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Lokales
Die vorgeschriebene Anhörung der Bürger fand bisher nicht statt
Etikettenschwindel bei "Mülheim 2020"
Von Rainer Kippe

Bei dem Projekt "Mülheim 2020" ist die Kölner Stadtverwaltung in eine arge Bedrängnis geraten. Im August fiel ihr nämlich auf, dass ihr bei der Antragstellung zum Integrierten Handlungskonzept ein schwerer Fehler unterlaufen ist. Durch das Förderprogramm sollen innerhalb von sechs Jahren 40 Millionen Euro aus EU- und Landesmitteln in den notleidenden Stadtteil gepumpt werden. Nun aber stellte die Verwaltung fest, dass sie das Sanierungsrecht aus dem Baugesetzbuch anwenden und das Programmgebiet förmlich festlegen muss.
 

Maria Kröger - Amtsleiterin
für Stadtentwicklung und
Statistik der Stadt Köln:
Bürgeranhörung zu
"Mülheim 2020" vergessen
oder volle Absicht?
NRhZ-Archiv
Dies sollte eigentlich keine Schwierigkeit darstellen, dachte man sich wohl, denn das Programm läuft schon seit Jahren, wenn auch schleppend und unter großen Schwierigkeiten, wie die NRhZ gelegentlich berichtete. Allerdings verlangt der Gesetzgeber im § 137 Baugesetzbuch, der nun zur Anwendung kommt, dass die Bewohner dieses Gebietes frühzeitig an den Arbeiten zum Entwicklungs- konzept zu beteiligen sind. Sie müssen eingeladen, informiert und angehört werden, und dann haben sie die Möglichkeit, Anregungen, Bedenken und Beschwerden zu äußern. Das alles muss nicht nur protokolliert, es muss auch beantwortet und in den parlamentarischen Beratungsprozess eingebracht werden.
 
Da dies erkennbar nicht geschehen ist, man sich also nicht an diese Vorschriften gehalten hat, hat man im Amt 15 der Kölner Stadtverwaltung offensichtlich beschlossen, die Beteiligung der Öffentlichkeit zu faken. In der Vorlage 2889/2011 vom 8. August dieses Jahres führt sie im Abschnitt "Begründung“ unter dem Punkt 4, "Öffentlichkeitsbeteiligung", eine ganze Reihe von Veranstaltungen auf, in denen das Konzept angeblich der Mülheimer Öffentlichkeit vorgestellt worden sein soll. Wie die NRhZ aber bei der Überprüfung der Termine und beim Vergleich mit städtischen Unterlagen feststellen konnte, handelte es sich bei den Veranstaltungen vor der Beschlussfassung des Rates im Mai 2009, also bei der vom Gesetz geforderten frühzeitigen Beteiligung, nur um Veranstaltungen mit sogenannten "Schlüsselakteuren“, einem kleinen Kreis Ausgewählter also. Dass dies den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprach, liegt auf der Hand.
 
Deshalb griff die Verwaltung flugs zu einer Bürgeranhörung, die wirklich mustergültig gelaufen zu sein scheint. Nur handelte es sich hier um die Anhörung zu einem ganz anderen Projekt, dem "Rechtsrheinischen Entwicklungskonzept, Teilraum Nord“. Dieses Konzept hat natürlich ein ganz anderes Ziel, nämlich die Nutzungsstruktur im Planungsgebiet Deutz und im südlichen Mülheim bis zum Wiener Platz, und nicht, wie "Mülheim 2020", die Senkung der Arbeitslosigkeit und die Förderung der Bildung in Mülheim-Nord und Buchheim. Darüber hinaus stimmen auch die Gebiete der beiden Programme nur teilweise überein.
 
Die Beteiligung der Bürger ist aber von Anfang an einer der Hauptkritikpunkte der Bürger am Vorgehen der Verwaltung bei der Erstellung von "Mülheim 2020" gewesen. Entgegen der Forderung vieler Initiativen hat das federführende Amt 15 unter seiner Leiterin Maria Kröger jahrelang also eher im Verborgenen gewirkt und sich geweigert, die Programmentwürfe zu veröffentlichen. Erst neun Monate nach dem Ratsbeschluss bekamen die Bürger das fertige Programm von Oberbürgermeister Jürgen Roters auf einer Veranstaltung im Februar 2010 vorgestellt. Und die vorgeschriebene Anhörung mit der Möglichkeit von Einreden und Beschwerden hat nie stattgefunden.
 
Damit fehlt aber eine wesentliche rechtliche Voraussetzung für die Gültigkeit des Programmes. Und bei den Programmen zur sozialen Stadt verlangt der Gesetzgeber im §171 e Abs. 5 Baugesetzbuch sogar noch mehr als bei einer normalen Sanierung. Hier geht es nämlich um Gebiete, die schon soweit heruntergekommen sind, dass die Bürger sich nicht mehr für ihr Viertel interessieren und das nachbarschaftliche Leben schon weitgehend zum Erliegen gekommen ist. Genau ein solches Gebiet ist Mülheim.
Es liegt also auf der Hand, dass die Beteiligung der Bürger in einem solchen Viertel nicht nur Voraussetzung für die Gültigkeit des Programmes ist, sondern das eigentliche Ziel der ganzen Veranstaltung.
 
Weil die Verwaltung unter Maria Kröger dieses Ziel nie angepackt hat, kommt das Programm nun in erhebliche Turbulenzen. Jetzt, wo die Verwaltung nach jahrelangem Zögern endlich mit den Projekten beginnen will, stellt sich heraus, dass sie die Menschen im Viertel überhaupt nicht mehr erreicht. Für ausgeschriebene Projekte in Millionenhöhe finden sich keine Träger, anderen Projekten fehlen die Teilnehmer oder diese melden sich so spärlich, dass die Projekte heruntergefahren werden müssen. Mittel drohen zu verfallen.
 
Die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim (SSM) hat deshalb nun die Geldgeber beim Land NRW und bei der EU angeschrieben und gefordert, dass zunächst einmal endlich die vorgeschriebene Bürgeranhörung nachgeholt wird, damit die Mülheimer zu diesem Projekt endlich sagen können, was sie wollen. (PK)
 
Lesen Sie hierzu in NRhZ 274 den Artikel
EU: Alle Kommunen, selbst die kleinsten, kommen mit dem Programm klar
„Warum nicht Köln?“
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15812


Online-Flyer Nr. 320  vom 21.09.2011

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