschaftliche Studie, der Reaktorunfall, die Umweltkatastrophe, der Klimawandel, das bekannt gewordene Massaker oder der Ölunfall sind das Problem für Umweltzerstörer, Diktatoren und Konzerne, sondern eine möglicherweise darauf folgende "schlechte Krisenkommunikation".
 
Es gibt eine "Kommunikationsindustrie". Akzeptanzforschung und eine weltumspannende Manipulations- und Greenwash-Industrie, deren Aufgabe es ist, umweltgefährdende Projekte wie die Laufzeitverlängerung für AKW oder die so genannte "grüne" Gentechnik „grün zu waschen“, Akzeptanz zu schaffen und gegen Widerstände in der Bevölkerung und der Politik durchzusetzen. Umweltzertifikate wie ISO 14001 oder EMAS für Atomkraftwerke sind klassische Beispiele für Greenwash. Diese Manipulationsindustrie hat im Auftrag der Öl-, Kohle-, und Autoindustrie auch jahrelang die Folgen der von Menschen gemachten Klimaveränderung herunter gespielt und insbesondere in den USA notwendige Gesetzesänderungen verhindert.
 
Nach dem Reaktorunfall, der Chemiekatastrophe oder der Ölpest, nach Fukushima, Tschernobyl, Contergan, Bhopal, DDT und Asbest oder der unpassenden Studie... kümmert sich dann ein anderer Zweig der gleichen Greenwashindustrie im Rahmen von „Krisenkommunikation“ darum, aus der Katastrophe ein „Ereignis“ zu machen, das Problem herunter zu spielen, Schadensersatzansprüche zu minimieren und alle Hinweise auf die zuvor geschaffenen Mythen der absoluten Sicherheit zu "löschen". Nicht nur der Reaktorunfall, die Umweltkatastrophe, der Klimawandel oder der Ölunfall sind das Problem für Umweltzerstörer und Konzerne, sondern insbesondere auch die möglicherweise folgende "schlechte Krisenkommunikation" und die sich möglicherweise daraus ergebenden Schadensersatzforderungen.
 
Die größten Werbefirmen der Welt beteiligt
 
Im Bereich Krisenkommunikation arbeiten die größten Werbefirmen der Welt. Burson-Marsteller ist Spezialist im so genannten „Krisenmanagement: "Nach dem Reaktorstörfall von Three Mile Island in den USA im Frühjahr 1979 polierte die Agentur das angekratzte Image des Betreibers wieder auf. Dem Chemieriesen Union Carbide standen sie nach der Katastrophe im indischen Bhopal zur Seite, bei der über 2000 Menschen ihr Leben verloren.“ schreibt Ulrich Müller von LobbyControl.
 
„Heute hat fast jedes Unternehmen und natürlich auch Gen-Konzerne wie Monsanto einen PR-Plan für Krisenkommunikation in der Schublade, um eventuelle profitschädliche Probleme zu antizipieren und herunterzuspielen“, schreiben die Autoren Stauber und Rampton im lesenswerten Buch „Giftmüll macht schlank“ und beschreiben dort auch genau, wie solche Pläne aussehen. 

Die Umweltbewegung hat es in den vergangenen Jahren leider versäumt, sich intensiv genug mit Greenwash, PR und Krisenkommunikation auseinander zu setzen. Dies sollte sich ändern.                                                                                                                                                                Es geht bei diesem Text nicht um den Inhalt der neuen Genstudie, den wir, so wenig wie andere, schnell bewerten können. Es geht darum, auf die Kommunikationsstrategien der Konzerne aufmerksam zu machen. Die Kampagne gegen den Wissenschaftler Dr. Árpád Puszta sandte auch ein Signal an die Wissenschaft: "Wagt es nicht, gegen unsere ökonomischen Interessen zu forschen" war die Botschaft. Bei wichtigen Themen wie der Gentechnik brauchen wir tatsächlich unabhängige Studien und WissenschaftlerInnen, Untersuchungen, die nicht in ihrer Mehrzahl von Gen-Konzernen bezahlt werden und eine Wissenschaft, die im Zeitalter der Gier nicht von Drittmitteln aus der Industrie abhängig gehalten wird. Und wir brauchen natürlich auch den wissenschaftlichen Streit um Erkenntnis. In diesem Streit sollten allerdings die Spieße gleich lang sein, und dies sind sie bei den gegenwärtigen Konflikten um die Gentechnik leider nicht.
 
 
Axel Mayer ist BUND-Geschäftsführer in Freiburg
Quelle für einige Textteile: Wikipedia
 


Online-Flyer Nr. 374  vom 03.10.2012

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