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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Inland
Wer hat recht? Die GEW oder die ZEIT?
Neue Nationalhymne?
Von Hartmut Barth-Engelbarth

"Böse Menschen haben keine Lieder? und die Deutschen kein böses Deutschland-Lied: Wie um die Nationalhymne mal wieder ein künstlicher Streit entbrannt ist". - Unter diesem Titel hat der ZEIT -Kolumnist Robert Leicht in der jüngsten Zeit gegen die GEW gewettert. Dass die GEW mitten in die nationale Besoffenheit mit ihrer Broschüre gegen die Nationalhymne ernüchternd eingriff, fand auch Jürgen Elsässer in der jungen Welt nicht so toll. Doch die GEW hat in ein Wespennest gestochen und längst fällige Debatten angestoßen:

Die Apologeten der Leichtigkeit des Seins in der brave new DEURO-World machens einem schwer, denn sie besetzen maimgestreamed  prophylaktisch schon die Ersatzabschalt- und Umschaltkulissen hinter den GroßBildoberflächen, hinter den nicht mehr großdeutschen, sondern jetzt großeuropäischen Leinwänden - Vorleinwände für die Durchstoiberung und Struck-Con-Jung-turierung der Heimatfront: das brilliant inzenierte Mega-Event "Die Welt zu Gast bei Freunden" tanzt seine SpitzenParty auf dem Vulkan: Deutschland über alles ist Weltmeister beim Abschieben, liegt bei kaum noch als Menschenrechtsmissionen getarnten neokolonialen An- und Eingriffskriegen auf Platz drei hinter den bUShA und GB/UK und hat die grande nation längst überholt. Was da heiser dem Heilgen Rock von Trier nach dem fünften sixpack Billigbier, dem Wir sind Papst und nun auch schon fast jeder mit Podolski-Klose, den ExPolacken-Weltmeister-Aspiranten nachgrölt, das kaut auf LidlGenFood und AldiBrot und geht zur Not mit Hartz 4 in der Abseitsfalle auf die EndlosReserveBank und für einen Euro als GlobalAfterWorkWorker schwarzSchrubben als Clean-man: du bist Deutschland, du bist Kliensmann, wir sind Papst.

Wir holen uns den Polen, gern zum Spielen, zum untertagesteinstaubschlucken - spargelstechen - erdbeerpflücken - bettenmachen - altenwaschen - arschab-putzen und dann feiern wir ne Party im Warthe-Gau und tanzen mit den Neureichen auf den Gräbern von zig-Millionen polnischer Untertage-Bauern.

Dass das Hungertuch nicht aus Trier und nicht vom Heilgen Grabe, sondern aus Armani stammt, einer kongolesisch-indonesischen Kleinstadt mit DFBgesponsorter adidasKinderfussballschule, als unicef-zertifizierte Ausgleichsmaßnahme für Kinderarbeit an Nähmaschinengewehren, das macht nix. Vom Einsatz der Bundeswehr im Opiumkrieg - nicht in China! - nein in Karsai-Armani-Land, von der Friedensmission im Kongo hat eben nicht nur der Deutsche billigere Schmerzmittel gegen Kriegsverletzungen und günstigere Handys für den Kontakt zu den Lieben an der Heimatfront, nein, da hat die ganze Welt etwas davon: Handys den Hütten, die kriegen nicht nur die Paläste! um es mal mit Büchner zu sagen.

Klar, die Nationalstaaten waren schon 14/18 eine Schimäre. Die vier Brüder meines Vaters haben sich vor Verdun nicht sonderlich gerne von deutschem Giftgas und Krupp'schen Kanonen unter deutsch-französischem Stacheldraht umbringen lassen und vorher noch gegenüber einige Duzend bis Hunderte umgebracht. Hofmann von Fallersleben konnte die Umwertung, die Perversion seiner Gedanken noch miterleben: aus dem Bestreben, das Teile und Herrsche der feudalen Kleinstaaterei zu überwinden, wurde eine Zwangsvereinigung unter preußischer Pickelhaube, und in angeblich seinem Namen konnte dann innerdeutsch Krieg geführt werden: großdeutsch gegen Österreich - bis hin zum faschistischen Gipfel der Perversion der 1848er großdeutschen Losungen: die Annektion Österreichs, der Einmarsch in die Tschechoslowakei.

Ach es ist eine Lust, einem Schwarzen auf dem Rasen des Olympiastadions zuzujubeln - wie genau dort 1936 Jesse Owens, heute einem deutschen Schwarzen sogar, dem zweiten, dem Dritten nach Billy Mo und Roberto Blanco. So was ist erfolgreiche Integration. 1936 wurde Berlin gesäubert, die Sinti und Roma wurden in Marzahn konzentriert. Heute sollte wenigstens während der WM kein Undeutscher vor laufenden Kameras angeriffen werden, und es sollte möglichst bei den Abschiebungen nicht zu Todesfällen kommen. Die Welt zu Gast bei Freunden.

Klar, Köhler ist nicht Hindenburg und Merkel/Schäuble sind nicht Hitler/Goebbels - das muss in aller Deutlichkeit gesagt werden!! Und der Tiger ist kein Panzer sondern ein Kampfhubschrauber für den Frieden. Denn heute gehen die outofaerea-Einsätze der BundesWehrmacht nicht mehr gegen die Beschlüsse des Völkerbundes, sondern nach der Methode: wenns anders nicht geht, dann Kofi Annan....

Der Robert Leicht hat es sich wirklich zu leicht gemacht. Er hätte schon sagen können, dass der nationalistische Zuckerguss als Aufputschmittel nicht mehr so ganz ausreicht:  die Neuordnung Europas mit Deutschland über alles ist 1945 gescheitert. Nun macht Deuropa bereits in Lybien die Schotten dicht. Patrice Lumumba wird zum wiederholten - und dieses Mal ganz kapitalbrutal multilateral entsorgt. Das Heer der schwarzgetünchten Söldner ist dank PillenPaul con Petersdom trotz AIDS mit AIDS enorm gewachsen. Der Wüstenfuchs grüßt uns aus dem Katangabecken, hat seinen Spürpanzer dabei, und man ahnt schon, was aus dem Regenwald mal wird. Leopard und Tiger dürfen sich endlich da bewegen, wo sie doch hingehören. Und wenn die Fans im Stadion Zugabe brüllen, versteht Afrika das falsch als
Ovation für Zimbabwes Präsidenten.

Böse Menschen haben keine Leader? Die BigBand der Bundeswehr kann Marschmusik auch im DiscoSound, die tourt jetzt auch mit WeltMusik, we are the world,  with Rap und Hip und Hop, we just do our job. Und ein solcher McDonalds-Coca-Cola Einheitsbrei ist da dem niederlagengeschwängerten Deutschlandlied meilenweit überlegen. Adidas in SchwarzRotGold reicht nur für eine regionale Sonderverkaufsaktion. Dann wirds als Ladenhüter vernichtet.

Hofmann von Fallersleben hatte dieses Lied gegen die Herrschenden geschrieben und ohne Gage. Heute überlegen die Herrschenden ob sie eventuell ein neues brauchen und wenn, beauftragen sie eine Werbeagentur mit der Produktion oder eine arrivierte Formation "Desliedichsing". Oder sie bleiben beim Alten. So hat´s der Ex-Übervater der Nation entschieden; Richard von Weizsäcker! Sein Wort hat Gewicht, das war schon bei der Agent-Orange-Lieferung für die USArmy zur Entlaubung Vietnams so, das war so bei der Belieferung Iraks mit Rüstungsgütern, das war so beim ReichswehrRegiment "Graf", wie die "Judensäuberung" und der "Kommissarbefehl" durchzuführen ist beim Unternehmen "Barbarossa".

Dass die GEW in dieser Zeit der nationalistischen Besoffenheit in couragierter Offenheit den Blick auf die deutsche Geschichte lenkt, wo der Reichsturnführer, Olympia-Inzenierer, Fackellauferfinder und Hitler- und Goebbelsfreund und noch 1945 zehntausende Kindersoldaten im Olympiastadion auf den Endsieg Einschwörer, NachkriegsSporthochschulgründer und Sportabzeichenstifter Carl Diehm gerade noch rechtzeitig aus der Schusslinie gezogen wurde, um eine Debatte über solche Inszenierungen und ihre Geschichte zu vermeiden, gerade da ist diese Aktion der GEW aufs Schärfste zu begrüßen  und zu aktualisieren.

Wer oder was die GEW ist, das weiß ich recht gut, eine Gewerkschaft, die es gelernt hat, über ihren sozialdemokratischen Schatten zu springen, sich dabei weder anzuschwärzen, noch sich nato-oliv zu begrünen. Eine Gewerkschaft, deren Mitgliederzahlen wachsen! Wer aber ist Robert Leicht. Nun ja, vielleicht werde ich ihn noch kennen lernen.


Hartmut Barth-Engelbart


Hartmut Barth-Engelbart ist Grundschullehrer und Kinderchorleiter, außerdem Schriftsteller, Lyriker, Musiker, Liedermacher, Sänger und Grafiker und in der GEW.






Online-Flyer Nr. 50  vom 27.06.2006

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