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Lokales
Aus den Gästebüchern unserer Ausstellung "Menschen statt Mauern" – Teil 1
„Einsperren ist leicht, die Not bleibt“
Von Christiane Ensslin und Klaus Jünschke

Ende April 2007 wurde unsere Ausstellung „Menschen statt Mauern - für ein Europa ohne Jugendgefängnisse“ im Kalk-Karree eröffnet. In den fünf folgenden Jahren waren wir damit nicht nur in Köln unterwegs. Auf der Startseite unserer Projekthomepage (1) ist zu sehen, wo die Ausstellung gezeigt wurde. Aus einigen Gästebüchern, die in der Zelle auslagen, haben wir eine Auswahl von Eintragungen abgeschrieben, um einen Eindruck zu vermitteln, wie die Ausstellung wahrgenommen wurde. Im Kalk-Karree, wo viele ehemalige Gefangene aus- und eingehen, waren die Kommentare natürlich anders als zum Beispiel an der Fachhochschule. Bei allen Unterschieden haben uns die Eintragungen gezeigt, dass wir viele Menschen davon überzeugen bzw. darin bestärken konnten, dass die Zelle „kein Raum für niemand“ ist. Vom 5. bis zum 27.10. 2011 wird die Ausstellung letztmals zu sehen sein – an dem Ort, wo sie begann - im Kalk-Karree.

Ein Blick in die Zelle aus der Ausstellung 2007 im Kalk-Karree
 
 
29.04. – 10.07.2007 im Kalk-Karrée
 
Ich hätte nie gedacht, dass eine Zelle so klein ist.
 
Wir waren auch da. Draußen ist es am schönsten.
 
Hallo Leute, wenn ihr Scheiße baut, lasst euch nicht erwischen, denn der Knast ist absolut mies.
 
Hi Leute, mein Freund sitzt derzeit in der JVA Herford. Baut keine Scheiße. Der Knast ist kein Spaß.
 
Wir kämpfen für mehr Gerechtigkeit.
 
Ein Mann ohne Knast ist wie ein Baum ohne Ast.
 
Du musst mal im russischen Knast landen, dann bin ich gespannt, wie du deine Klappe aufmachst.
 
Hallo Leute, war 6 ½ Jahre im Knast, macht keine Scheiße.
 
Du sitzt in der Zelle voller Verzweiflung,
Das ist wie eine feurige Welle ohne Begreifung
Du bist nicht allein wiederum nicht,
Du pisst jeden ans Bein und nicht ins Gesicht
Fang an dich zu fragen was das soll
Du sitzt hinter Gittern und fängst an zu sagen
Warum war ich so ein Proll!
Also reiß dich zusammen und benimm dich
Wir Knackis halten zusammen
Und das ist nicht lächerlich
Hör auf zu lachen und schmeiß nicht alles hin
Kauf dir neue Sachen um zu zeigen, wer du bist.
 
Sieht doch genauso aus wie die Bildungszentren der BA. Sogar mit TV. Ist doch Luxus.
Alles ist vergänglich sogar lebenslänglich ist verlorene Zeit, aber nachdenkliche Zeit, man soll nicht den Kopf hängen lassen! Eddi von 2001 – 2003 in Siegburg
 
Selber Schuld! Hätteste dich nicht erwischen lassen müssen! Oder erst gar keine Scheiße bauen ist immer noch am besten.
 
Ich war im Knast und will nie wieder dort hin. 


Wenn man sich hier 5 Minuten den Film angesehen hat, ist man froh, wenn man hier wieder raus kann. Seid froh, dass ihr hier nicht Tag für Tag hocken müsst ohne irgendeinen Luxus. Und wenn man sieht, was passieren kann (Fall Siegburg, wo ein Häftling von seinen Mithäftlingen getötet wurde) soll man besser 3mal überlegen, bevor man Mist baut. Es gibt immer Alternativen.
 
Hallo, ich bin Kurdin. Als ich 17 Jahre alt war, wurde ich aus politischen Gründen verhaftet. 15 Tage lang wurde ich gefoltert. Ich blieb insgesamt 2 Monate im Gefängnis. Politisch bin ich immer noch aktiv, werde ich auch immer sein. Ich bin für Freiheit und gegen Krieg und Gewalt.
Dieses Projekt finde ich super.
 
Ich war in der ehemaligen DDR im Knast (politisch) Bautzen, es war die Hölle. Ich wünsche es KEINEM, so etwas durchmachen zu müssen.
 
Und das Video bringt nicht mal die Hälfte der bedrückenden Knaststimmung rüber: Angst, Aussichtslosigkeit, Gestank, Hunger.
Eine Angehörige eines Knackis
 
Richter, Bulle, Staatsanwalt
Alle in die Haftanstalt
 
Ich war noch nie im Knast, aber ich möchte es auch nie kennen lernen. Hab Angst davor.
 
Es ist sehr einsam ohne Freunde.
 
Hallo, der Knast ist einfach doof und wenn ihr nicht in den Knast gehen wollt, dann tut auch nichts Schlimmes.
 
Hy Leute, habe 4 Jahre wegen BTM-Handel bekommen, und die Kinderschänder und Vergewaltiger bekommen als Dank Therapie und Halbstrafen. Wo bleibt da die Gerechtigkeit der Deutschen Justiz. Grüße alle Knackis, die noch sitzen.
 
Ich geb’ einen großen Fick auf die Justiz.
 
Hallo Leute, ich bin Kurdin und bin 16 Jahre alt. Ich weiß, wie das Gefängnis ist, wenn man nur den Film gesehen hat. Ich hoffe, dass ihr aus eurem Leben etwas machen könnt und nicht nur im Gefängnis sitzen.
 
Justiz und Politik ist Scheiße! oi oi oi
Als Skinhead hat man es nicht leicht. Man wird als Nazi beschimpft und mit Füßen getreten. Für alle, merkt euch das: Ein Skinhead ist kein Faschist, auch wenn er weiße Schnürsenkel in sein Boots hat. Wir Skinheads sind unpolitisch! Also vergleicht sie nicht mit Nazis!
Oi an die ganzen Knastis und Skinheads euer Rostocker Skinhead
 
Ich könnte mir ein Leben im Knast nicht vorstellen. Ich würde meine Familie so sehr vermissen und meine Freunde sowieso.
 
Vor allem die Neonbeleuchtung macht ein Dasein unmöglich. Falls PC vorhanden, kann man vielleicht überleben. Resozialisierung ist ein Muss.
 
Kommt Leute, so schlimm ist das gar nicht. War selbst drinne, 6 Jahre. War wie Urlaub. Stellt euch nicht so an!
 
Ich wünsche allen, dass sie nicht hier rein kommen, denn ich war zu oft da.
 
Schaut euch das Paradies an, 23 Stunden eingesperrt! Noch Bock auf Kriminalität? Ein Ex
 
Es ist ja gut als Abschreckung für Jugendliche, aber in der Realität sehen Zellen in Haftanstalten nicht so aus, wie die hier präsentiert wird.
Kein Fernseher fest in der Zelle, der muss erstmal da sein zur Verplombung, wo Kosten für den Gefangenen entstehen.
So einfach ist das nicht, wie es hier dargestellt wird.
 
Der Knast ist ein Stricher.
 
Aus Fehler kann man lernen, bleibt chillig Leute, bloß keinen Stress. Wir sind alle Brüder.
 
 
13.11. – 03.12. 2007 - Integrierte Gesamtschule Köln-Rodenkirchen
 
Kommt nicht hier rein!!!
 
Ich will hier nie reinkommen, das ist der reinste Horror.
 
Hallo, also besonders schön ist es hier ja nicht.
Ich will hier niemals reinkommen.
 
Ich finds schon schlimm.
 
Ist gewöhnungsbedürftig.
 
Ich armen Jugendlichen.
 
Booh, Mann ist das Scheiße. Ich hoffe, ich lande hier nicht.
 
Die Gefangenen tun mir so leid.. Die Zelle könnte etwas größer sein, was, wenn er Platzangst hat! Also Leute, keine Scheiße bauen.
 
Unnormal klein, aber wenigstens ein Fernseher
 
Ich würde hier nicht gern viele Jahre verbringen!!
 
Kleine Ahnung, komisches Gefühl hier drinne. Es ist alles so klein und die Zeit vergeht hier drinne ja gar nicht. Mir gefällt es hier nicht.
 
Voll langweilig. Es stinkt. Das Klo ist ekelhaft. Das Bett ungemütlich, voll dumm. Das Licht ist zu hell.
 
Ich kriege ehrlich gesagt Angst! Alles ist voll ekelhaft. Ich will lieber sterben.
 
Ich denke, dass es hier nicht leicht drin wird. Aber sie sind es ja selber schuld.
 
Ich möchte niemals in einem solchen Raum leben müssen.
 
Oha, voll hart ey, ich will nicht lebenslänglich drinne bleiben! Naja cool ist es schon mal nen Blick hier rein zuwerfen.
 
Oh mein Gott, wie kann man hier leben. Echt, die Typen tun mir aber voll leid.
 
Prison Break – Geil, arme boys. Tut mir echt Leid für euch.
Holt mich da raus!!! Ich halts nicht mehr aus!
 
Also, ich würde auch nie in den Knast wollen. Elena
Ich auch nicht! Wobei ich diese Zelle gar nicht so schlimm finde, was aber bestimmt daran liegt, dass ich nicht wirklich hier leben muss und dass es hier sauber ist, was es im Knast bestimmt nicht ist. Tia
Da stimme ich dir zu!!! Elena
 
Krass, mein Kleiderschrank ist größer.
 
20.12.2007 – 25.04.2008 - Fachhochschule Köln
 
Nicht gerade viel Platz und recht deprimierend. Ich weiß nicht genau, ob man ein „besserer Mensch“ wird, in dem man seiner Freiheit beraubt wird und seine Würde verliert.
 
Wie sollen hier soziale Kompetenzen erlangt werden? Fehlende soziale Kompetenzen sind oft die Ursache für den Aufenthalt in solcher Zelle!
 
Richtig Scheiße, wenn man Scheiße baut.
 
Find’s ne tolle Idee eine Original-Zelle nachzubauen. Interessant mal nachzufühlen.
 
Eine sehr auf sich selbst reduzierende Umgebung. Wahnsinn vorprogrammiert! Dies ist wohl kaum zeitgemäß – auch unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass man nicht „umsonst“ nur seine Zeit absitzen muss.


Ist ein „Scheiß-Gefühl“ zu wissen, was mit den Jugendlichen in der heutigen Zeit geschieht.
Gut gemacht. Es ist traurig zu sehen und erleben, wie hoffnungslos die Situation für diese Jugendlichen ist. So jung und schon ohne Hoffnung, dass jemand ihnen zur Seite stehen könnte. Einsperren ist leicht, die Not bleibt. Hier sind alle gefragt.
 
Es ist hier ekelig und seelisch wird man irre.
 
Folgen der Ausstellung
 
Neben den vielen, die unsere Ausstellung besucht haben, und von denen Sie hier einige Kommentare gelesen haben, konnten wir durch das Buch "Pop Shop – Gespräche mit Jugendlichen in Haft“ viele weitere Menschen erreichen, die sich durch die Erzählungen der inhaftierten Jugendlichen aus erster Hand über das Leben im Gefängnis informieren konnten. Davon haben sich auch Künstler inspirieren lassen. Im Dresdner Staatsschauspiel (2) kam das Buch auf die Bühne, und der Regisseur Philip Koch hat mit dem Film PICCO (3) eindrücklich die Unmenschlichkeit der Zellenexistenz gezeigt.
 
Nicht wahrgenommen wurden wir von der Politik. Keine Partei hat sich unsere Forderung nach Abschaffung der Jugendgefängnisse zu eigen gemacht. Im Gegenteil, in Nordrhein-Westfalen wurde die Jugendanstalt Heinsberg um über 250 Zellen erweitert und in Wuppertal-Ronsdorf wurde eine ganz neue Jugendstrafanstalt mit über 500 Zellen gebaut. Nach dem Foltermord in der JVA Siegburg soll damit jedem Jugendlichen eine Einzelzelle zugewiesen werden können – zum Schutz vor Übergriffen. Wir sagen, dass die Einzelzelle selbst ein Übergriff ist.
 
Programm der Ausstellungseröffnung am 6.10.2011, 11 Uhr im Kalk-Karree
 
Begrüßung
Henriette Reker, Dezernentin für Soziales, Integration und Umwelt der Stadt Köln
 
Dr. Gerhart R. Baum, Bundesinnenminister a.D. und Schirmherr der Ausstellung
"Bürgerrechte und Sicherheitswahn"
 
Gisela Strauff, pensionierte Leiterin der Kölner Jugendgerichtshilfe
"Haftvermeidung durch Jugendhilfe"
 
Klaus Jünschke, Kölner Appell gegen Rassismus e.V.
Fünf Jahre „Menschen statt Mauern“ - eine Bilanz
 
Moderation: Dr. Martin Stankowski, Journalist und Historiker
 
Die Ausstellung hatten wir Jörn Foegen, dem am 26. März 2006 verstorbenen Leiter der JVA Köln gewidmet, weil er sich Gedanken über die Senkung der Zahl der Zellen machte
-        durch eine an Leidverminderung orientierte Drogenpolitik
-        durch vermehrte Anwendung des Täter-Opfer-Ausgleichs
-        durch eine Sozialpolitik, die auch verhindert, dass Gefangene in die Wohnungslosigkeit und Arbeitslosigkeit entlassen werden.
 
„Wir brauchen keine besseren Gefängnisse,
sondern etwas Besseres als das Gefängnis.“
Gustav Radbruch, Justizminister in der Weimarer Republik
 
Unser Autor Klaus Jünschke hat in der NRhZ in vielen Beiträgen eindrucksvoll geschildert, dass die Zelle kein pädagogischer Ort ist und warum die Jugendgefängnisse abgeschafft werden müssen. Zusammen mit Christiane Ensslin und Jörg Hauenstein hat er das Buch „Pop Shop – Gespräche mit Jugendlichen in Haft“ herausgegeben, das im Konkret-Literaturverlag erschienen ist.
 
(1) www.jugendliche-in-haft.de
(2) http://www.staatsschauspiel-dresden.de/spielplan/pop_shop/
(3) http://www.philip-koch.eu/spielfilm/page19/page19.html


Online-Flyer Nr. 321  vom 28.09.2011

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