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Aktueller Online-Flyer vom 06. Mai 2024  

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Inland
FDP-Politiker wie Hoyer und FDP-nahe Naumann-Stiftung als Putsch-Unterstützer
Für die Freiheit der Oligarchie
Von Hans Georg

Zum wiederholten Male übernimmt ein Verteidiger lateinamerikanischer Putschisten einen wichtigen Posten im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Der bisherige Repräsentant der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Honduras, Christian Lüth, ist laut Auskunft des Ministeriums dort künftig als Referent im Bereich der Steuerung der Durchführungsorganisationen (GIZ, DEG etc.) tätig. Lüth hatte nicht nur den honduranischen Putsch am 28. Juni 2009 als "Amtsenthebungsverfahren" verharmlost, das "völlig verfassungskonform" abgelaufen sei. Er hatte auch anschließend die Putschisten strikt gegen Kritik verteidigt und zum Beispiel deutsche Unterstützung für die honduranische Polizei organisiert.
 

Christian Lüth – nach dem Putsch
von der "Friedrich-Naumann-
Stiftung für die Freiheit" ins
Entwicklungsministerium
Ehemalige Kooperationspartner aus Honduras werfen der Stiftung, die sich mit voller Bezeichnung "Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit" nennt, vor, nur noch für die einheimische Oligarchie einzutreten. Die Stiftung sei, heißt es in einer Erklärung ehemaliger Naumann-Stipendiaten, "in den Einfluss kleiner Phantomgrüppchen und Organi-sationen der extremen Rechten in Lateinamerika geraten".
 
Referent
im Entwicklungsministerium
 
Wie das Nachrichtenportal amerika21.de berichtet, hat der bisherige Büroleiter der FDP-nahen Stiftung in Honduras seinen Posten in Tegucigalpa verlassen. Er werde nun als Referent im Bereich der Steuerung der Durch-führungsorganisationen eingesetzt, teilte die Parlamentarische Staats-sekretärin beim Entwicklungsministerium, Gudrun Kopp (FDP), mit.[1] In Honduras ist der neue Mitarbeiter des Ministeriums seit dem Putsch vom Juni 2009 einer breiten Öffentlichkeit bekannt - als Unterstützer der Putschisten.
 
Völlig verfassungskonform
 
Ende Juni 2009 war der demokratisch gewählte honduranische Präsident Manuel Zelaya von Militärs gewaltsam verschleppt und entmachtet worden. Zelaya gehörte zwar dem Partido Liberal de Honduras (PLH) an, einer im honduranischen Establishment verankerten Partei, die eng mit der Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) kooperiert.[2] Allerdings hatte er sich im Lauf seiner Amtszeit durch seinen Dialog mit sozialen Bewegungen, mit seinem Streben nach einer Landreform sowie mit der Annäherung an das von Venezuela angeführte Staatenbündnis ALBA (Alternativa Bolivariana para las Américas) immer weiter vom inneren Machtzentrum der alten honduranischen Oligarchie entfremdet. Bereits im Frühjahr 2009 war deutlich, dass die Friedrich-Naumann-Stiftung und ihr honduranischer Repräsentant Lüth sich in dem schwelenden Konflikt auf die Seite der Oligarchie stellen würden. Als Zelaya am 28. Juni 2009 aus dem Amt geputscht wurde, bezog die Stiftung binnen kürzester Zeit Position - auf Seiten der Putschisten und der alten Oligarchie. Während der Staatsstreich weltweit scharf verurteilt wurde - das Militär schlug Proteste blutig nieder, zahlreiche Oppositionelle wurden ermordet - behauptete Lüth, Zelaya sei "mehr Täter als Opfer". Kurz darauf nannte er den Putsch ein "Amtsenthebungsverfahren", das "völlig verfassungskonform" abgelaufen sei.[3] Auch im gleichgeschalteten honduranischen Fernsehen nahm Lüth bereits kurz nach dem Staatsstreich Stellung: Als Vertreter der seit rund 25 Jahren in Honduras tätigen Naumann-Stiftung könne er bestätigen, dass die Verschleppung des Staatspräsidenten zu Recht geschehen sei.[4]

Protestkundgebung vor der Zentrale der Naumann-Stiftung gegen die "Unterstützung des Putsches durch die Stiftung" und für die Absetzung des Regionalvertreters Christian Lüth
Quelle: amerika21, Harald Neuber 
 
Sieg für die Demokratie
 
Seit dem Putsch sind die Naumann-Stiftung und Lüth konsequent bei ihrer Unterstützung für die alte Oligarchie geblieben. Dies zeigte sich beim Versuch der Oligarchie, mit Wahlen im November 2009 ihre durch den Putsch beschädigten Auslandsbeziehungen wieder instand zu setzen. Weltweit stießen die von den Putschisten organisierten Wahlen auf Widerspruch. "Die De-facto-Regierung" habe "eklatant gegen die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit verstoßen", erklärte etwa ein Experte vom offiziösen German Institute of Global and Area Studies (GIGA): Der "politische Wettkampf im Vorwege der Wahl" sei "alles andere als einwandfrei" gewesen.[5] Die Naumann-Stiftung hingegen erklärte den undemokratischen Urnengang zum "Sieg für die Demokratie"; der Stiftungsvorsitzende Wolfgang Gerhardt forderte die EU auf, das Wahlergebnis anzuerkennen.[6] Die "internationale Staatengemeinschaft" müsse nun ihre "Beziehungen zu Honduras wieder (...) normalisieren", verlangte im Namen der Stiftung ihr honduranischer Repräsentant Christian Lüth.[7]
 
In der Tat nahmen Deutschland, die EU und die westlichen Staaten insgesamt ihre Zusammenarbeit mit dem honduranischen Regime Anfang 2010 wieder auf - nicht zu ihrem Schaden: Das Regime hat mit umfassenden Privatisierungen begonnen, Sozialstandards sowie Arbeitnehmerrechte reduziert und den Ausverkauf natürlicher Ressourcen forciert. Jetzt sollen Sonderwirtschaftszonen errichtet werden, in denen sich ausländische Investoren an der Gesetzgebung beteiligen können.[8] Die EU hat im Mai 2010 ein Assoziierungsabkommen mit den Staaten Zentralamerikas unterzeichnet, das eine weit reichende Öffnung der zentralamerikanischen Wirtschaft für EU-Konzerninteressen erzwingt. Auf honduranischer Seite stimmte dem heftig umstrittenen Dokument das Nachfolgeregime der Putschisten zu.
 
Klima der Straflosigkeit
 
Während in Honduras inzwischen eine Demokratiebewegung erstarkt, die entschieden gegen das Nachfolgeregime der Putschisten opponiert, unterstützt die Naumann-Stiftung nun die staatlichen Repressionsapparate. Wie Christian Lüth im Mai 2010 mitteilte, habe die Stiftung "ihre Arbeit mit der Nationalpolizei wiederaufgenommen". Sie werde "gemeinsam mit zwei Beamten der deutschen Polizei" zunächst "eine strukturelle Beratung" durchführen. Ihr Ziel sei es, "das hohe professionelle Niveau der honduranischen Polizei zu garantieren".[9] Lüth ergänzte damals, selbstverständlich verdiene auch die honduranische Armee "unseren Respekt und unsere Unterstützung". Nicht völlig konform mit Lüths Urteil über das segensreiche Wirken der honduranischen Repressionsapparate gehen Menschenrechtsaktivisten. Eine nach Honduras entsandte Delegation von Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen berichtete Anfang 2011, die Lage habe sich "seit dem Putsch im Juni 2009 verschlimmert"; es gebe ein "allgemeines Klima der Straflosigkeit", mehr als 100 nicht stafrechtlich aufgearbeitete politische Morde und zahllose Übergriffe in Landkonflikten.[10] Eine wie auch immer geartete "Verbesserung der Situation" sei keinesfalls zu erkennen.
 
Auf dem Boden der Gesetze
 
In die blutigen Landkonflikte ist einer der einflussreichsten Kooperationspartner der Naumann-Stiftung direkt involviert. Der Wirtschaftsmagnat Miguel Facussé, einer der mächtigsten Männer ganz Zentralamerikas und Großgrundbesitzer in Honduras, steht im Verdacht, für die Ermordung mehrerer Landarbeiter verantwortlich zu sein. Wie eine von WikiLeaks kürzlich veröffentlichte Depesche offenbart, sind US-Diplomaten überzeugt, dass er darüber hinaus in den Drogenhandel involviert ist. Facussé habe - und dies sei nicht der einzige Fall - vor Jahren der Polizei gemeldet, unter seinem Befehl stehende paramilitärische Einheiten hätten ein Kleinflugzeug abgeschossen, das auf seinem Großgrundbesitz habe landen wollen.[11] Tatsächlich hingegen, heißt es in der Depesche, sei der mit rund einer Tonne Kokain aus Kolumbien ankommende Flieger bei Facussé gelandet und dort von rund 30 schwerbewaffneten Milizionären entladen worden.
 

Miguel Facusse
Facussé, der zu den Vertrauten des aktuellen Regimechefs Porfirio Lobo zählt, gehörte zu den Unterstützern des Putschs und ist Vorsitzender der honduranischen Industri-ellenkammer. In dieser Eigenschaft wird er von Lüth "politisch beraten". Lüth fügt jedoch der Vollständigkeit halber hinzu: "Ich rate ihm, sich auf dem Boden der Gesetze zu bewegen."[12]
 
Kinder der Oberschicht
 
Mit ihrer Unterstützung für die honduranische Oligarchie stößt die Naumann-Stiftung inzwischen selbst bei ehemaligen Kooperationspartnern auf wütenden Protest. Was in Honduras geschehe, sei "das Resultat der Herrschaft einer kleinen Wirtschaftselite, deren Mitglieder sich für die Besitzer des Landes halten", heißt es in einer Erklärung ehemaliger Naumann-Stipendiaten und -Volontäre. "Mit enormer Besorgnis und Ablehnung" habe man "zur Kenntnis genommen", welche Hilfen die Naumann-Stiftung "den Putschisten in Honduras" zukommen ließ. Tatsächlich sei die Stiftung zur Helferin der Oligarchie geworden, erklärt ein früherer Naumann-Volontär: Sie vergebe Stipendien und Posten heute nur noch an "Kinder der Oberschicht".[13] In der Erklärung der Stipendiaten ist das Urteil zu lesen, die Stiftung sei "in den Einfluss kleiner Phantom-grüppchen und Organisationen der extremen Rechten in Lateinamerika geraten (...), die Faschismus und Nazismus näher stehen als dem Liberalismus". Man wisse nicht, "wie es in Deutschland aufgefasst wird", dass "die Fonds der Stiftung" nun "Putschisten und Menschenrechtsverletzern" zugute kämen.[14]
 

Werner Hoyer – nach Putsch-
Unterstützung Karriere im Auswärtigen Amt
Karrieren
 
Wie das in Deutschland aufgefasst wird, zeigt die Personalpolitik der Bundes-regierung, die nicht nur den Protagonisten der Stiftung aus der Zeit vor, während und nach dem Putsch in Honduras, Christian Lüth, nun mit einem einflussreichen Posten im Entwicklungsministerium belohnt. Der ehemalige Bereichsleiter Internationale Politik der Naumann-Stiftung, Harald Klein, gehört ebenfalls zu denjenigen, die damals die Putschisten exkulpierten. Klein bescheinigte ihnen, als sie blutig gegen Proteste vorgingen, "ernsthafte Bemühungen, mögliche Menschenrechts-verletzungen zu ahnden".[15] Klein arbeitet heute als Abteilungsleiter im Bundesentwicklungsministerium - nur eine Ebene unter den Staatssekretären. Auch der römisch-katholische Major im Ruhestand Werner Hoyer aus Köln, damals außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundes-tagsfraktion, hatte sich nach dem honduranischen Staatsstreich offen auf die Seite der Putschisten gestellt.[16] Inzwischen residiert er als Staatsminister im Auswärtigen Amt und wird auch schon als möglicher Nachfolger von Außenminister Guido Westerwelle genannt. (PK)
 
[1] Putsch-Verteidiger soll Entwicklungshilfe leiten; amerika21.de 20.09.2011
[2] s. dazu Die Naumann-Fraktion
[3] s. dazu Ein Amtsenthebungsverfahren
[4] Kathrin Zeiske, Kirstin Büttner: Für die Freiheit der Oligarchie; jungle-world.com 09.06.2011
[5] Umstrittene Wahlen in Honduras; www.giga-hamburg.de 26.11.2009
[6], [7] Christian Lüth: Honduras: Ein Sieg für die Demokratie; Bericht aus aktuellem Anlass No. 75/09, 29.11.2009
[8] Ole Schmidt: Sie können alle Blumen abschneiden; www.freitag.de 16.07.2011
[9] André Scheer: Putsch gelobt; junge Welt 18.05.2010
[10] Abschlussbericht der Delegationsreise nach Honduras; hondurasdelegation.blogspot.com 06.02.2011
[11] Ist Vertrauter Porfirio Lobos ein Drogenboss? amerika21.de 10.09.2011
[12] Ole Schmidt: Sie können alle Blumen abschneiden; www.freitag.de 16.07.2011
[13] Endet eh alles wie auf Kuba; Lateinamerika Nachrichten April 2011
[14] "Naumann-Stiftung hat Objektivität verloren"; amerika21.de 21.11.2009
[15] s. dazu Ministerium zur Begleitung der Expansion
[16] s. dazu Ein Amtsenthebungsverfahren
 
Diesen Beitrag haben wir von http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58156?PHPSESSID übernommen


Online-Flyer Nr. 321  vom 28.09.2011

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