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Lokales
Die "Schwedendemokraten" schütteln erfolgreich ihr Nazi-Image ab
Wie extrem Rechte Wähler gewinnen
Von Bernd Barenberg

Als am 19. September 2010 die rechtspopulistischen „Sverigedemokraterna“ ins schwedische Parlament einzogen, war die Überraschung in Europa groß. Weniger überraschend war, dass ‚Pro Köln’ sogleich gratulierte: “Wir freuen uns über diesen sensationellen Durchbruch unserer Freunde im hohen Norden, mit denen wir bereits auf unserer Anti-Minarettkonferenz eine gemeinsame Marschroute gegen die Islamisierung des europäischen Abendlandes vereinbart haben”, so Markus Beisicht, Parteivorsitzender von ‚Pro Köln’.

Wer sind nun also die Schwedendemokraten? Wo kommen sie her? Was vertreten sie? Diese Fragen sollte am 25.10.2011 Henning Süssner aus Malmö auf einer Veranstaltung im Autonomen Zentrum beantworten. Auf Einladung des Jugendclub Courage, im Rahmen seiner Reihe „Die extreme Rechte in Europa“, war der Direktor der linken Volkshochschule Kvarnby nach Köln gekommen – fast wieder in heimische Gefilde, da gebürtig „aus der Stadt etwas nördlich von Köln“.
 
Gegründet wurden die Schwedendemokraten (SD) bereits 1988 als Versuch der Sammlungsbewegung “Bewahrt Schweden Schwedisch/Bevara Sverige Svenskt” sich zu institutionalisieren. Die wiederum wurde aus der schwedischen Neonazi-Szene heraus gegründet, von Anfang an mit dem Ziel, als Bindeglied zu gemäßigteren rechtspopulistischen Spektren zu fungieren. Doch genau das gelingt ihnen zu Beginn gerade nicht: die Schweden-demokraten rekrutieren vor allem Neonazis und kommen zu den Reichstags-wahlen 1991 auf bescheidene 4.887 Stimmen. Allerdings zieht die rechts-populistische „Neue Demokratie“ ins Parlament ein, die daraufhin aber Abstand zur neonazistischen Rechten hält.
 
Nachdem auch die Wahl 1994 nicht erfolgreich ist, leitet ab 1995 der neue Vorsitzende Mikael Jansson einen Prozess ein, den SD salonfähig zu machen. Man versucht, die Nähe zu Neonazis zu vertuschen und bemüht sich um eine biedere Außendarstellung – die kämpferisch gereckte Nationalfahne mit dem zentralen Slogan muss einer hellblauen Blume weichen. Was überaus symbolträchtig für den Drang steht, als Partei unter anderen anerkannt zu werden, da tatsächlich alle schwedischen Parteien eine Blume im Parteilogo führen. Weit mehr als bloße Schminke, gelingt es dem SD darüber hinaus, zu den Wahlen 2002 lokale Bündnisse mit populistischen Parteien in Südschweden zu schließen.
 
Mit erstem Erfolg: Die Schwedendemokraten ziehen in einige Regierungsbezirkparlamente auf regionaler Ebene ein. Förderlich war dabei sicher auch das Wegfall der Konkurrenz der ”Neuen Demokratie” seit 2000. Ab 2005 wird Jimmy Åkesson Parteivorsitzender und zentralisiert die Parteistruktur und schmeißt einige Neonazis raus. Der Partei gelingt es zunehmend, ihr Schmuddelimage loszuwerden, was sich auch inhaltlich ausdrückt.
 
So tritt sie zwar weiterhin für einen völkischen Wohlfahrtsstaat und nationalistische Identitätspolitik ein, begründet dies aber verstärkt über den in Schweden populären Topos der Steuerverschwendung und der „Kostenexplosion“ staatlicher Ausgaben. Um diese zu stoppen, sei „Masseneinwanderung“ zu unterbinden und das „multikulturelle Gesellschaftsexperiment“ – das nämlich nur unnötig Geld kostet – zu beenden. Auch auf den seit dem 11. September erfolgreichen Zug des „Antiislamismus“ springen sie auf. Wie überall in Europa gelingt ihnen mit Hilfe eines kulturalisierten Rassismus, soziale Konflikte zu ethnisieren, ohne das dies direkt als Rassismus erkannt wird.
 
Zu den Gründen des Erfolgs von 2010 zählt Henning Süssner so auch, dass die Ausgrenzungspolitik der etablierten Parteien zum Schluss versagt habe. So hätten sogar Gegendemos wegen schwacher Mobilisierung letztlich zum Erfolg des SD beigetragen. Gerade dieser letzte Punkt wurde im Anschluss an den Vortrag kontrovers diskutiert. Was ist zu tun, wenn die ‚Stigmatisierung’ als Nazis in der Gegenmobilisierung nicht mehr greift und sich die Kritisierten umgekehrt in die Opferrolle stilisieren können? Man kennt diese Abwehrrhetorik auch hier von ‚Pro Köln’ und sie ist noch mal umso wirksamer, je mehr die rechtspopulistische Partei bereits in der etablierten Parteienlandschaft akzeptiert ist.
 
Neben dem Profitieren an jeweils in der breiten Gesellschaft geführten „Integrationsdebatten“ nannte der Referent die lokale Verankerung als größte Gefahr für eine Stabilisierung oder gar einen Ausbau der Wahlerfolge. Eine Erkenntnis übrigens, die auch mit der Stärke der NPD im ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommerns verglichen wurde.
 
So kann die Entwicklung der Schwedendemokraten als Lehrstück darüber verstanden werden, wie es einer Partei der extremen Rechten gelingen kann, sich aus einem Sammelbecken offener Neonazis zu einer über-5%-Partei zu mausern. Viele der in Bezug auf schwedische Verhältnisse diskutierten Fragen, sind so sicher auch für hiesige Auseinandersetzungen hilfreich. Dazu hat sicher auch diese Veranstaltung der Reihe beigetragen. (PK)
 
Die nächste Veranstaltung des Jugendclub Courage Köln e.V., „Das jüdische Thessaloniki”, mit Dr. Manuel Gogos, Bonn; Bernd Barenberg vom Jugendclub Courage; Dr. Rena Molho, Thessaloniki; Eberhard Rondholz, Berlin; Niki Eideneier und Dr. Diana Siebert findet in Köln am Samstag, 19. November 2011, von 14:00 - 18:30 Uhr statt.
Veranstaltungsort: NS-Dokumentationszentrum, EL-DE-Haus, Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln, Medienraum
Eintritt: frei, Anmeldung erwünscht bei: info@diana-siebert.de
 


Online-Flyer Nr. 328  vom 16.11.2011

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