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Lokales
Eröffnung des Cafe Palestine Colonia
Welche Farbe trägt Dein Herz
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Endlich gibt es - neben Cafe Palestine in Freiburg - seit dem 20. Mai 2012 auch in Köln einen Ort des Austausches und der Präsentation von Kunst und Kultur eines Volkes, das seinen Namen durch den Überlebenskampf verliehen bekam: die Palästinenser. Männer, junge, alte, Frauen, Kinder, Jugendliche, Ärzte, Bäcker, Bauern, Musiker. Palästina ist ein winziges Fleckchen auf dem Globus, ein trillardstel Staubkorn im Orbit. Ebenso ein Staubkorn wie viele andere Nationen und Gemeinschaften, in denen Menschen friedlich zusammenleben wollen. Am vergangenen Sonntag war es soweit. Das Cafe Palestine Colonia öffnete seine Türen.

„Wenn hier in Deutschland von Palästina die Rede ist, dann wird meist nur das tragische Schicksal der Palästinenser diskutiert. Dass die Palästinenser auch eine hohe Kultur haben, mit Literatur, Malerei, Musik und vielem mehr, ist in der deutschen Öffentlichkeit kaum bekannt. Das neue Café Palestine Colonia hat sich daher zur Aufgabe gemacht, die kulturellen und künstlerischen Hintergründe Palästinas in den Vordergrund zu rücken. Dabei geht es zum einen um die Situation in Palästina selbst, zum anderen um palästinensische Kunst und Kultur in Deutschland – und speziell im Kölner Raum. Die politische Lage soll dabei natürlich nicht außer Acht gelassen werden.“ Mit diesen Worten begrüßt die Gründerin Suraya Hoffmann die weit über die aus der Kölner Region hinaus anströmenden Gäste. Der mit typischen Gegenständen geschmückte Saal füllt sich schnell, die Stühle reichen für die bis zu 70 Personen nicht aus. An der Rückseite wartet ein Begrüßungsbuffet, seitlich auf einem Tisch werden Bücher und Kunsthandwerk angeboten. Geschenke und Glückwünsche werden überreicht und alle sind in gespannter Erwartung des Kulturprogramms zum Auftakt.


Samir Mansour begleitet Saleh Khalil Srouji auf der Oud
Fotos: arbeiterfotografie.com, Klaus Franke


Suraya Hoffmann eröffnet das Café Palestine Colonia

Aus Süddeutschland, genauer Oberfranken gekommen ist der in Nazareth geborene und seit 1981 in Deutschland lebende Autor Saleh Khalil Srouji, um eine Kostprobe seiner literarischen Texte zu lesen, die von der Bonner Schauspielerin Christiane Sturm auf Deutsch vorgetragen werden. Begleitet wird die deutsch-arabische Vorstellung durch den international bekannten Musiker Samir Mansour auf der Oud, einer arabischen Laute mit sechs Saiten, in Quarten gestimmt - Großmutter der Gitarre. Saleh Khalil Srouji und der aus Damaskus stammende, in der Nähe von Stuttgart lebende Samir Mansour sind ein eingespieltes Team. Neben einigen instrumentalen Solostücken überträgt der Musiker einen Teil des deutschen Textes in arabischsprachigen Gesang. „Die Liebe, wie eine leichte Feder, kennt keine Farbe. Welche Farbe trägt Dein Herz?“, heißt es in Sroujis Lyrikband „Jenseits der Fremde“. Dort führt er aus: „Die Botschaft der Literatur und der Kunst war, ist und wird immer eine Botschaft der unermüdlichen Suche nach einem menschwürdigen Dasein in all seinen Facetten sein. Ich versuche durch meine Poesie eine Stimme in die Welt hallen zu lassen, eine Stimme der Freiheit, des Friedens und nicht zuletzt der Liebe – die höchste aller Anstrebungen der menschlichen Seele.“

Obwohl er als Kabarettist das gesamte Programm des Nachmittages problemlos hätte bestreiten können, beschränkt sich der aus Mainz angereiste Künstler Anis Hamadeh diesmal auf die Vorstellung seines neuen Manuskriptes, der "Palästina-Anthologie". Dann zeigt er Zeichnungen und Fotobearbeitungen mit Motiven aus Köln und Palästina. Anis unterstützt das Kölner Café Palestine auch als webmaster und ist hierüber mit seiner website anis-online.de verbunden. Den LeserInnen der Neuen Rheinischen Zeitung, NRhZ-online, ist Anis kein Unbekannter. Anfang des Monats präsentierte er sich in Ausgabe Nr.352 mit der Fotogalerie „Der Fall Palästina neu aufgerollt“.


Hakam Abdel-Hadi, Journalist und Romancier: „Ich werde öfter kommen…“

Ernstes und Heiteres, ja Fröhliches trägt der ehemalige Rundfunkjournalist der Deutschen Welle, Hakam Abdel-Hadi, bei. „Ich freue mich hier zu sein und gratuliere zu diesem neuen Café. Es scheint ja sehr gut besucht zu sein, und ich werde bestimmt öfter vorbeikommen.“ In seinem Buch "Der hungrige Suleiman: Vom Lachen und Weinen in Palästina" geht es um die Erzählung der Geschichte eines Familienoberhauptes und gleichzeitig um ein Stück palästinensischer Geschichte. Dies sei sowohl individuelle Geschichte als auch gesellschaftliches Zusammenspiel, Politik. Der Ausschnitt, den Abdel-Hadi liest, ist ein historischer Moment von 1918, „da hatten wir noch kein palästinensisches Problem und kein Israel-Problem“. Der damals siebenjährige Suleiman erfährt von seinem Vater, dass er – wie die Juden – zum Volk der Semiten gehört, deren verschiedene Stämme den gemeinsamen Großvater Abraham haben. „Genau wie Du und ich sind die Juden beschnitten und essen auch kein Schweinefleisch.“ Suleiman fragt: „Ist das wahr, Papa, was ich in der Schule gehört habe, dass die Juden unser Land stehlen wollen?“ „Dummes Zeug“, antwortet der Vater, „es ist einfach so, dass sie, so wie wir das tun, dieses Land lieben, weil ihre Wurzeln hier liegen.“

Weiterhin gibt der Berufsjournalist und bekennende Romancier eine Kostprobe aus seiner in Arbeit befindlichen Biografie von 50 Jahre Leben in Deutschland. „Süss-sauer“, lautet der Arbeitstitel. „Aber es war überwiegend süß, soviel verrate ich.“ Es geht es um seinen politischen Weg und unter anderem um rührend zarte, erotische Geschichten. Ja, ein verhinderter Playboy sei er gewesen, auch wenn sich das heute keiner mehr vorstellen könne. – Kichern und Schmunzeln im Publikum...

An jedem dritten Sonntag im Monat soll es von nun an offen sein, das Café Palästine Colonia in den Räumen des Allerwelthauses in der Körnerstraße von Köln-Ehrenfeld. Es ist heiß an diesem Tag und schwül im Raum. Nach den Vorträgen finden sich Gesprächskreise zusammen, denen Friedenskoch Jalil Schwarz seinen berühmten orientalischen Kaffee serviert, wobei er – ganz nebenbei – vom Versöhnungsansinnen des Projekts „Abrahams Zelt“ spricht – in dessen Kuratorium sich kein Geringerer als Daniel Barenboim befindet – um einen palästinensisch-israelischen, christlich-jüdisch-muslimischen Kindergarten aufzubauen. Jalil hat dafür bereits über 750.000 Euro zusammengetragen, aber bisher habe er von zwei angefragten israelischen Bürgermeistern noch keine Zusagen erhalten. Kennen- und Verstehenlernen, so Jalils Vision, sollen sich die Menschen von klein auf, um gemeinsam die Feste der jeweils anderen Kultur und Religion zu feiern. In einem neu zu errichtenden Gebäude soll zusätzlich ein kulturelles Zentrum für Theateraufführungen, Konzerte, Vorträge und Seminare genutzt werden, damit auch die erwachsenen Familienangehörigen und Freunde in den Friedensprozess einbezogen sind. Für seine bisher gelungenen Friedensanstrengungen erhielt der ehemalige Dozent für Elektrotechnik, Elektronik und Mathematik im Februar 2001 das Bundesverdienstkreuz.


Nachwuchstalent Khalil Srouji

Viele weitere „BrückenbauerInnen“ bewegen sich nach dem Vortragsteil Gespräche knüpfend unter die kalte und warme Köstlichkeiten der palästinensischen Küche genießenden Gäste. So die in Bensberg lebende Judaistin Dr. Annelise Butterweck, die ihr Hebräisch-Studium teils in Jerusalem und teils am Martin-Buber-Institut in Köln absolvierte. Ihre Reiseberichte von mehr als einem Jahrzehnt, von „elf und einem Jahr“ sind unter dem Titel „Unterwegs zu den Menschen“ 2011 im Berliner AphorismA Verlag erschienen. Gemeinsam mit den Kölner Frauen in Schwarz unterstützt sie das Jahalin-Beduinen-Projekt am Rande von Ost-Jerusalem. Butterweck initiierte mehrere deutsch-palästinensische Partnerschaften und zeigt sich enttäuscht von der antipalästinensischen Haltung der Kölner Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Saleh Khalil Srouji, der in Bamberg Amerikanistik, Anglistik und Völkerkunde studierte und in Berlin in Arabistik und Islamwissenschaft promovierte, berichtet von der Einschränkung der palästinensischen Kultur durch die Abwesenheit des Friedens: „Israel zählt die Gebiete von 1967 zu Groß-Israel und gestattet den Palästinensern den Aufenthalt auf ihrem Boden. Israel will die Palästinenser nicht als Volk mit einem gemeinsamen Gedächtnis und einer klar umrissenen Identität wahrnehmen.“ Er beschreibt drei verschiedene Lebensituationen. Die in den besetzten Gebieten, eine weitere in Ost-Jerusalem, die israelischem Recht unterliegen und schließlich die im „abgeriegelten Gazastreifen“. Eine gemeinsame Entwicklung werde somit für die palästinensische Gesellschaft immer schwieriger. Es mangele nicht an Künstlern und Kulturschaffenden, wohl aber an Infrastruktur. Ohne ausländische Unterstützung sei vieles undenkbar. Ramallah sei zur Kulturhauptstadt der palästinensischen Gebiete geworden, in denen ein multikulturelles Leben von Film- bis Theaterfestivals stattfinde. All dies solle aber nicht über die drastischen Beschränkungen hinwegtäuschen. Mit anderen Worten ist dies ein Friedensaufruf der besonderen Art, nämlich in einer westlich orientierten Zivilgesellschaft kulturelle Unterdrückung nicht hinzunehmen. „Wir“ stünden vor der großen Herausforderung, unsere Gesellschaft umzuformen und zu gestalten.

Als nächste Herausforderung naht die Durchführung der Nakba-Ausstellung in Köln, gemeinsam mit “Frauenwege Nahost“. Die Ausstellung „Nakba. Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ zeichnet sich in Deutschland durch die traurige Berühmtheit aus, dass die Geschichte der Vertreibung der Palästinenser sich in der Vertreibung und Unterdrückung dieser Ausstellung widerspiegelt, vor der die lokalen „Friedenskräfte“ ohne Not kapitulieren. Eröffnung ist am Montag, dem 11. Juni, 18 Uhr. Nähere Informationen – auch zum Begleitprogramm – auf der website des Café Palestine Colonia.


Hinweise:


Café Palestine Colonia
jeden 3. Sonntag im Monat von 12 bis 15 Uhr, Eintritt frei
Allerweltshaus, Körnerstraße 77, 50823 Köln

Kontakt: Suraya Hoffmann
Info@cafepalestine-colonia.de
http://www.cafepalestine-colonia.de/

Saleh Khalil Srouji, Jenseits der Fremde, bibliophile Ausgabe mit Kalligraphien von Hassan Massoudy und Salah Moussawy, Erich Weiss Verlag, Bamberg 2010

Hakam Abdel-Hadi, "Der hungrige Suleiman: Vom Lachen und Weinen in Palästina", AphorismA, Berlin 2010

Annelise Butterweck „Unterwegs zu den Menschen - Berichte von Reisen nach Israel und Palästina“, AphorismA, Berlin 2011 

http://www.friedenskoch.de/
http://www.anis-online.de

Online-Flyer Nr. 355  vom 23.05.2012

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