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Kommentar
Zum geplanten "Solarenergieschrumpfungsgesetz“ der Bundesregierung
Beschädigung des guten Rufs
Von Prof. Eicke R. Weber

Am 5. März um 13 Uhr fand am Brandenburger Tor in Berlin eine Großkundgebung unter dem Motto „Stoppt den Solar-Ausstieg!“ statt. Als Redner traten – man glaubt es kaum – gemeinsam auf: Sigmar Gabriel, Jürgen Trittin, Gregor Gysi, Dietmar Hexel, DGB-Bundesgeschäftsführer, und Prof. Eicke R. Weber, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg. Weitere Kundgebungen gab es in Bonn, Mainz und Koblenz. Andere Kundgebungen zum "Solarenergieschrumpfungsgesetz“ werden folgen. Prof. Eicke Weber hat unter dem Titel "Beschädigung des guten Rufs" einen Kommentar geschrieben, den wir hier veröffentlichen. – Die Redaktion
 

Prof. Eicke Weber vom Fraunhofer
-Institut für Solare Energiesysteme
in Freiburg
Irgendwann zwischen 2030 und 2050 sollten nahezu 100 Prozent unseres Strombedarfs aus regenerativen Quellen gedeckt werden. Dies ergibt für die Gewinnung des Sonnenstroms aus der Photovoltaik, dass wir von einer heute installierten Leistung von etwa 25.000 Megawatt, also 25 Gigawatt, auf etwa 200 Gigawatt kommen müssen, verbunden natürlich mit Netz- und Speicherausbau. Ein Zubau von fünf bis sieben Gigawatt jährlich würde dazu passen, wir würden das Ziel in 30 bis 40 Jahren erreichen.
 
Die Bundesnetzagentur selbst ging zusammen mit den Netzbetreibern im Oktober 2010 für die Jahre 2010 und 2011 von einem jährlichen Zubau von 9,5 Gigawatt aus, weit über den optimistischsten Erwartungen der Energiewissenschaftler. Ziel war wohl, eine möglichst hohe Einspeisevergütung für die Photovoltaik zu berechnen. Tatsächlich installiert wurden aber 2010 nur etwa sieben Gigawatt, 2011 dann 7,5 Gigawatt.
 
Im letzten Herbst wurde das erneuerbare Energien Gesetz (EEG) in einer sehr beispielhaften Zusammenarbeit zwischen Umweltministerium und Vertretern der Industrie novelliert. Noch im Januar dieses Jahres meldete das Umweltministerium, dass für dieses Frühjahr keine weitere Überarbeitung zu erwarten sei.
 
Vor wenigen Wochen aber überraschte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) mit der Erklärung, dass die Photovoltaik ja viel zu schnell wachse, wir sollten einen festen Deckel von einem Gigawatt auf den jährlichen Zubau setzen. Dann würde es 200 Jahre dauern, um die erforderlichen 200 GW zu installieren.
 
Umweltminister Norbert Röttgen hielt zunächst dagegen, musste dann aber Verhandlungen mit dem Wirtschaftsministerium aufnehmen. Bereits zwei Wochen später gab es einen Entwurf, der schon vom Kabinett absegnet wurde und am 9. März im Bundestag in erster Lesung beraten werden soll.
 
Einige Regelungen sollen bereits am 9. März, noch vor der Abstimmung im Bundestag, in Kraft treten. Neben drastischen Senkungen der Einspeisevergütung wird ein Ermächtigungsparagraph vorgeschlagen: Statt des Bundestages sollen Ministerialbeamte ermächtigt werden, auf dem Verordnungsweg das EEG nach Belieben zu verändern.
 
Warum dieses Hau-Ruck-Verfahren, das an die erste Aufkündigung der Energiewende im Herbst 2010 erinnert?
 
Die vier Prozent Strom aus der Photovoltaik sollten für die Stromkonzerne unkritisch sein. Zu bedenken ist aber, dass die vier Prozent Sonnenstrom genau dann eingespeist werden, wenn wir zur Mittagspitze besonders großen Strombedarf haben.
 
Dieser Strom war besonders teuer, er trug wesentlich zu den Profiten der Stromkonzerne bei. Die volkswirtschaftlich sehr wünschenswerte Senkung der Spitzenstrompreise durch den rasch anwachsenden Sonnenstrom ist daher den großen Stromkonzernen ein Dorn im Auge.
 
Wir erleben also eine unglaubliche Situation: Der Bundeswirtschaftsminister ist auf dem besten Wege, eine wichtige Zukunftsbranche in Deutschland zu gefährden, um das Absinken der Spitzenstrompreise für die ganze Wirtschaft zu stoppen.
 
Dazu kommt eine weitere, vielleicht noch langfristigere Konsequenz: Deutschland war bisher einer der stabilsten Wirtschaftsstandorte. Verlässlichkeit gehörte wesentlich dazu. Die Bundesregierung demonstriert jetzt der Welt, dass sie diese Verlässlichkeit über Bord wirft. Bestehende Verträge wurden bereits durch die Novelle gekündigt, Banken ziehen Kreditzusagen zurück. Wir laufen Gefahr, die Früchte des jahrelangen Aufbaus der Photovoltaik-Industrie nicht ernten zu können.
 
Investoren im Ausland könnten zu dem Schluss kommen, wenn unsere Regierung in einem Feld derart drastisch und unangekündigt ins Wirtschaftsgeschehen eingreift, könnte sie dies ja auch auf anderen Gebieten tun. Der Ruf des Wirtschaftsstandorts Deutschland könnte so nachhaltig beschädigt werden. (PK)
 
Erstveröffentlichung Badische Zeitung am 3.3.2012
 
Den Kommentar von Prof. Weber haben wir der Internetseite von Franz Alt entnommen, der 20 Jahre lang das ARD-Politmagazin "Report" moderierte und dafür zahlreiche Preise erhielt. Er plant laut wikipedia eine "solare Weltrevolution“. Mehr unter http://www.sonnenseite.com/Politik,Beschaedigung+des+guten+Rufs,95,a21592.html


Online-Flyer Nr. 344  vom 07.03.2012

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