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Inland
Grün-Rot stellt Verzicht auf deutsche Atomwaffenforschung in Frage
Landesregierung BaWü gegen Zivilklausel für KIT
Von Dietrich Schulze

Ausgerechnet unter einer Grün-Roten Landesregierung bahnt sich ein internationaler Skandal an. Im Karlsruher Institut für Technologie KIT mit 8000 Beschäftigten und 20.000 Studierenden sollen auf Dauer Kernforschung und Waffenforschung unter einem Dach angesiedelt werden. Mit diesem Tabubruch wird letztlich der deutsche Verzicht auf Atomwaffenforschung in Frage gestellt.
 

Kann sich an ihre Zeit in der
Opposition wohl nicht mehr
erinnern: Wissenschaftsministerin
Theresia Bauer von den Grünen
Weiterentwicklung KIT-Gesetz
 
Es geht um das Landesgesetz für das Karlsruher Institut für Technologie KIT, dem Zusammenschluss des früheren (Kern)forschungszentrums Karlsruhe und der Universität Karlsruhe, der im Juni 2009 per Errichtungsgesetz vollzogen wurde. Dafür hatten die damaligen Oppositionsparteien unter Federführung von MdL Theresia Bauer (Grüne) und MdL Johannes Stober (SPD) die Zivilklausel beantragt: "Das KIT verfolgt im Rahmen seiner Aufgaben ausschließlich friedliche Zwecke.“ Jetzt steht das Weiterentwicklungsgesetz an, mit dem KIT organisatorisch und finanziell zu einer weitgehend autonomen Körperschaft öffentlichen Rechts für Forschung, Lehre und Innovation verschmolzen werden soll.
 
Vor und nach der Wahl
 
Nunmehr als Wissenschaftsministerin zuständig für das Landesgesetz, will Frau Bauer nichts mehr von ihrer früheren Forderung wissen. Bei ihrem KIT-Antrittsbesuch in Karlsruhe sprach sie sich gegen eine gesetzliche Regelung aus. Ähnlich hatte sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei einem Bürgerdialog im Karlsruher Rathaus im November auf Nachfrage einer Studentin dagegen ausgesprochen und die Entscheidung dem KIT zugeschoben. Beide erklärten in Tübingen bzw. Karlsruhe öffentlich ihre Unterstützung, wenn Hochschulen für die Bundeswehr forschen. Ganz im Gegensatz zu den Wahlprogrammen von Grünen und SPD für die Landtagswahl, in denen die Forderung nach Zivilklauseln für die Hochschulen steht. Hinzu kommt, dass beide Politiker kurz vor der Landtagswahl im März 2011 einen Appell für die KIT-Zivilklausel zusammen mit 450 Persönlichkeiten unterzeichnet hatten.
 
Bewährte Zivilklausel
 
Im KIT-Errichtungsgesetz war auf Druck der Bundesregierung gegen den Willen der abgewählten CDU-Landesregierung die Bestimmung „für friedliche Zwecke“ für Großforschungsaufgaben, darunter Kernforschung, festgelegt worden in Fortschreibung der bewährten Zivilklausel des Forschungszentrums „Die Gesellschaft verfolgt nur friedliche Zwecke.“ Diese Bestimmung war dem völkerrechtlichen Atomwaffenforschungsverbot als Voraussetzung für den deutschen Eintritt in die friedliche Nutzung der Atomenergie geschuldet. Diese Satzungsbestimmung galt nicht nur für die Atomforschung, sondern für die gesamte Forschung unter dem Dach des Forschungszentrums Karlsruhe, ebenso wie das für ähnliche Großforschungseinrichtungen in Jülich, Berlin, München und Geesthacht praktiziert wurde.
 
Militärforschung an Uni Karlsruhe
 
An der Universität Karlsruhe gibt es keine derartige Regelung. Hier wird Militärforschung traditionell betrieben, z.B. im Nachrichtentechnischen Institut mit Forschungen an Breitbandkommunikationssystemen für multinationale Interventionstruppen und, wie erst jüngst aufgedeckt, am Institut für Theoretische Elektrotechnik und Systemoptimierung an Drohnen für Auslandseinsätze der Bundeswehr.
 
Von Beginn an hatte die frühere Landtagsopposition diese KIT-Teil-Zivilklausel wegen der beabsichtigten Verschmelzung als „Witz“ bezeichnet und nun denkt sie als Regierung nicht daran, die unerträgliche Doppelexistenz von Atomforschung und Waffenforschung im KIT durch Übertragung der Zivilklausel auf den Universitätsteil zu unterbinden.
 
Tabubruch und Indizien
 
Skandal, Tabubruch, Infragestellung Atomwaffenforschungsverzicht: starke Worte. Gibt es Belege bzw. Indizien für die Sorge? Urteilen Sie selbst:
1. Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) wollte Anfang 2006 im Zusammenhang mit der nuklearen Schutzgarantie ernsthaft diskutiert wissen, „wie wir auf eine nukleare Bedrohung durch einen Terrorstaat angemessen, im Notfall also sogar mit eigenen Atomwaffen, reagieren können.“
2. In Brasilien hatten 2010 offizielle Stimmen vom Schutz durch eigene Atomwaffen gesprochen. Sowohl die seit Jahrzehnten gepflegte Atomkooperation, als auch neuerdings die direkte Militärkooperation mit der Bundeswehr, sollen verstärkt werden. Brasilien ist der alte und neue strategische Partner, der über den geschlossenen Brennstoffkreislauf mit Plutonium-Wiederaufarbeitung verfügt.
3. Genau daran ist KIT führend mit der Forschung für Atomreaktoren der 4. Generation beteiligt. Kontraproduktiv zum Atomausstieg wird von KIT Atomreaktorforschung ungerührt fortgesetzt. Die Grün-Rote Landesregierung schweigt dazu trotz mehrfacher Aufforderung, ihren Einfluss geltend zu machen, diese Forschung zu beenden.
4. Der Chef des Uni-Instituts für Kerntechnik und Reaktorsicherheit hat in mehreren US-Atomwaffenlabors, die heute für zivile und militärische Zwecke forschen, Erfahrungen gesammelt. Die Atomforschung der Universität unterliegt bisher nicht dem Forschungsverbot für militärische Zwecke.
5. Zur existierenden sogenannten „nuklearen Teilhabe“ im Rahmen der NATO kommt ab 1990 ein geändertes Kriegswaffenkontrollgesetz. § 16 besagt, dass die Verbote nur für Atomwaffen gelten, die nicht der Verfügungsgewalt von Mitgliedsstaaten der NATO unterstehen oder die nicht im Auftrag von NATO-Staaten entwickelt oder hergestellt werden. Deutschland ist es demnach nicht mehr untersagt, für sich und andere NATO-Staaten Atomwaffen zu entwickeln.
 
Internationaler Appell
 
Vor dem Tabubruch „Kern- und Waffenforschung unter einem Dach“ im KIT hatte bereits im Mai 2009 ein Internationaler Appell gewarnt. Zu den unterzeichnenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus 14 Staaten gehören der Bürgermeister Tadatoshi Akiba von Hiroshima ("mayors for peace“), Physiknobelpreisträger Jack Steinberger und Parlamentarier aus Großbritannien, Italien und Japan. Sie alle ermutigen die Verantwortlichen, mittels Verzicht auf Militärforschung am KIT zu einer friedlicheren Welt beizutragen. (PK)
 
Zum Quellenstudium wird auf die Webdokumentation der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten verwiesen: www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf


Online-Flyer Nr. 332  vom 14.12.2011

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