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Programmausschuss-Vorsitzende will missratene Rundfunkreform retten
WDR 3 - Kulturanspruch auf der Kippe
Von Lothar Fend und Prof. Hans-Joachim Lenger
Der Programmausschuss des WDR hat auf seiner Sitzung vom 20. März die geplante Diskussion über die Programmreformpläne für WDR 3 vertagt. Als Grund wurde eine plötzliche Erkrankung des WDR-Hörfunkdirektors Wolfgang Schmitz angeführt. Obwohl die Diskussion vertagt worden ist, formulierte die Vorsitzende des WDR-Programmausschusses, Petra Kammerevert (SPD), schon eine Art vorweggenommenes Ergebnis.
Online-Flyer Nr. 346 vom 21.03.2012
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Aktuelles
Programmausschuss-Vorsitzende will missratene Rundfunkreform retten
WDR 3 - Kulturanspruch auf der Kippe
Von Lothar Fend und Prof. Hans-Joachim Lenger
Der Programmausschuss des WDR hat auf seiner Sitzung vom 20. März die geplante Diskussion über die Programmreformpläne für WDR 3 vertagt. Als Grund wurde eine plötzliche Erkrankung des WDR-Hörfunkdirektors Wolfgang Schmitz angeführt. Obwohl die Diskussion vertagt worden ist, formulierte die Vorsitzende des WDR-Programmausschusses, Petra Kammerevert (SPD), schon eine Art vorweggenommenes Ergebnis.
Denn wie wir am 21. März im Kölner Stadt-Anzeiger lesen konnten, will Frau Kammerevert nun selbst Schritte zur Rettung des verfehlten Reformvorhabens einleiten. Sie gab die Bildung einer Arbeitsgruppe bekannt, „die sich nun in Zusammenarbeit mit Herrn Schmitz intensiv auf die nächste Sitzung vorbereiten wird“. Die Einsetzung dieser Arbeitsgruppe werten wir als Eingeständnis, dass die bislang von der WDR-Geschäftsleitung vorgelegten Reformpläne für WDR 3 einer sorgfältigen Überprüfung im Programmausschuss nicht standgehalten hätten.
Zu unserem Bedauern hat Frau Kammerevert dennoch keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die geplante Reform grundsätzlich weiterhin für richtig hält. Dem Kölner Stadtanzeiger sagte sie, „man könne die Reform nicht ewig aufschieben, deshalb sei es wichtig, dass der Programmausschuss in seiner nächsten Sitzung eine Stellungnahme für den Rundfunkrat beschließe“. Wir fragen: Warum ist überhaupt eine überstürzte Reform von WDR3 notwendig und warum ist die Programmausschuss-Vorsitzende nicht bereit, endlich die über Jahre verfolgte Reform-Richtung zu verändern - hin zu einem Kulturradio, das diesen Namen verdient? So wie es die mehr als 16.000 Hörerinnen und Hörer fordern, die bisher den Offenen Brief der Initiative für Kultur im Rundfunk unterzeichnet haben.
Skandalös ist zudem, dass sich die Vorsitzende des Programmausschusses nunmehr anschickt, der WDR-Leitung und ihrem Hörfunkdirektor die Arbeit abzunehmen. Dies überschreitet in unseren Augen die Aufgaben des Gremiums, dem sie vorsitzt. Es soll laut WDR-Gesetz sicherstellen, „dass der WDR seine Aufgaben im Rahmen der Gesetze erfüllt“. Dabei wirkt es insbesondere „auf die Erfüllung des Programmauftrags hin.“ Der WDR-Leitung zu helfen, missratene Reformvorhaben durchzusetzen, sieht das Gesetz nicht vor. Unser Eindruck ist, dass Frau Kammerevert ihren gesetzlich vorgegebenen Handlungsrahmen zu überschreiten beginnt, wenn ein Kontrollgremium gemeinsam mit der zu kontrollierenden Geschäftsleitung eine Arbeitsgruppe gründet - deren Ergebnisse dann anschließend wiederum von diesem Kontrollgremium abgesegnet werden sollen.
Wir bedauern dies alles umso mehr, als Frau Kammerevert am vergangenen Montag (19.März) an einem Gespräch teilnahm, zu dem unsere Initiative geladen hatte. An diesem Gespräch beteiligten sich viele namhafte Vertreter des Kulturlebens – so Kasper König, Richard David Precht, Klaus Honnef, Dietrich Leder, Reinhard Goebel und andere. Eindringlich forderten sie den Programmausschuss und dessen Vorsitzende auf, ein Moratorium der geplanten Reformen zu empfehlen. Sie verlangten, der Weiterentwicklung von WDR 3 eine grundsätzlich andere Richtung zu geben.
Unverständlich ist uns auch, aus dem Mund einer sozialdemokratischen Politikerin wie Frau Kammerevert zu hören, was sie von dem Protest der 16.000 hält. „Allerdings geht so was in Zeiten des Internets auch schnell. Außerdem, und das meine ich nicht abwertend, ist das schon eher ein Bildungsbürgertum, was dort unterzeichnet.“ (Kölner Stadtanzeiger)
Wir fragen uns nach diesen eher verächtlichen Bemerkungen, mit wem die SPD in Zukunft noch Kulturpolitik betreiben will, wenn nicht mit jenen, die sich für kulturelle Belange vehement und ernsthaft einsetzen. (PK)
Lothar Fend ist Redakteur bei "WDR 3 Resonanzen weltweit". Professor Hans-Joachim Lenger aus Hamburg lehrt Philosophie und Medientheorie an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und an der Universität Basel und ist ebenfalls aktiv in der Initiative für Kultur im Rundfunk und hat am 28. Februar WDR-Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz den folgenden Brief geschrieben:
Sehr geehrter Herr Schmitz,
für das Telefonat, das wir gestern miteinander führen konnten, bedanke ich mich, auch wenn es nicht zu dem von mir erhofften Resultat führte.
Ich will Ihnen deshalb noch einmal schriftlich zu erläutern suchen, weshalb ich Sie im Verlauf dieses Gesprächs um eine Freigabe von Konzeptionen und Überlegungen bat, die Sie zu den neuerlichen Einschnitten ins Programm von WDR 3 veranlassen.
Ich will Ihnen deshalb noch einmal schriftlich zu erläutern suchen, weshalb ich Sie im Verlauf dieses Gesprächs um eine Freigabe von Konzeptionen und Überlegungen bat, die Sie zu den neuerlichen Einschnitten ins Programm von WDR 3 veranlassen.
Ich setze dabei voraus, dass Sie kein Interesse an einer Denunziation Ihrer Kritikerinnen und Kritiker haben. Vielmehr dürften Sie mit mir der Überzeugung sein, dass die jetzt weit über 2000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner unseres Offenen Briefes Anspruch darauf haben, die näheren Gründe für Ihre neueste Reform von WDR 3 zu erfahren.
Aus diesem Grund bat ich Sie zunächst um die Überlegungen, die bei Ihnen zum Begriff des „Kulturradios“ angestellt worden sein müssen. Immerhin bescheinigten Sie unserer Initiative in Ihrer öffentlichen Antwort ja, einem Verständnis von „Kulturradio“ verhaftet geblieben zu sein, das aus den 70er Jahren stamme. Uns würde deshalb interessieren, was der WDR über den Kulturbegriff der 70er Jahre denkt und welchen Kulturbegriffen er heute folgt. Hier gibt es offenbar Diskussionsbedarf, und wir nehmen Ihre Ausarbeitungen zu diesen Fragen deshalb gern zur Kenntnis.
Ebenso bat ich Sie um Planungspapiere, aus denen Sinn und Zweck der Kürzungen, Streichungen und Verlagerungen ersichtlich würde, denen das Programm von WDR 3 seit Jahren ausgesetzt ist und künftig ausgesetzt sein soll. Warum also wird ein Kulturradio besser, wenn es weniger gründliche, nachdenkliche, diskursive und fachkompetente Beiträge sendet? Wenn es stattdessen kurzatmig wird, drängenden Fragen kaum noch Raum gibt? Seit wann also gelten Denken und Sprechen als antiquiert, wurde Reflexion zum Merkmal von Vergreisung? Die wenigen Anmerkungen, die Sie dazu in Ihrer öffentlichen Antwort machten, reichen jedenfalls nicht aus, um die Entsorgung weiterer Programmelemente zu erklären, und teilweise widersprechen sie sich selbst.
Ebenso fragte ich Sie nach Planungen, die eine künftige organisatorische Struktur des WDR 3 betreffen. So hören wir etwa, dass Sie die Einsetzung einer zentralen Redaktion vorsehen, von der dann die Konzeption des Programms ausgehen soll. Dies würde jedoch auf eine Aushöhlung oder gar Abschaffung bisheriger redaktioneller Verantwortlichkeiten hinauslaufen und die Vielfalt des Programms zusätzlich bedrohen.
Und schließlich bat ich Sie um eine Übersendung der Beiträge, die Unternehmensberater zu Ihren Veränderungsplänen geleistet haben. Deren Horizonte fallen mit Anforderungen an ein Kulturradio ja nicht immer zusammen und bedürfen deshalb einer besonderen öffentlichen Aufmerksamkeit.
Wie Sie erklärten, haben Sie nie einen Reformprozess erlebt, der transparenter verlaufen wäre als dieser. Wir denken, dass nicht zuletzt die Öffentlichkeit Ansprüche darauf hat, in den Genuss dieser Transparenz zu kommen. Zu dieser Öffentlichkeit gehören im übrigen auch die vielen Redakteure des WDR, die nach mancherlei Bekunden keineswegs so auf dem laufenden zu sein scheinen, wie Sie das nahelegen. Hier besteht also Aufklärungsbedarf, den Sie befriedigen sollten. Das erst wäre „Transparenz“.
Umso mehr bedauere ich, dass Sie in unserem Gespräch eine solche Herstellung von Öffentlichkeit nicht für ratsam hielten. Unabhängig von den vielen offenen Fragen, die wir in unserem Gespräch sonst streiften, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre ablehnende Haltung noch einmal überdenken könnten. (PK)
Umso mehr bedauere ich, dass Sie in unserem Gespräch eine solche Herstellung von Öffentlichkeit nicht für ratsam hielten. Unabhängig von den vielen offenen Fragen, die wir in unserem Gespräch sonst streiften, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre ablehnende Haltung noch einmal überdenken könnten. (PK)
In der NRhZ vom 7. März finden Sie einen Beitrag des langjährigen WDR-Autors Alexander Goeb "Zur Entpolitisierung der Feature-Programme im WDR durch Frau Piel" unter http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17546
Weitere Informationen unter http://www.die-radioretter.de/cms/front_content.php
Online-Flyer Nr. 346 vom 21.03.2012
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