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Kommentar vom Hochblauen
Die "Jewish Voice" eines Musterjuden
Von Evelyn Hecht-Galinski

"Jewish Voice"? Ich dachte, kennst Du doch: für einen gerechten Frieden in Nahost. Weit gefehlt, jetzt gibt es tatsächlich eine Zeitung gleichen Namens, aber.... Rafael Seligmann, der Autor des Romans "Der Musterjude", hat eine illustre Truppe um sich geschart, mit der er dem Ausland - daher auch in englischer Sprache - das jüdische Leben in Deutschland erklären und deutsche Politiker "koscher" darstellen will.
 
Selten sah man so ein Presse- und Medien-Echo, wie bei der Vorstellung dieser "Voice", beheimatet in Berlin-Wilmersdorf "unterm Gummibaum". Seligmann gelang es, einen Vorstand (Board) um sich zu versammeln der seinesgleichen sucht! Da geht es von der Politik, Siegmar Gabriel (SPD) bis zu  Uwe-Karsten Heye, früherer Regierungssprecher und heutiger Generalkonsul in New York, Vorsitzender der von ihm gegründeten und von mehreren Ministerien geförderten Initiative "Gesicht zeigen". Dieses zeigt er auch sehr gut, indem er über den "tief verwurzelten" Faschismus in der (Mitte der) deutschen Gesellschaft schreibt. - Ja, dass will das Ausland über uns hören!
Ich sage: Nicht der Antisemitismus, sondern die K R I T I K an der israelischen Politik ist (endlich) in der Mitte der Gesellschaft angekommen!

Ist das auch der Grund, dass es sich Außenminister Westerwelle nicht nehmen ließ, diese "Voice" im Haus der Commerzbank in Berlin in "schwülsterwelligen" Worten vorzustellen? Hier Auszüge, frei übersetzt: Deutschlands Verpflichtung - Ich möchte der Jewish Voice from Germany und seiner ersten Ausgabe gratulieren. Zu berichten in englischer Sprache für jüdische Gemeinden in den USA, Kanada, Israel und England über das neue aufblühende jüdische Leben in Deutschland, hier wird eine Brücke gebaut zu den Gemeinden über den Atlantik. So senden wir eine klare Botschaft, dass die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ein unumstößlicher nicht nur ein geschichtlicher Teil der Vergangenheit ist, sondern vor allen Dingen ein Teil der Zukunft. Zugleich ist Deutschlands historische Vergangenheit ein Eckstein in der Außenpolitik. So ist unsere Verantwortung für die Vergangenheit unsere Verpflichtung für die Zukunft. Aus diesem Grund ist es so wichtig, das tiefe Netzwerk des Verstehens und der Freundschaft, über Jahrzehnte gewachsen, weiter zu  verbessern. Tausend Freiwillige beider Länder, unzählbare wissenschaftliche  Projekte und usw. zeigen die warme Freundschaft zwischen Israel und Deutschland. Wir brauchen engagierte Menschen, die das Wissen über jüdische Geschichte in eine Vision für die Zukunft übertragen. Wir brauchen Medien, die diese Vision befördern und erklären (we need media to convoy and elucidate this vision). Derzeit sei die Lage im Nahen Osten "ungewöhnlich ernst" (warum wohl?) und 2012 könne zu einem Schicksalsjahr in dieser Region werden. Dauerhafter Frieden zwischen Israelis und Palästinensern sei möglich, doch werde es ihn nur in Verhandlungen geben. "Als Freunde Israels werden wir auch weiter unseren Beitrag für eine umfassende und gerechte Zwei-Staaten-im-Nahost-Konflikt-Lösung leisten", sagte Westerwelle auch noch.
Herr Außenminister Westerwelle, diesen Beitrag "als Freunde Israels" haben Sie schon in so vielfältiger Form geleistet, auch in freundschaftlicher Verbundenheit mit Außenminister Lieberman, Ihrem Pendant in Israel, dass man die israelische Politik bei ihnen in besten Händen weiß. Da kommt eine "Jewish Voice" gerade recht, die diese Politik gut rüberbringt und verkauft und deutsche Politiker in "Jewish Brightness" erstrahlen lässt.
 
So passt das auch zu den Sätzen des Herausgebers Seligmann, wenn dieser in seinem ersten Artikel schreibt: "Israel sollte der erste Staat sein, der Palästina anerkennt". Dieser Satz wird dann als mutig verkauft. Liest man aber seinen Artikel für diese erste Ausgabe "Recognize Palestine to Secure Israel`s Existence", sieht man sehr genau, wie "mutig" dieser Autor ist: Er tritt für eine Zwei Staatenlösung ein, ohne diese zu erklären. Sehr mutig! Und der der Außenpolitikredakteur der Welt, Clemens Wergin, schreibt über die Nuklearambitionen des Iran. Wann wird sein Welt-Freund und Kollege H.M.Broder, auch für die "Voice" schreiben dürfen?
Diese Zeitung - als Gratiszeitung konzipiert - das gilt wohl mehr für Journalisten, Politiker, Abgeordnete des deutschen Bundestages, der israelischen Knesset und des US-Kongress. Die normalen Leser sollen das Blatt aber für Euro 3,-- an Flughäfen oder Bahnhöfen kaufen. Diese Zeitung soll sich nur aus Werbung und Eigenmitteln von Seligmann finanzieren. Die Werbekunden haben auch schon gut gebucht, z.B eine ganzseitige Anzeige der Deutschen Bank. Scheint sich also gelohnt zu haben, dass der Ressortleiter Wirtschaft in Seligmanns Team der ehemalige Kommunikationschef der Deutschen Bank, Siegfried Guttermann ist.
Auch der Freistaat Sachsen ließ sich nicht lumpen und investierte in eine halbe Seite, schließlich sitzt ja der sächsische Staatsminister Johannes Beermann auch im "Board", dem beratenden Gremium der "Jewish Voice". Das reiht sich gut in das sponsoring der sächsischen Israel-Freunde, die die kleinen Davidsterne als Trostpreise für den Israel-Kongress im Oktober 2011 in Frankfurt spendeten. (Motto: "I like Israel.")
Klar dass man, wenn man dieses beratende Gremium anschaut, immer wieder explizit auf die Unabhängigkeit der "Jewish Voice" hinweisen muss. Des Weiteren sitzen da nämlich so "schillernde" Persönlichkeiten wie: Prof. Dr. Margarita Mathiopoulos, heute FDP, Dr. Etta Schiller, Prof. em. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Dr.-Ing. h.c. von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus, Christian Schmidt, Staatssekretär BM Verteidigung, Dr. Abi Pitum, Honorarkonsul der Mongolei, Barbara Richstein, Ministerin a.D. CDU, Brandenburg, Nicholaus Teller, Commerzbank, Dr. Angelika Westerwelle, CDU, Reinhold Robbe, DIG (Deutsch Israelische Gesellschaft), Lala Süsskind, ehemalige Berliner Jüdische Gemeinde-Vorsitzende, Avi Primor, Botschafter Israels a.D., Dr. Guido Sandler, Netzwerkpartner Unternehmer Invest, Prof. Dr. Michael Eilfort, Vorstand Stiftung Marktwirtschaft. Christian Lindner, zurückgetretener FDP-Generalsekretär und ehemaliger Hoffnungsträger, Lars Ellermeier, Generalbevollmächtigter des UBS Wealth Management, Prof. Dr. Gerd Merke, Wiesbaden Business School, Hildegard Müller, Hauptgeschäftsführerin BV Energie und Wasserwirtschaft, ehemalige Staatsministerin im Kanzleramt bei Merkel, Volker Christians, Zehnder, international Club of Leaders.(1)
 
Das war nur eine kleine, aber feine Auswahl des beratenden Gremiums der "Jewish Voice" (die natürlich völlig unabhängig ist!). In diesem Board trifft sich Hochfinanz neben Politik und Lobbyisten, wahrlich ein bezeichnendes Gremium für eine unabhängige "Jewish Voice", die demnächst das blühende jüdische  Leben und was deutsche Poltiker und andere dafür tun, in die Welt tragen wird. Für diese Stimme brauchten wir den Erfinder des Musterjuden, Rafael Seligmann, den Seligmacher-Schreiber der deutschen Elite, der die deutsch-jüdische Symbiose zum Blühen bringen will.
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Und was tut sich derweil im jüdischen Staat Israel? Abermals hat das Oberste Gericht Israels ein Gesetz gebilligt, das Palästinensern verbietet, mit ihren arabisch-israelischen Ehepartnern zusammen zu leben. Begründung: Diese Paare hätten zwar das Recht zusammen zu ziehen, müssten das aber nicht in Israel tun. Menschenrechte dürften nicht um den Preis eines "nationalen Selbstmords" verwirklicht werden, schrieb Richter Grunis.

Auf einer Konferenz des Jerusalemer Puah Instituts durften nur Männer über künstliche Befruchtung, Menstruation, oder richtiges Stillen debattieren. Die Konferenz fand zum zwölften Mal statt, sie stand diesmal unter dem Motiv "Neuigkeiten in Gynäkologie, Geburtshilfe und jüdischem Recht". Jakov Litzman, der als stellvertretender Gesundheitsminister für dieses Institut zuständig ist, hat als Mitglied der Partei "Vereinigtes Tora-Judentum" und Mitglied der Regierungskoalition nichts gegen die Verbannung der Frauen einzuwenden. Warum auch? In einem Staat, der die jüdischen Gesetze der Tora über die staatlichen setzt, kann keine Demokratie funktionieren, das schließt sich aus.
Wurden nicht Holocaust-Vergleiche benutzt, die die Regierung jetzt unter Strafe stellen will, - auch schon  beim Puah Institut, indem man ihm vorwarf, wie die Nazis zu handeln und Juden auszuschließen. Die ganze Aufregung zeigt mir nur, was dabei herauskommt, wenn ein Staat auf einer Religion basiert und diese von Anbeginn seiner Gründung missbraucht hat. Sowohl die Instrumentalisierung des Judentums als die des Holocaust sollte unter Strafe gestellt werden.

In den USA zog ein neuer Stabschef ein, Jakow Lew, ein orthodoxer Jude, der während der Regierungszeit von George W. Bush Manager der Citigroup war und dort Hedgefonds und Immobilien überwachte. Danach - vor seinem jetzigen Posten  - kümmerte er sich für Hillary Clinton im Außenministerium um Afghanistan und den Irak. So stellt auch Abba Cohen, Direktorin von Agudath Israel in Washington fest, Lew sei immer hilfreich für die jüdische Community gewesen.

So erfuhren wir auch aus CIA-Akten, dass der Mossad, getarnt als Amerikaner, Terroristen der Organisation Jundallah zu rekrutieren versuchte, um sie gegen den Iran einzusetzen. Liegt es wirklich in unserem Interesse, wenn Mossad Rekrutierungen Aktionen und Tötungen im Iran, Irak, oder sonst wo (wer weiß es schon?) organisiert? So etwas muss sofort mit dem Schleier des Verständnis und Verstehens behandelt werden. Im Interesse des bedrohten kleinen Israel. In diesem Zusammenhang auch sehr interessant: gerade bekam ein angeklagter französischer Aktivist der Boykott-Israel-Kampagne ein Päckchen mit einem weißen, absolut tödlichen Pulver nach Hause geschickt.
Zum Schluss noch das aus online-Ausgabe der Frankfurter Rundschau vom 13.01.2012, wo uns ein Christian Bommarius einen "LEITARTIKEL SYRIEN UND DEN LINKEN" unter dem Titel "Damals wie heute" hinterlassen hat. In dem Artikel werden sechs Parteimitglieder der LINKEN verunglimpft, weil sie den - auch von mir unterschriebenen - Aufruf "Kriegsvorbereitungen stoppen" unterzeichnet haben. Dieser Leitartikel ist an Hetze und beleidigenden Unwahrheiten nicht mehr zu toppen. Er gipfelt in dem Schlusssatz "Fliegt dieses Personal nicht endlich vom Platz, muss die Partei zu (!) nächsten Spiel gar nicht mehr antreten". Denn sie "verbrüdern sich öffentlich mit dem Massenmörder Assad – eine Fortsetzung ihres antisemitischen Treibens." (1)

Ich sage: Es wird Zeit, dass wir alle gemeinsam antreten gegen  solches Medien-"Personal". (PK)
(1) http://www.fr-online.de/meinung/leitartikel-syrien-und-den-linken-damals-wie-heute,1472602,11445
 
Evelyn Hecht-Galinski ist Publizistin und Tochter des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski. Unsere LeserInnen kennen sie als Autorin der Serie, die sie "vom Hochblauen", ihrem 1186 m hohen "Hausberg" im Badischen, schreibt.

(1)http://jewish-voice-from-germany.de/board.php


Online-Flyer Nr. 337  vom 18.01.2012

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