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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Inland
Zivilklausel: KIT zivil statt militärisch weiter entwickeln!
„Atom- und Waffenforschung“ unterbinden!
Von Dietrich Schulze

Im DGB-Aufruf zum 1. Mai, dem Internationalen Tag der Arbeit, ist von der Abwälzung der Krise und von Arbeitslosigkeit und Armut als einer tickenden Zeitbombe die Rede. Die enormen Rüstungskosten, der Umbau der Bundeswehr zu einer kriegführenden Interventionsarmee und die Rüstungsexporte sind jedoch mehr als eine Zeitbombe. Erneut wird ins Werk gesetzt, was Paul Celan zu dem Gedanken verdichtete:
 
„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.“
 
Schulen und Hochschulen werden durch Präsenz von Bundeswehr und Rüstungswirtschaft an die neue Kriegspolitik als selbstverständlichste Sache der Welt gewöhnt. Dagegen erhebt sich immer mehr Protest. Die Landesregierung Baden-Württemberg und die Grün-Rote Parlamentsmehrheit werden von den Gewerkschaften und vielen mehr aufgefordert, die Kooperationsvereinbarung Schule/Bundeswehr zu kündigen und eine gesetzliche Friedensbindung für alle Hochschulen im Landeshochschulgesetz LHG einzuführen.
Karlsruhe, die Residenz des Rechts und Stadt der Wissenschaften ist elementar betroffen. Universität und Forschungszentrum sind 2009 zum „Karlsruher Institut für Technologie“ KIT mit eigenem Landesgesetz zusammen geschlossen worden. Für das KIT-Gesetz, dessen Fortschreibung am 9. Mai im Landtag beschlossen werden soll, ist die Friedensbindung besonders notwendig. Am KIT wird Atomforschung und Waffenforschung unter einem Dach betrieben - ein Tabubruch, der seinesgleichen sucht.
 
Ursprünge der Zivilklausel
 
Das Forschungszentrum hatte eine Friedensbindung in Form der satzungsmäßigen Zivilklausel „Die Gesellschaft verfolgt nur friedliche Zwecke.“ wegen des Atomwaffenforschungsverbots, die strikt und erfolgreich für die gesamte Forschungspalette praktiziert und gelebt wurde. Im Zuge der KIT-Bildung hatten die Studierenden der Uni im Januar 2009 in einer bundesweit erstmaligen Urabstimmung für die Übernahme dieser Zivilklausel für das gesamte KIT votiert. Ein Internationaler Appell im Mai 2009 mit Hiroshima-Bürgermeister Akiba und Physik-Nobelpreisträger Steinberger waren dem beigetreten und hatten ausdrücklich vor Atom- und Waffenforschung unter einem Dach im KIT gewarnt. Im Juni 2009 hatten die damaligen Oppositionsparteien SPD und GRÜNE für das KIT-Errichtungsesetz eben jene Zivilklausel beantragt. All das war von der Schwarz-Gelben Landesregierung ignoriert worden.
 
Rüstungsforschung am KIT
 
Im Zuge der Auseinandersetzungen war von der „Initiative gegen Militärforschung an Universitäten“ langjährig verdeckte und aktuelle nachrichtentechnische Rüstungsforschung - besonders geeignet für multinationale Interventionstruppen - aufgedeckt worden. Dabei spielte die Kooperation mit einem Ettlinger Rüstungsforschungsinstitut eine Rolle, das inzwischen in ein Karlsruher Fraunhofer-Institut für Bildverarbeitung (früher IITB jetzt IOSB) eingebaut wurde. Das IOSB forscht zu 2/3 militärisch. Schlagzeile in FIfF-Kommunikation 4/11 "Wie eine renommierte Forschungsinstitution zum effizienteren Töten beiträgt". Und wie praktisch: Der IOSB-Chef ist in Personalunion KIT-Institutsleiter für Echtzeitsysteme. So kann er seine KIT-Forschung umstandslos dem Militär verfügbar machen. Zusammen mit einem Institutsleiter der Münchener Bundeswehr-Uni ist er Projektleiter des 10 Mio. € schweren KIT-Projekts „unbemannte kognitive (intelligente) Fahrzeuge“. Nach Auskunft der früheren Landesregierung ein angeblich rein ziviles Projekt. Anfang d.J. jedoch trug ein KIT-Forscher bei der DWT-Wehrtechniktagung „Urban Operations Conference“ vor, einem Stelldichein der Wissenschaftler und Händler des Todes. Thema: Navigationssysteme für Innenraum-Minidrohnen in urbanem Gebiet. Prima geeignet für die Aufstandsbekämpfung in unbotmäßigen Staaten der Dritten Welt. Rein zivil – versteht sich. Es kommt aber noch schlimmer.
 
Wahlversprechen Grün-Rot
 
Alles das weiß die neue Landesregierung. In den Wahlprogrammen von GRÜNEN und SPD wurde - wie 2009 für KIT beantragt - die Zivilklausel für alle Hochschulen versprochen. Nunmehr in Regierungsverantwortung wollen beide Parteien nichts mehr davon wissen. Karlsruher Abgeordnete, die wie der Ministerpräsident und die MinisterInnen Bauer und Schmid kurz vor der Wahl für die KIT-Zivilklausel persönlich unterschrieben hatten, handeln gegen ihre eigene Unterschrift und ihre Wahlversprechen. Die jetzige Opposition konnte bei der ersten Lesung des KIT-Gesetzes Mitte April genüsslich feststellen, dass im Wesentlichen ihre KIT-Konstruktion (ohne Zivilklausel) fortgeschrieben wird. Die Redner der Regierungsparteien waren sich nicht zu schade, die KIT-Autonomie und die Mitbestimmung zu preisen. Tatsächlich ist KIT ein weitgehend mitbestimmungsfreier Selbstbedienungsladen für Wirtschaft und Militär geworden. Dass am KIT unbeeindruckt vom Ausstiegsbeschluss die Forschung an Atomreaktoren der IV. Generation fortgesetzt wird, ist äußerst beunruhigend (s. Internationaler Appell).
 
Ein Offener Brief zweier Friedenswissenschaftsgruppen an die Grün-Roten Abgeordneten mit Erinnerung an das Wahlversprechen wurde souverän ignoriert.
 
Mahnwache am 9. Mai vor Landtag
 
Der Widerstand gegen einen zivilmilitärisch-industriellen Forschungskomplex KIT geht weiter. Zivilklausel in das KIT-Gesetz JETZT und für alle Hochschulen per Landeshochschulgesetz! Dazu am 9. Mai eine Mahnwache vor dem Landtag. Treffpunkt: 8.30 Uhr Staatstheater Stuttgart.
 
Im Rahmen der bundesweiten Aktionswoche 1. bis 8. Mai „Mit den Waffen des Geistes gegen den Geist der Waffen“ wird es auch am KIT eine Aktion geben, vom 24.-29. Sept. eine bundesweite Aktionswoche gegen Bundeswehr in Schulen und Hochschulen und am 15./16. Juni eine Tagung in Karlsruhe am KIT zum Thema „Verantwortung der Wissenschaften für Frieden und Zukunftsfähigkeit“
 
Tagung am 15./16. Juni im KIT
 
Nebenstehende Veranstalter laden ein 25 Jahre nach einer Tagung an der Uni Karlsruhe gegen Rüstungsforschung, die von Werner Buckel (1920-2003), Karlsruher Physiker und Friedenswissenschaftler, geleitet wurde. Das Geschichtliche soll mit dem Aktuellen verbunden werden, wozu das KIT – wie begründet - genügend Stoff hergibt. Beginn: Freitag 18 Uhr, Uni.
 
Den Veranstaltern ist es gelungen, bedeutende Persönlichkeiten zu gewinnen. Klaus Traube, Ex-Siemens-Interatom-Chefentwickler des „Schnellen Brüter“, der zum Atomaussteiger wurde, spricht über „Sackgassentechnologien z.B. Atomkraft“. Peter Herrlich, Genetiker und Mitinitiator des Mainzer Appells der NaturwissenschaftlerInnen gegen atomare Mittelstreckenraketen, ehem. Institutsleiter des Forschungszentrums und der Uni spricht über „Verantwortung der Wissenschaften“. Reiner Braun, IALANA und NatWiss, wird in memoriam Werner Buckel sprechen. Dazu kommen eine Reihe weiterer ReferentInnen wie Sören Böhrnsen (Bremen) „Zivilklausel“, Wolfgang Liebert (Darmstadt) „dual use“, Volker Eick (Berlin/Bremen) „Drohnen: Der distanzierte Tod“ und Harry Block (Karlsruhe) „Atomforschung“.
 
Am Samstag gibt es Arbeitskreise zu den Themen und um 16 Uhr ein Abschlusspodium mit Friedenswissenschaft, Studierendenschaft, Gewerkschaft und Politik. Die Tagung wird verbunden mit einem bundesweiten Zivilklausel-Meeting ab Freitagmittag. Die Veranstalter erwarten von der Tagung weitere Impulse für die Friedensperspektiven der Hochschulen und zur Vernetzung der Aktivitäten. (PK)
 
Anmeldung: Kongress@ialana.de
Kontakt Dietrich.Schulze@gmx.de
Mehr Infos der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten unter www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf und demnächst unter www.zivilklausel.de
 
Einschlägige Berichte:
- Michael Schulze von Glaßer in junge Welt 27.4.12
http://www.jungewelt.de/2012/04-27/045.php
mit Aktionswoche „Ja zur Zivilklausel“
http://www.jungewelt.de/2012/04-27/047.php
- Michael Billig in Frankfurter Rundschau 19.4.12
http://www.fr-online.de/wissenschaft/wissenschaftsministerin-von--baden-wuerttemberg--wahlversprechen-vergessen-,1472788,14948276.html
- Peter Kleinert in Neue Rheinische Zeitung 4.4.12
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17643
- Dietrich Schulze in DFG-VK Zivilcourage 27.3.12
http://bawue.dfg-vk.de/fileadmin/user_upload/SWK-0112-ANSICHT.PDF
- Otto Reger in FIfF-Kommunikation 4/11
http://fiff.de/publikationen/fiff-kommunikation/fk-2011/fk-4-2011/fk-4-2011-s35
- Hans Georg in Neue Rheinische Zeitung 19.10.11
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17052


Online-Flyer Nr. 352  vom 02.05.2012

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