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Medien
25 Jahre gegen den Mainstream:
Die SoZ hat Geburtstag
Von Hans-Dieter Hey

Am Samstag, den 8. Oktober, feierte die Sozialistische Zeitung aus Köln ihr 25jähriges Jubiläum. Das ist eine ansehnliche Zeitstrecke für eine kritische Zeitung, die einst enthusiastisch angetreten war, gegen den Mainstream die Welt zu verändern. Es waren auch 25 Jahre harter Kampf gegen den Niedergang. Denn trotz guter Autoren und wichtiger Beiträge hatte sie es - wie linke Printmedien überhaupt in diesem Land - besonders schwer. Grund genug, das Durchgestandene zu feiern, aber auch, Perspektiven zu suchen.


Oktober-Ausgabe 2011, Jubiläumsausgabe
Foto: Hans-Dieter Hey

Einst hatte die SoZ hehre Ziele und verstand sich als „Teil der emanzipatorischen Bewegungen, deren Ziel die Befreiung der Menschen von Unterdrückung, Ausbeutung, Entfremdung und Gewalt ist“, wollte die „Widersprüche der Gesellschaft aufdecken“ und beim Aufbau einer solidarischen Gesellschaft helfen. In all den Jahren war das mühsam. Immer wieder kam der Ruf nach Abonnenten und Spenden, damit es weiterging. Am Samstag war Zeit der Besinnung.

Kapitalismus tanzte auf Tischen und Bänken
 
Gab es 1986 noch den Schimmer einer Hoffnung auf kleinere Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse, wurde diese durch die politischen Ereignisse beizeiten torpediert. Da war im "Osten“ einerseits die große Enttäuschung der Linken über den Zusammenbruch des real existieren Sozialismus, der nie wirklich einer war und der auf seine Weise konservativ und bewegungsunfähig verharrt hatte. Eine Zeit für den "Westen“, in der die Vertreter des Kapitalismus vor Freude auf Tischen und Bänken tanzten, und einen brutalen Durchmarsch des Neoliberalismus mit Standortlogik und Gewinnsucht durchsetzten. Inzwischen ruinieren mit verbrecherischen Mitteln gewinnsüchtige Finanzinstitute ganze Länder. Bis an den Rand des eigenen Zusammenbruchs sollen die Beschäftigten dieser Länder die Verluste nun ausgleichen, damit das System gerettet wird.


Zwischen gestern und heute

Nun könnte man meinen, dass es in einer solchen Zeit kritische Medien leicht haben, weil sich die Menschen gegen Halbwahrheiten und Falschmeldungen der "Leitmedien“ anders informieren wollen. Doch die Hoffnung, dass eine solche Entwicklung viele zu Umkehr und Protest treibt und der Hauch der Aufklärung durch die Gesellschaft fährt, war verfrüht. Bis heute beherrscht Friedhofsruhe Medien und Land. Und die wenigen Ausnahmen gesellschaftlicher Proteste haben die Herrschenden gut im Griff.
 
Doch es ist ein Mythos, dass „früher“ alles besser gewesen sei. Laudator Helmut Weiss zitiert den Kabarettisten Karl Valentin: „Früher war alles besser, da waren sogar die alten Zeiten besser.“ Die geistig-moralischen Wenden von Helmut Kohl bis Margaret Thatcher seien der Linken gar nicht gut bekommen.
 
Noch nicht reif für gesellschaftlichen Wandel
 
In ihrer Jubiläumsausgabe zeichnet die SoZ ein düsteres Bild der gesellschaftlichen Erstarrung: „Die radikale Linke bleibt zersplittert und einflusslos; Attac ist zahm geworden und traut sich kaum, einen Schritt weiter zu denken als kritische Teile des Herrschaftsapparates; die (Europäische) Linkspartei strebt danach, den von der Sozialdemokratie geräumten Platz einzunehmen; die Grünen beerben einen Teil der Konservativen und die Gewerkschaften bleiben zu großen Teilen in ihrer Standortlogik verhaftet.“


Selbstverständlich: Geburtstagsfeier mit politischem Inhalt
Fotos: Hans-Dieter Hey 

Leichter wird die Situation auch nicht durch das Internet, in dem die SoZ seit einiger Zeit zaghaft auftritt. Junge Menschen sind heute kaum noch in der Lage, längere Texte zu lesen. Das ist aber notwendig, will man komplizierte Zusammenhänge begreifen. Nach einer halben Seite im Internet ist oft Schluss mit der Konzentration. Junge Menschen tun sich auch schwer, ihre Interessen in geordnete politische Strukturen einzubringen und durchzusetzen. Zu schnell haben sie Einzelkämpfertum und "Sieger-Looser-Mentalität“ akzeptiert, in denen die Grautöne des Lebens oder soziale Protestvorstellungen kaum Platz finden.
 
„Das Denken in Zusammenhängen, die Entwicklung von Strategien und Bewegungsformen, die den Augenblick des Massenprotestes überdauern und Grundlagen für einen dauerhaften solidarischen Zusammenhalt schaffen, vielleicht sogar Strukturen von Gegenmacht – das ist weit zurückgedrängt“, schreibt die SoZ in ihrer Jubiläumsausgabe. Nach wie vor haben sie und andere kritische Medien es schwer, sich die angemessene Geltung zu verschaffen.
 
Mit Zuversicht in die Zukunft
 
Nun könnte man es bei diesem düsteren Bild belassen. Doch was die SoZ diesmal wieder am Leben erhält, hat sie auch die 25 Jahre zuvor am Leben

Laudator Helmut Weiss
Foto: Hans-Dieter Hey
erhalten. Nichts ist nämlich so beständig wie der Wandel, heißt es. Und so hofft sie auf die gesellschaftliche Veränderung, zu der sie vor 25 Jahren aufgerufen hat und zu der sie weiter beitragen will. Manchmal dauert alles eben etwas länger. Und man muss dabei – wie die Geburtstagslosung der SoZ nach Erich Fried am Samstag hieß - auch den Sozialismus immer wieder neu erfinden.
 
Helmut Weiss ist überzeugt, dass die SoZ Zukunft hat, denn „auch früher lag sie in vielem richtig, sonst wäre sie nicht mehr da.“ Zuversicht streut auch Redakteurin Angela Klein aus: „Die Feier hat uns in jeder Beziehung Auftrieb gegeben für die Entwicklung einer kommunikations- und kooperationsfreudigeren SoZ. Das Feedback war uns wichtig, die Qualität von Kultur und Buffet war uns wichtig, und die Wiederherstellung von Beziehungen zu Freunden und Mitstreitern, die wir lange aus den Augen verloren hatten.“ Viel Glück also für die SoZ von der Neuen Rheinischen Zeitung. (PK)

Online-Flyer Nr. 323  vom 12.10.2011

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