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Krieg und Frieden
Proteste gegen das Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann
Die Leopard-Familie
Von Hans Georg

Anlässlich des internationalen Antikriegstags am 1. September kündigten Friedensinitiativen energische Proteste gegen das Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann (KMW) an. Unmut rief vor allen Dingen die erklärte Absicht des Konzerns hervor, insgesamt bis zu 1.000 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A7+ an Saudi-Arabien und Qatar zu liefern. Die Kriegsmaschinen wurden speziell für Militäroperationen in städtischen Gebieten entwickelt, was Befürchtungen nährt, sie könnten bei Aufstandsbekämpfung und interner Repression zum Einsatz kommen.

Leopard-Panzer nicht nur für die Bundeswehr, auch für Saudi-Arabien
Quelle: wikipedia
 
KMW bezeichnet sich als "Synonym für weltweit führende Technologien rund um geschützte Rad- und Kettenfahrzeuge" und verweist auf seine "traditionsreiche" Geschichte. Während des Zweiten Weltkriegs, der am 1. September 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen begann, avancierten die KMW-Vorgänger zu den führenden Panzerproduzenten Nazideutschlands. Die durch die Ausbeutung von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern erzielten Millionenprofite bildeten die Grundlage für ihren Wiederaufstieg nach 1945 - ebenso wie das in der NS-Zeit erworbene technische Know-how, das für die Produktion des "Leopard" genutzt wurde.
 
Kampf in städtischem Gebiet
 
Das Protestbündnis aus Parteien, Friedensgruppen und antifaschistischen Organisationen plant den Veranstaltern zufolge unter anderem, im nordhessischen Kassel mit einer Demonstration "bis vor die Tore" des Konzerns zu ziehen. Der Unmut der Protestierenden richtet sich vor allem dagegen, dass die hochmodernen Kriegsmaschinen speziell für Militäroperationen in urbaner Umgebung entwickelt wurden. Dies nährt Befürchtungen, sie könnten bei der Aufstandsbekämpfung und bei interner Repression zum Einsatz kommen. "Der neue Leopard-2-Kampfpanzer ist mit einer Räumschaufel ausgestattet und perfekt für den Kampf in städtischen Gebieten geeignet und kann somit gegen die protestierende Bevölkerung eingesetzt werden", heißt es im Demonstrationsaufruf. Erinnert wird in diesem Zusammenhang an die Beteiligung Saudi-Arabiens an der 2011 erfolgten blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung im Nachbarland Bahrain. Wie die Organisatoren der Proteste erklären, wollen sie "ein Zeichen setzen, dass das Freiheitsstreben aller Menschen weltweit nicht durch militärische Gewalt unterdrückt werden darf".[1]

Einladung zum Protest gegen das Rüstungsunternehmen
Quelle: http://occupy-public-space.com/tents-not-tanks/
 
Ein Familienbetrieb
 
Unterstützung erfahren die Kriegsgegner unter anderem von der Künstlerinitiative "Zentrum für politische Schönheit". Diese hatte ursprünglich dazu aufgerufen, die Eigentümer von KMW ins Gefängnis zu bringen, und für entsprechende Hinweise eine Belohnung von 25.000 Euro ausgesetzt. Aufgrund von Klagedrohungen musste die Gruppe mittlerweile zwar von ihrem Ansinnen Abstand nehmen, informiert jedoch auf einer eigens zu diesem Zweck eingerichteten Webseite weiter über die Besitzer der Panzerschmiede.[2] Den hier zu findenden Angaben zufolge handelt es sich bei KMW nach wie vor um einen reinen Familienbetrieb: Die Firma gehört zu 100 Prozent der "Wegmann und Co. Unternehmens-Holding", die sich wiederum im Besitz von 38 namentlich bekannten Personen befindet. Bei diesen handelt es sich um Angehörige der Unternehmerdynastien Bode, von Braunbehrens und Sethe sowie mit diesen verwandte und verschwägerte Personen. Federführend sind die Nachfahren des vormaligen NS-Betriebsführers August Bode, nach dem auch die Straße benannt ist, in der sich das Kasseler KMW-Werk befindet.
 
Förderndes Mitglied der SS
 
August Bode wurde 1931 alleiniger Geschäftsinhaber und -führer des Unternehmens Wegmann und Co. Unter seiner Ägide avancierte der Betrieb, der ursprünglich in erster Linie Eisenbahnwaggons gefertigt hatte, zu einem der führenden Rüstungsproduzenten des Dritten Reichs. Ab 1935 baute Wegmann zunächst die "Panzerkampfwagen I und II". Diese kamen 1936 im spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der faschistischen Putschisten unter General Franco zum Einsatz; zu Beginn des Zweiten Weltkriegs bildeten sie einem Fachbuchautor zufolge das "Rückgrat der angreifenden Panzerdivisionen" beim deutschen Einmarsch in Polen und Frankreich.[3] In den ersten drei Kriegsjahren lieferte Wegmann darüber hinaus noch knapp 200 Flammenwerferpanzer sowie einige hundert Panzerspähwagen und Schützenpanzer. Von August 1942 bis August 1944 produzierte das Unternehmen dann insbesondere die Geschütztürme für die Kampfpanzer "Tiger I und II", die schwersten Kampfpanzer, über die die Naziwehrmacht verfügte. Für seine Verdienste um die NS-Kriegsproduktion wurden dem zum "Wehrwirtschaftsführer" geadelten August Bode zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen zuteil. So erhielt er unter anderem 1942 das "Kriegsverdienstkreuz I. Klasse ohne Schwerter". Der Orden war im Oktober 1939 von Adolf Hitler gestiftet worden und belohnte "besondere Verdienste bei der Durchführung von (...) Kriegsaufgaben, bei denen ein Einsatz unter feindlicher Waffeneinwirkung nicht vorlag".[4] Bode war seinerseits 1937 nach dem Ende der Aufnahmesperre für Parteianwärter der NSDAP beigetreten und engagierte sich fortan als "förderndes Mitglied der SS".
 
Zwangsarbeiter
 
Die Millionenprofite, die bei Wegmann mit der Produktion von Kriegsgerät für die Naziwehrmacht erzielt wurden, basierten auf der rücksichtslosen Ausbeutung von Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und politischen Häftlingen. Im Zuchthaus Kassel-Wehlheiden richtete das Unternehmen einen Zweigbetrieb ein, in dem gefangene Gegner des NS-Regimes Panzerteile anfertigen mussten. Gleichzeitig beschäftigte Wegmann mehr als 700 ausländische Arbeitskräfte; diese stammten zumeist aus der Sowjetunion und hatten besonders unter den miserablen Lebens-, Arbeits- und Unterbringungsverhältnissen zu leiden. Augenzeugenberichten zufolge waren die sowjetischen Zwangsarbeiter gezwungen, sich von Kartoffelschalen zu ernähren; im Falle von Bombenangriffen durften sie keine Luftschutzbunker aufsuchen; bei geringsten Verstößen gegen die "Arbeitsdisziplin" drohte die Einweisung in ein sogenanntes Arbeitserziehungslager, vergleichbar einem KZ. Schikanen und Misshandlungen waren an der Tagesordnung. Wie ein kommunistischer Jungarbeiter später aus eigener Anschauung berichtete, war die Betriebsleitung - namentlich "Betriebsführer" Bode - hierbei direkt involviert: "Ich weiß, (...) dass ich (...) vielleicht zwei oder drei Minuten vor der Mittagszeit vor der Kantinentür gestanden habe, und der (...) Werkspolizist hat mich aufgeschrieben. Ich musste dann zum Obermeister Wersche kommen, dort bekam ich dann eine Abreibung verpasst. Dann musste ich noch zu Herrn Bode. Dort wurde mir eröffnet, dass ich für das Fehlverhalten fünf Mark Strafe zu zahlen hätte. Dann hat man mich zum Obmann der Arbeitsfront geschickt (...) und da bekam ich die nächste Abreibung. Da haben die Burschen ihre Nazikoppel dazu genommen, mich zu verdreschen."[5]
 
Zu Tode geprügelt
 
Eine ähnliche Geschichte wie Wegmann und Co. hat die Krauss-Maffei AG, die 1999 mit den Kasseler Panzerbauern zu KMW fusionierte. Krauss-Maffei produzierte während des Zweiten Weltkriegs neben Lokomotiven mehr als 6.000 sogenannte Kettenzugmaschinen, mit denen Artilleriegeschütze geschleppt wurden. Im November 1942 bestand die Belegschaft des Münchener Unternehmens zu 63 Prozent aus Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern; insgesamt waren mehr als 5.000 Ausländer bei Krauss-Maffei beschäftigt. Auch ihre Lebens-, Arbeits- und Unterbringungsverhältnisse waren menschenunwürdig; Augenzeugen berichteten zudem von tödlichen Repressalien gegen gefangene Rotarmisten, die - analog zu Wegmann - auf Weisung der Betriebsleitung erfolgten: "Einmal wurde ein kriegsgefangener Russe so stark verprügelt, dass er an de(n) Folgen starb. (...) Das alles geschah ohne Rüge unter dem Kommando des ehemaligen Betriebsdirektors Jakob Berthold, dem allein Verantwortlichen."[6]
 
Eine Erfolgsstory ohnegleichen
 
Bis heute ist KMW offenbar nicht bereit, sich mit seiner mörderischen NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen; in Selbstdarstellungen wird vielmehr ohne jede Distanzierung auf die "traditionsreiche" Geschichte des Unternehmens verwiesen.[7] Zu dieser zählt nicht zuletzt die in den 1960er Jahren begonnene Entwicklung des Kampfpanzers "Leopard", aus der Unternehmensangaben zufolge mittlerweile eine ganze weltweit anzutreffende "Leopard-Familie" hervorgegangen ist.[8] Ausschlaggebend für diese laut KMW "Erfolgsstory ohnegleichen" [9] war das während der NS-Zeit bei der Produktion des Kampfpanzers "Tiger II" ("Königstiger") erworbene technische Know-how, wie Fachleute aus Militär und Industrie frühzeitig bemerkten. 1963 bezeichnete die Zeitschrift "Wehr und Wirtschaft" den "Leopard I" als "eine außerordentlich gelungene Fortentwicklung des Königstigers aus dem Zweiten Weltkrieg".[10] (PK)
 
 
[1] Keine Leopard-2-Panzer-Exporte nach Saudi-Arabien, Indonesien und Katar! Kasseler Aktionstage gegen Rüstungsindustrie und Militarismus vom 30.08.-02.09.2012; occupy-public-space.com/tents-not-tanks
[2] 25000-euro.de
[3] zitiert nach: Thomas Vollmer: Wegmann und Co. - von der Waggonfabrik zur Rüstungsschmiede. In: Thomas Vollmer/Ralf Kulla: Panzer aus Kassel. Die Rüstungsproduktionen der Firmen Henschel und Wegmann, Kassel 1994
[4] Reichsgesetzblatt Nr. 209, 24.10.1939
[5] Interview mit Christel Merle. In: Thomas Vollmer: Wegmann und Co. - von der Waggonfabrik zur Rüstungsschmiede. In: Thomas Vollmer/Ralf Kulla: Panzer aus Kassel. Die Rüstungsproduktionen der Firmen Henschel und Wegmann, Kassel 1994
[6] zitiert nach: Alois Auer (Hg.): Krauss-Maffei. Lebenslauf einer Münchner Fabrik und ihrer Belegschaft. Schriftenreihe des Archivs der Münchner Arbeiterbewegung 1, Kösching 1988
[7] Die KMW-Unternehmensgeschichte im Überblick; www.kmweg.de
[8] siehe hierzu die "Produktinformationen" über die Kampfpanzer Leopard 2 A4, Leopard 2 A5 und Leopard 2 A6 unter www.kmweg.de
[9] Leopard 1 A5; www.kmweg.de
[10] AMX 30 und der deutsche Standardpanzer. Keine europäische Gemeinschaftsentwicklung; Wehr und Wirtschaft 7/1963. Zitiert nach: Thomas Vollmer: Wegmann und Co. - von der Waggonfabrik zur Rüstungsschmiede. In: Thomas Vollmer/Ralf Kulla: Panzer aus Kassel. Die Rüstungsproduktionen der Firmen Henschel und Wegmann, Kassel 1994
 
 
Mehr http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58413
 


Online-Flyer Nr. 370  vom 05.09.2012

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