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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Inland
Die Berliner Mauer - Geschichtsrevisionismus und Siegerjustiz
Zum 50. Jahrestag des Mauerbaus – Teil 2
Von Hans Fricke

Hans Fricke aus Rostock, Autor des im August 2008 im Berliner Verlag am Park erschienenen Buches „Politische Justiz, Sozialabbau, Sicherheitswahn und Krieg" hat zum 50sten Jahrestag des Berliner Mauerbaus einen längeren Beitrag geschrieben, den die NRhZ in den folgenden Ausgaben bis zum Jahrestag am 13. August veröffentlichen wird. Er widerspricht fast allem, was in den nächsten Wochen auf offiziellen "Gedenkveranstaltungen" vorgetragen werden dürfte. Die Kapitel: 1. Die Berliner Mauer; Gründe für ihren Bau und ihre Einordnung in den Kalten Krieg. 2. Das Märchen von der „innerdeutschen“ Grenze und seine Funktion. 3. Die Legende vom "Schießbefehl". 4. Schlussbemerkungen. – Die Redaktion
  

Nikita Chrustschow: „Einen eisernen
Ring um Berlin legen"
Zweiter Teil von Kapitel 1
 
Grundsätzlich ist festzustellen, dass das Grenzregime der DDR - die militärische Sicherung der Staatsgrenze am 13. August 1961 eingeschlossen - niemals eine Bedrohung des Friedens bedeutet hat. Gemäß Artikel 7 der Verfassung der DDR waren alle Staatsorgane verpflichtet, die territoriale Integrität des Landes und die Unverletzlichkeit seiner Staatsgrenzen zu gewährleisten und zum Schutz der sozialis-tischen Ordnung und des fried-lichen Lebens der Bürger die Landesverteidigung zu organi-sieren. Die Nationale Volks-armee, darunter die Grenztruppen der DDR, und andere Organe der Landesverteidigung waren verpflichtet, das Land und seine Bürger vor Angriffen von außen zu schützen. Hinzu kam die Zugehörigkeit zur sozialistischen Militärkoalition gemäß Warschauer Vertrag vom 14.Mai 1955 und die sich daraus für die DDR ergebenden Verteidigungsaufgaben. Diese Tatsache verlieh der Staatsgrenze eine besondere Bedeutung als Trennungslinie zwischen den beiden sich antagonistisch gegenüberstehenden Militärblöcken.
 
Die geopolitische und militärstrategische Lage der DDR war durch den Umstand gekennzeichnet, dass sie im Kriegsfall Auf- und Durchmarschraum der 1. strategischen Staffel geworden wäre. Der den Völkerrechtsregeln entsprechende Artikel 8 der Verfassung der DDR war auf die Hauptaufgabe ihrer Verteidigungsdoktrin, die Verhinderung eines Krieges, gerichtet. Die 1600 Kilometer DDR-Staatsgrenze zur NATO, davon 161 Kilometer zum NATO-Stützpunkt Westberlin, hätte im Falle einer militärischen Auseinandersetzung bedeutet, dass das Territorium beider deutschen Staaten sofort Frontgebiet mit verheerenden Folgen geworden wäre. Angesichts der größten Konzentration von Truppenkontingenten, die auf beiden Seiten mit modernsten Waffensystemen, einschließlich atomarer Raketen und Gefechtsfeldwaffen ausgerüstet waren, galt für die DDR die unverrückbare Staatsdoktrin: "Von deutschem Boden darf nie mehr ein Krieg ausgehen!"
 
Beseitigung der DDR das strategische Ziel
 
Die Tatsache, dass in den Jahren des Kalten Krieges die militärisch gesicherte Staatsgrenze der DDR bis 1989 maßgeblich dazu beitrug, einen heißen Krieg abzuwenden, ist für die Verfasser des "Gesamtkonzept Erinnerung an die Berliner Mauer“ und die heute Regierenden lediglich kommunistische Propaganda. Auch die DDR hatte ein Sicherheitsbedürfnis und der Bevölkerung gegenüber die Pflicht, gegnerische militärische Überraschungsschläge durch entsprechende Maßnahmen auszuschließen, zumal die Bedrohungslage für die DDR real war. Am 9. Juli 1961, also wenige Wochen vor den Grenzsicherungsmaßnahmen .in Berlin, verlangte die Bonner Rundschau, der Westen müsse in der Lage sein, „alle Mittel des Krieges, des Nervenkrieges, des Schießkrieges anzuwenden. Dazu gehören nicht nur herkömmliche Streitkräfte und Rüstungen, sondern auch die Unterwühlung, das Anheizen des inneren Widerstandes, die Arbeit im Untergrund, die Zersetzung der Ordnung, die Sabotage, die Störung von Verkehr und Wirtschaft, der Ungehorsam, der Aufruhr“.
 
Ungeachtet der Entspannungspolitik der 1970er Jahre und der in dieser Zeit geschlossenen Verträge (Vierseitiges Abkommen über Westberlin, KSZE-Schlussdokument, „Ostverträge“ Transit-, Verkehrs- und Grundlagenvertrag zwischen beiden deutschen Staaten) sowie der sich daraus ergebenden temporären Verbesserungen in den Beziehungen, blieb die Beseitigung der DDR das strategische Ziel Bonns und seiner überseeischen und kontinentalen imperialen Stützen.
 
Angela Merkels "Kaffeekränzchen"
 
Es gehört zum Geschichtsverständnis der heute Regierenden, dass sie die historischen Hintergründe der Umwandlung der Demarkationslinie in eine Staatsgrenze der DDR im Sinne des Völkerrechts, der Maßnahmen des 13. August 1961 und die Verantwortung der Adenauer-Regierung für die krisenhafte Entwicklung vor dem Mauerbau sowie die akute Gefahr eines Hinübergleitens des kalten in einen heißen Krieg zu Beginn der 60er Jahre wohlweislich verschweigen. Und dass ihr Geschichtsrevisionismus von den einflussreichen Damen von Angela Merkels "Kaffeekränzchen", Friede Springer und Liz Mohn (Bertelsmann), geteilt und mit ihren in die Hunderte gehende Zeitungen und Zeitschriften Tag für Tag verbreitet wird, ist längst kein Geheimnis mehr. Seit zwei Jahrzehnten erleben wir eine raffinierte antisozialistische Propaganda größten Ausmaßes: 53 Fernsehsender, 245 Rundfunkstationen sowie 9412 Zeitungen und Zeitschriften vermitteln den Bundesbürgern rund um die Uhr Ideologie und Meinungen der Herrschenden.
 

Egon Bahr, ehemaliger Staatssekretär
im Bundeskanzleramt
Bild: Deutschlandradio / Bettina Straub
Wie wenig die mit der Delegitimierung der DDR beauftragte politische Justiz an historischen Gegebenheiten und damit an der Wahrheitsfindung interessiert war, zeigte sich auch daran, dass sie die bestimmende Rolle der sowjetischen Regierung und der Staaten des Warschauer Vertrages für die Grenze zwischen beiden deutschen Staaten sowie das an ihr herrschende Regime quasi ausgeklammert haben. Obwohl auch kompetente westdeutsche Zeitzeugen wie Prof. Egon Bahr, ehemaliger Staatssekretär im Bundeskanzleramt und Chefunterhändler der BRD für den Grundlagenvertrag zwischen beiden deutschen Staaten, und Dr. Hans-Otto Bräutigam, ehemaliger Botschafter der BRD bei den Vereinten Nationen und Ständiger Vertreter der BRD bei der Regierung der DDR-Regierung, als Zeugen in Prozessen im Zusammenhang mit dem Grenzregime der DDR erklärten, dass die DDR in Grenzfragen keine eigene Handlungsfreiheit und folglich auch keine Möglichkeit hatte, wichtige Veränderungen am Grenzregime vorzunehmen, weigerten sich Bundesregierung und Justiz hartnäckig, diesen und anderen aufklärenden Aussagen Gehör zu schenken. Als Zeuge im Politbüroprozess erklärte Egon Bahr: Diese Grenze und das an ihr herrschende Regime seien eine Frage von Krieg oder Frieden gewesen. Kein Politbürobeschluss hätte daran etwas ändern können. Schließlich meinte er: Wenn diese Art Grenzsicherung völkerrechtswidrig ist, dann müsse man „die ehemalige Sowjetunion an den Kanthaken nehmen".
 
Es war nicht verwunderlich und überdies außerordentlich aufschlussreich, dass die Staatsanwaltschaft gegen die Zeugenvernehmung dieses kompetenten Ostexperten und profunden Kenners der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten im Kalten Krieg war. Abgesehen davon, dass sich die "ehemalige Sowjetunion" von der bundesdeutschen Justiz nicht an den Kanthaken nehmen lassen und derartige Versuche mit einem müden Lächeln beantworten würde, spielten hier offensichtlich "höhere Interessen", auch wirtschaftlicher Art, eine Rolle, von den engen freundschaftlichen Beziehungen zwischen "Helmut" und "Michael" gar nicht zu reden. Um wie viel einfacher war es dagegen, ehemalige führende Politiker und Militärs der unterlegenen DDR und weiter bis hinunter ans Ende der Befehlskette zum einfachen Grenzsoldaten in spektakulären Prozessen vor Gericht zu stellen, zu demütigen und einzusperren, die sich nicht auf den Vertrauensschutz ihres nicht mehr existierenden Staates berufen durften.
 
Telefonat zwischen Nikita Chrustschow und Walter Ulbricht
 
Die Herrschenden der Alt-BRD waren 1990 fest entschlossen, anzuklagen und zu verurteilen sowie gegen Hunderttausende Berufsverbot zu verhängen und sich durch nichts und niemanden davon abhalten zu lassen. Wie wollte man die DDR als "Unrechtsstaat" an den Pranger stellen, wenn man schließlich doch hätte eingestehen müssen, dass die Verantwortlichen für Mauerbau und Grenzregime nicht in Berlin, sondern im Kreml saßen? Doch die Wahrheit ist bekanntlich ein hartnäckig Ding. Früher oder später holt sie diejenigen, die sie zu vergewaltigen versuchen, wieder ein - zumeist in einem für sie unpassenden Augenblick. Ausgerechnet inmitten der aufwändigen politischen und medialen Vorbereitung des 20. Jahrestages des "Mauerfalls" passierte den "Aufarbeitern" von DDR-Geschichte folgende Peinlichkeit: Beim Geschichtsforum 1989/2009 an der Berliner Humboldt-Universität am Wochenende 31.5. / 1.6.2009 machte Dr. Mathias Uhl vom Deutschen Historischen Institut in Moskau das von ihm kurz zuvor im Moskauer Staatsarchiv für Zeitgeschichte entdeckte 20-seitige Wortprotokoll eines langen Telefonats am 1. August 1961 zwischen Nikita Chrustschow und Walter Ulbricht öffentlich, das nach seinen Worten die Rolle der Sowjetunion vor und während des Mauerbaus in neuem Licht erscheinen lässt. Daraus geht nämlich hervor, dass Moskau den Mauerbau befohlen hatte. Chrustschow bekräftigte laut Dr. Mathias Uhl seinen Plan, „einen eisernen Ring um Berlin" zu legen und „diktierte Ulbricht schon, wie das alles ablaufen soll". „Wenn die Grenze geschlossen wird, werden Amerikaner und Westdeutsche zufrieden sein", erklärte Chrustschow. (Dr.Mathias Uhl, Moskau befahl den Mauerbau, Ostsee-Zeitung, Rostock, 2.Juli 2009)
 

Walter Ulbricht - folgte dem Befehl aus 
Moskau
Dass dieser für die Bewertung der Vorgänge um den 13. August 1961 und damit für die Rechtswidrigkeit der von den Gerichten wegen angeblicher persönlicher Verantwortlichkeit von Mitgliedern der politischen und militärischen Führung der DDR für den Mauerbau, das Grenzregime und seine tragischen Folgen geführten vielen Prozesse und verhängten Urteile bedeutungsvolle Sachverhalt von Bundesregierung und Massenmedien bis heute unbeachtet geblieben ist, zeigt, wie groß ihr Interesse ist, wichtige historische Vorgänge und die Haltlosigkeit politisch motivierter Anschuldigungen und Unterstellungen gegenüber der DDR unter dem Deckel zu halten. Wer heute den Bau der Mauer allein der DDR-Führung anlastet, handelt entweder aus Unkenntnis, scheinheilig oder bösartig. Er weiß nicht oder will nicht zugeben, dass die drei Westmächte die Geschehnisse am 13. August 1961 in Berlin mit einem „Seufzer der Erleichterung“ (Sebastian Haffner) zur Kenntnis nahmen, die Aktion der DDR als eine Entspannungsmaßnahme im Ost-West-Verhältnis und als einen Schritt zur Stabilisierung des europäischen Status quo werteten, weil sie die der immer brisanter werdenden Berlinkrise innewohnende Kriegsgefahr bannte. Der will auch nicht eingestehen, dass die der „roll back“-Doktrin verpflichtete Deutschlandpolitik der NATO damit eine empfindliche Niederlage erlitt und „an diesem Tage die alte Adenauersche Wiedervereinigungspolitik monumental scheiterte“, wie Walter Stützle 1973 in seiner Fallstudie Kennedy und Adenauer in der Berlin-Krise 1961-1962 schrieb.
 
Warum Adenauer nicht nach Berlin fahren wollte
 
Übrigens verstand auch der ehemalige Innenminister und spätere Bundespräsident Gustav Heinemann die Maßnahmen vom 13. August 1961 als Ergebnis der „verfehlten Deutschlandpolitik“ Adenauers. Dieser nahm den Mauerbau gelassen hin. Am 16. August 1961, also drei Tage nach dem Mauerbau, unterschrieb er ein vom sowjetischen Botschafter Smirnow vorgelegtes pflaumenweiches Kommunique. Von „heller Empörung“ Adenauers gegen eine Abschnürung der Stadt, war in seinem Gespräch mit Smirnow kein Wort zu hören, im Gegenteil, er bezeichnete den Mauerbau lediglich als „lästige und unangenehme Sache, die über das Nötige hochgespielt worden ist“. Er „wäre der sowjetischen Regierung dankbar, wenn sie da etwas mildern könnte“. (Rudolf Augstein, „Powerplay“ im rheinischen Bonn, in: Der Spiegel 41/91, S.99) Das erklärt wohl auch, warum Adenauer nicht nach Berlin fahren wollte. Was hätte er den Menschen in der Stadt sagen sollen, wenn er und seine Regierung die Dinge so sahen?
 
Selbst der einflussreiche Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des US-Senats, Fulbright erklärte, die „Ostdeutschen haben alles Recht, ihre Grenze zu West-Berlin zu schließen“ (zitiert nach: Gerhard Kleiderling, "Berlinkrise und Mauerbau", in: "Brüche, Krisen, Wendepunkte"). Es ist verständlich, dass die bundesdeutsche Geschichtsschreibung sich davor hütet, allen diesen ihr unbequemen Sachverhalten den ihnen zukommenden Platz einzuräumen. Verständlich auch, dass sie es vermeidet, sowohl die internationale Entwicklung im Rahmen der Systemauseinandersetzung bis zum 13. August 1961 als auch die destruktive Deutschland- und Berlinpolitik der Adenauer-Regierung in direkte Beziehung zum Mauerbau zu bringen. Das aber ist unerlässlich, wenn deutsche Geschichte wahrheitsgemäß aufgearbeitet und dabei auch die Sicherung der Grenze der DDR zu Westberlin historisch richtig eingeordnet werden soll.
 
Die DDR für "nicht existent" erklärt
 
Eine allein aktuellen politischen Interessen dienende Darstellung der Entwicklung in der Welt und in Deutschland bis zum 13. August 1961, die auf die Vergesslichkeit der Menschen baut und davon ausgeht, dass die jüngeren Generationen diese Geschehnisse aus eigenem Erleben nicht kennen, wird sich dauerhaft nicht aufrechterhalten lassen. Vergessen wir das Alles zweiundzwanzig Jahre nach der Grenzöffnung der DDR nicht. Vergessen wir auch folgendes nicht: Als die Mauer errichtet wurde, waren im Klima des Kalten Krieges schon fast zwei Jahrzehnte lang beiderseits des Eisernen Vorhanges sehr ernst zu nehmende feindliche Klischees gediehen mit allen ihren Folgen für die Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten und für ihre Bürger. Dafür trägt auch der stramme Antikommunismus westdeutscher Regierungspolitik eine große Mitverantwortung. Provokateure, die von West nach Ost gingen, überschritten höhnisch lächelnd die Grenzen der DDR, die der damalige christdemokratische Bundeskanzler noch 1967 mit einem Phänomen verglich, einem Luftgebilde, das die Bonner Alleinvertreter in ihrer überheblichen Art für nicht existent erklärten.
 
Wenn auf diese wohl unumstrittenen historischen Sachverhalte hingewiesen wird, dann nicht deshalb, um den Bau der Mauer nachträglich moralisch rechtfertigen zu wollen, sondern um die Kriegsgefahr, den weltpolitischen und nationalen Hintergrund der damaligen Situation, aber auch die Stimmungslage in breiten Kreisen der DDR-Bevölkerung deutlich zu machen. Und dass es zu einer solchen Situation und Stimmung kommen konnte, war nicht die alleinige Schuld der DDR-Oberen, wie das heute Politik und Medien den Menschen gern einreden möchten. Wenn auch die einseitige Abschottung des Ostens viel aussagt über dessen selbstvermutete Schwäche zu unterliegen, so war er keinesfalls allein verantwortlich für das vergiftete Klima, ebenso wenig wie die Mauer der Beginn der Teilung Deutschlands war. Die eigentliche Ursache für die Spaltung Deutschlands ist im Beginn der Hitler-Diktatur zu suchen. Im engeren Sinne gesehen, ist die Spaltung dann eine Folge des Kalten Krieges geworden. Die Schuld kann man weder allein dem Westen noch allein dem Osten geben. Die faktische Teilung Deutschlands im Jahr 1949 war nicht das Ziel oder Ergebnis einzelner Schritte des Ostens bzw. des Westens. Sie war quasi das zwangsläufige Ergebnis der Maßnahmen beider Seiten. Das gilt auch für die Berliner Mauer! Die emotionslose Annäherung an diese Fragen der Geschichte wird wohl erst gelingen, wenn sie tagespolitisch bedeutungslos sind.
 
Abrechnung der "Sieger“ mit den Besiegten
 
Seit dem Anschluss der DDR an die BRD findet in Deutschland unter missbräuchlicher Berufung auf eine freiheitlich-demokratische Grundordnung und den Rechtsstaat eine in der jüngeren deutschen Geschichte beispiellose Abrechnung der "Sieger“ mit den Besiegten, mit der DDR, ihren Organen und Amtsträgern sowie vielen verfassungs- und gesetzestreuen Bürgern statt. Diese Abrechnung reicht von der politischen und menschlichen Diskriminierung über die berufliche Ausgrenzung, die Verdrängung aus redlich erworbenen Vermögensrechten bis hin zur politischen Strafverfolgung, von den vielfachen Methoden der Demütigung ganz zu schweigen. Mit der Kriminalisierung der von politischer Strafverfolgung Betroffenen soll der "Beweis“ erbracht werden, dass die DDR ein "Unrechtsstaat“ war,
 
Die Richtung hierfür wies schon das "Erste Forum des Bundesministers der Justiz“ am 9. Juli 1991 in Bonn. Dem offiziellen Protokoll zufolge wurde dort erklärt: „Was (...) die so genannte DDR und deren Regierung betrifft, so handelt es sich dort nicht einmal um einen eigenständigen Staat: diese sogenannte DDR ist niemals von uns staatsrechtlich anerkannt worden. Es gab ein einheitliches Deutschland, von dem ein gewisser Teil von einer Verbrecherbande besetzt war. Es war aus bestimmten Gründen nicht möglich, gegen diese Verbrecherbande vorzugehen, aber das ändert nichts daran, dass es ein einheitliches Deutschland war, dass selbstverständlich ein einheitliches deutsches Recht dort galt und auf die Verbrecher wartete (...)“ An dieser Abrechnung beteiligten sich Politiker, Parteien, Organisationen, Ämter und Behörden. Eine besonders willfährige Rolle bei der Verfolgungsjagd spielten die Konzern-Medien. Auch die Justiz folgte der politischen Aufgabenstellung und leistete gehorsam ihren speziellen Beitrag.
 

Vorzeige-"Historiker“ Hubertus Knabe
Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch "Experten“ vom Schlage des Vorzeige- "Historikers“ Hubertus Knabe, Leiter der "Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen“ und bestimmte Autoren, die meinen, sie hätten die Deutungshoheit über die Geschichte der DDR und das Leben ihrer Bürger. Alle anderen hätten den Mund zu halten, wobei sie Kritiker ihrer Sicht gern als „ewig Gestrige“, „Betonköpfe“ und „(N)ostalgiker" bezeichnen. Diesem Klüngel geht es nicht um eine seriöse Geschichtsbetrachtung, sondern darum, die DDR zu diffamieren und sie für alle Zeit zu verteufeln. Bevorzugtes Ziel ihres Wirkens sind das Grenzregime der DDR und die Opfer des kalten Krieges, die allein der DDR angelas- tet werden. Dabei verlieren sie kein Wort über historische Hintergründe, das internationale Geschehen während der einzelnen Etappen des kalten Krieges und über das Verhältnis zwischen beiden deutschen Staaten. In ihren Auslassungen ist auch keine Rede von den von westlicher Seite zu verantwortenden politischen, geheimdienstlichen und militärischen Fakten sowie von den jahrelangen gezielten Provokationen an der Staatsgrenze, die maßgeblich das Grenzregime der DDR mitbestimmten. Auf diese Weise soll unter krasser Verletzung des Völkerrechts, des Grundgesetzes, des Einigungsvertrages, fundamentaler Prinzipien des Rechts, insbesondere des Verbots seiner rückwirkenden Anwendung und Verjährung von Straftaten, Vergeltung dafür geübt werden, dass die DDR trotz einer Reihe von Defiziten
-weltweit anerkannt und geachtet war,
-den Versuch unternommen hat, eine sozialistische Alternative zur  kapitalistischen BRD zu finden,
-durch ihre Existenz den Herrschaftsbereich des deutschen Imperialismus und Militarismus über Jahrzehnte eingeschränkt und
-für die Bürger weitgehend soziale Sicherheit und Geborgenheit als wichtigen Bestandteil der Menschenrechte geschaffen hatte.
 

Johannes Rau „Wenn nur die Sieger
Geschichte schreiben…"
Entsprechend diesen politischen Absichten und Vorgaben hatte die eigens zu diesem Zweck geschaf- fene Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages unter Vorsitz von Rainer Eppelmann die Beweisführung für die Notwen-digkeit der politischen Strafverfol- gung zu liefern. Mit der Bestäti- gung des von ihr vorgelegten Berichtes durch die Mehrheit des Bundestages und der Aufforde- rung, die Politik der Diskrimini- erung und politischen Strafverfol- gung in Ostdeutschland fortzuset- zen, hatte die Siegerjustiz auch ihre parlamentarische Weihe erhalten. Seitdem sind zwei Jahrzehnte vergangen, ohne dass die Bemühungen des Staates, der Massenmedien und der DDR-feindlichen "Experten“ und "Historiker“, die DDR als „Unrechtsstaat“ zu diskriminieren, an Intensität nachgelassen hätten. Im Gegenteil, der Verlauf der Gedenkjahre 2009 und 2010 zeigt, dass die Hetze und Verleumdung umso mehr an Schärfe und Breite zunehmen, je offensichtlicher sich die Politik der Bundesregierung als verfehlt und perspektivlos erweist. Daraus ergibt sich für an historischer Wahrheit interessierte Zeitzeugen die Verpflichtung, den bösartigen Unterstellungen und lügenhaften Behauptungen bestimmter Leute, deren Kenntnisse und Erkenntnisse in aller Regel auf Hörensagen beruhen, ihr persönlich erlebtes Zeitzeugnis entgegen zu stellen, selbst im Wissen, dass sich die bürgerlichen Medien erfahrungsgemäß nicht dafür interessieren, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Der Autor des "Sachsenspiegels“, Eike von Repgow, wusste schon, wovon er sprach, als er um das Jahr 1225 zu bedenken gab: „Eenes Mannes rede ist keenes Mannes rede, man muss hören beede.“ Auch dem ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau ist zuzustimmen, der am 10. März 2000 erklärte: „Wenn nur die Sieger Geschichte schreiben, dann widerfährt den Verlierern selten Gerechtigkeit.“ (PK)
 
Kapitel 2 folgt in der nächsten Ausgabe


Online-Flyer Nr. 309  vom 06.07.2011

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