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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Inland
StrafGesetzBuch § 86 - Können oder wollen Polizeibeamte nicht lesen?
Papst + Hitler in Berlin
Von Peter Kleinert

In dieser und zwei vorangehenden NRhZ-Ausgaben haben wir über Kunstaktionen von Wolfram Kastner und Linus Heilig anläßlich des Besuches von Benedikt XVI. und der Berliner Antikriegsausstellung berichtet. Die Künstler zeigten sich in dem aktuellen Artikel in dieser Ausgabe sehr erfreut darüber, dass in Berlin erlaubt sei, was ihnen in München mit einer Geldbuße verboten worden war. Wie der folgende aktuelle Brief von Wolfram Kastner an den Berliner Polizeipräsidenten zeigt, ist das Berlin des wiedergewählten SPD-OB Wowereit in Sachen Freiheit der Kunst auch nicht besser als die Behörden seines Parteifreundes in München, der nun Ministerpräsident von Bayern werden will.
 
Sehr geehrter Herr Polizeipräsident,
am 21. September 2011 realisierte ich zusammen mit meinem Kollegen Linus Heilig eine Kunstaktion in Berlin, bei der wir als Papst und Hitler Arm in Arm Unter den Linden bis zum Reichstag spazierten. Wir bezogen uns damit kurz vor der Papstrede am ehemaligen Reichsportfeld kritisch auf das sog. Reichskonkordat, das 1933 zwischen dem Nazi-Staat und dem Vatikan geschlossen wurde und als einziger Staatsvertrag der Nazis bis heute in Deutschland gilt. Hunderte von Passanten verstanden das auf Anhieb als Forderung nach der längst überfälligen Trennung von Kirche und Staat, schmunzelten, lachten und gaben ihre Zustimmung zu erkennen.
 
Vor dem BundesReichstag wurden wir von Polizeibeamten ohne Begründung, also widerrechtlich, abgeführt. Nach unbegründeter Personalienaufnahme erläuterte ich den offenbar völlig ahnungslosen Polizisten, dass der Artikel 86 des Strafgesetzbuchs eine Ausnahmeregelung enthält, wenn eine Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, Kunst oder Wissenschaft dient.
 
Ein Beamter mit der Dienstnummer 24023468 wollte prüfen lassen, ob eine strafbare Handlung vorliege. Auf dem Weg zurück wurden wir am Pariser Platz von zwei Beamten mit einem „Platzverweis“ bedacht – ohne Begründung. Gestern wurde ich von der Kriminalpolizei München in Kenntnis davon gesetzt, dass ein Ermittlungsverfahren gegen uns läuft wegen des Zeigens „verbotener Abzeichen“.
 
Das kann doch nicht wahr sein. Können oder wollen Ihre Beamten nicht lesen? Sind sie wirklich so erbärmlich schlecht ausgebildet und unfähig zu erkennen, dass kein Gesetzesverstoß vorliegt? Nicht nur in der Ordnungszelle Bayern sondern auch in der Bundeshauptstadt Berlin?
 
Als Steuern zahlender Bürger, der die Polizei als Dienstleistungspersonal mitfinanziert, bin ich empört, dass immer wieder solche völlig unsinnigen Polizeimaßnahmen stattfinden, Staatsanwälte und Gerichte mit solch grobem Polizei-Unfug belastet werden. Oder sollte eine polizeiliche Absicht dahinter stehen, nämlich Freiheiten einzuschränken und Bürger einzuschüchtern, damit sie ihre Grundrechte nicht mehr wahrnehmen? Das mag ich nicht denken.
 
Ich bitte Sie dringlich, Ihre Beamten besser aufzuklären über Sinn und Zweck des § 86 (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen). Gerne biete ich an, dabei behilflich zu sein und den Beamten den Unterschied zwischen Kunst und „Bestrebungen einer national-sozialistischen Organisation“ zu erklären. Einen Abdruck des § 86 StGB lege ich bei.
 
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram P. Kastner
 
Hier die drei NRhZ-Artikel über die Kunstaktionen, von denen der erste noch in dieser NRhZ-Ausgabe steht: 
 
In München verboten aber in Berlin erlaubt?
Kunst gegen Krieg
Von Carl Blauhorn und Peter Kleinert
 
Online-Flyer Nr. 321  vom 28.09.2011
Verwirrung unter Polizeibeamten beim Benedikt-Besuch in Berlin
Papst und Hitler Seit’ an Seit’
Von Carl Blauhorn
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16983

Online-Flyer Nr. 320  vom 21.09.2011
Kunstaktion von Wolfram P. Kastner und Linus Heilig zum Papstbesuch in Berlin
"Papst trifft Hitler"
Von Carl Blauhorn und Peter Kleinert
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16957
 


Online-Flyer Nr. 322  vom 09.10.2011

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