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Globales
Obama, der Finanzkrieg der USA und das Gold des Libyschen Dinars
Gründe zur Beseitigung von Strauss-Kahn
Von Thierry Meyssan

Man kann den Sturz von Dominique Strauss-Kahn nicht verstehen, ohne ihn im Zusammenhang mit dem Projekt zu erörtern, eine neue internationale Reservewährung zu schaffen, was für den 26. Mai 2011 vorgesehen war. Ein Projekt, das paradoxerweise von den aufkommenden Staaten sowie von der heimatlosen Finanz erwartet, aber vom israelisch-nordamerikanischen, militär-industriellen Komplex abgelehnt war. Thierry Meyssan, Gründer des Voltaire-Netzwerks, lüftet den Schleier der Tücke der Obama-Regierung um ihre Verpflichtungen nicht einzuhalten.
 

Time Magazine zu Dominique Strauss-Kahn
Die Franzosen haben mit Bestürzung die Verhaftung der bei ihnen populärsten politischen Figur, Dominique Strauss-Kahn, in den USA miterlebt. Ehemaliger französischer Wirtschafts-minister, wurde er der bestbezahlte Spitzenbeamte der Welt (Jahresgrundgehalt, ohne Prämien und Spesen: 461.510 USD) und bereitete sich vor, so hieß es, den Präsidentenposten der Republik anzustreben. Diese herzlich warme Persönlichkeit, bekannt für ihren Appetit für Tisch und Bett, manchmal angeprangert, Politik mit Dilettantismus zu betreiben, weil sie liebt, sich für den Lebensgenuss Zeit zu nehmen, steht sie jetzt unter Anklage, ein Manhatten-Hotelstubenmädchen in großer Hast vergewaltigt zu haben.
 
Sechs Tage lang sitzen die Franzosen vor ihren TV-Schirmen festgenagelt, und folgen wie betäubt der juridischen Hartnäckigkeit gegen einen Mann, den sie gewohnt waren als eine mögliche Zuflucht nach dem katastrophalen fünfjährigen Präsidium von Nicolas Sarkozy anzusehen. Sein Absturz war auch das Ende ihrer Illusionen.
 
Das Schauspiel dieses gebrochenen Schicksals hat etwas von der antiken Tragödie. Das lateinische Sprichwort «Arx tarpeia Capitoli proxima» kommt Einem auf die Lippen: der Tarpeiafelsen, wo man zu Tode Verurteilte in die Leere stürzte, war dem Kapitol so nahe, symbolischer Ort von Macht und Ehre.
 
Ganz unabhängig von jeglicher Betrachtung seiner Schuldlosigkeit oder seiner Schuld, eine solche Zerquetschung einer hohen Persönlichkeit kann dem einfachen Staatsbürger nur Angst einhauchen: wenn so jemand sich ja nicht einmal verteidigen kann, wie könnten wir dann hoffen es zustande zu bringen im Falle einer derartigen Anklage?
 
Aufstieg und Untergang
 
Da jedoch die Franzosen ein politisiertes Volk sind, von Machiavellis Lehren imprägniert ohne ihn jemals gelesen zu haben, haben sie nicht gezögert, sich über die Wahrheit der gegen DSK vorgebrachten Anklage Fragen zu stellen. 57% von ihnen, nach einer Umfrage, haben nicht an diese, von den US-Medien mit Genuss verbreitete Brunstgeschichte geglaubt. Die einen haben alle möglichen Manipulations-Drehbücher erdacht, während die anderen sich fragten: «Cui bono?» (Wem kommt das Verbrechen zugute?).
 
In solch einem Spiel ist der erste Name der einem einfällt, der von Nicolas Sarkozy. Wie sollte man verhindern, daran zu denken, wenn man sich erinnert dass er Präsident geworden ist, indem er seinen Hauptrivalen, Dominique de Villepin, angeklagt hat, ihn in eine abenteuerliche Geschichte mit falschen Dokumenten verwickelt zu haben? Also, warum nicht ein neues Komplott um einen neuen Wettstreiter zu beseitigen?
 
Ganz gleichgültig ob die beiden Männer jeweils den anderen brauchten, um die kommenden internationalen Spitzenkonferenzen vorzubereiten, oder dass sie beide in Abhängigkeit ihres US-Lehnsherrn stehen. Man weiß ja, dass die ärgsten Verbrechen das Blut der Freunde oder besser der Verwandten fordern.
 
Im Übrigen wissen die Franzosen nichts von DSK’s [1] Verbindungen, genau so wie sie nichts wussten von denselben von Nicolas Sarkozy, als sie ihn gewählt haben. [2] Niemals hatte die Presse sie informiert, dass DSK in den neunziger Jahren, während seines vorübergehenden Verschwindens von der politischen Bildfläche, als Professor auf der Universität Stanford von einer gewissen Condolezza Rice eingestellt wurde. Sie wissen auch nicht, dass er und seine Leutnants Pierre Moscovici und Jean-Chrisophe Cambadélis mit der Finanzierung der Sozialistischen Partei, und der Stiftung Jean-Jaurès durch das National Endowment for Democracy (NED) - Aushängeschild der CIA [3] - beschäftigt waren. Sie haben auch nicht den zahlreichen Arbeiten und Kontrakten mit atlantischen Think-tanks wie dem German Marshall Fund of the United States [4] oder der Bilderberg-Gruppe [5] nachgeforscht. Letztlich wissen sie nichts von DSK’s Einsatz für Frankreichs und Europas Integration in einem grossen transatlantischen, von den Vereinigten Staaten beherrschten Markt.
 
Die Franzosen wissen auch nicht mehr über seine engen Bindungen an Israel. Er leitet innerhalb der Sozialistischen Partei den Léon-Blum Kreis, benannt nach dem Namen eines ehemaligen jüdischen Premierministers. Diese diskrete und mächtige Lobby wacht darüber, jedes Individuum, das das zionistische Projekt anfechten könnte, von der politischen Bilderbühne zu entfernen. So lässt es auch Köpfe rollen, wie den des Politologen Pascal Boniface, der der Unterstützung Tel-Avivs, in einem Land, dessen Bevölkerung 10% arabische Kultur besitzt, im Wahlkampf einen kontraproduktiven Charakter verleiht. DSK macht kein Hehl daraus. Er erklärt ohne Umschweife: «Ich finde, dass jeder Jude der Diaspora und Frankreichs seine Hilfe Israel bringen soll. Das ist auch der Grund, warum es wichtig ist, dass die Juden politische Verantwortung übernehmen sollen. Allgemein gesagt, sei es in meinem Beruf, in meinem Alltag, sei es im Ganzen aller meiner Handlungen, versuche ich meinen bescheidenen Stein zur Konstruktion Israels beizutragen.» Eigentümlich für jemanden, der den französischen Präsidentenposten anstrebt. Wie auch immer, er ist doch so frohsinnig. Dennoch ist Dominique Strauss-Kahn und jenen, die ihn lieben, nichts erspart geblieben: während er in Polizeigewahrsam gesetzt war, dann in Untersuchungshaft, ohne jede Möglichkeit sich auszusprechen, ließ der Staatsanwalt von New York eine detaillierte Anklageschrift an die Medien verteilen.
 
Dort kann man die kalte, klinische Beschreibung des angelasteten Verbrechens lesen. «Der Angeklagte hat versucht, mit Gewalt ein anales und orales Geschlechtsverhältnis mit einem Dritten zu haben; der Angeklagte hat mit Gewalt versucht vaginale Geschlechtsverhältnisse mit einem Dritten zu haben; der Angeklagte hat einem Dritten einen sexuellen Kontakt aufgezwungen; der Angeklagte hat einen Dritten der Freiheit beraubt; der Angeklagte hat einen Dritten zu einem sexuellen Kontakt ohne seine Zustimmung gezwungen; der Angeklagte hat in vorsätzlicher Weise und ohne berechtigten Grund die Geschlechtsteile und andere persönliche Teile eines Dritten berührt mit dem Ziel, diese Person zu erniedrigen und sie zu missbrauchen, und mit dem Ziel die sexuelle Lust des Angeklagten zu befriedigen.
Diese Straftaten sind unter folgenden Umständen begangen worden: der Unterzeichnete erklärt durch eine, dem Bureau des Staatsanwaltes bekannte Person informiert worden zu sein, dass der Angeklagte 1) die Zimmertür geschlossen hat und die Klägerin daran gehindert hat das Zimmer zu verlassen; 2) die Brust der Klägerin ohne ihre Zustimmung ergriffen hat; 3) versucht hat die Strumpfhose dieser Person mit Gewalt herunterzuziehen und ihre Geschlechtsteile mit Gewalt zu berühren; 4) den Mund der Klägerin gezwungen hat seinen Penis zweimal zu berühren; 5) um diese Handlungen ausüben zu können, seine physische Kraft benützte.»
 
All dies während der Abendnachrichten breit aufgetischt, mit allen Einzelheiten, unter den weit offenen Augen der von der Arbeit heimkommenden Eltern und vor den verwirrten Kindern, die ihre Nase in den Suppenteller senkten.
 
Der Kulturzusammenstoss
 
Man weiss nicht, wer am meisten verletzt ist: der brillante Wirtschaftsfachmann, der die Menschheit aus der Finanzkrise retten sollte und sich plötzlich in einen schändlichen Verbrecher verwandelt hat, oder das Volk, das auf Ruhe aus war und erwog, ihn als Chef zu wählen, und sich nun gezwungen sieht, nochmal die Macht der Vereinigten Staaten zur Kenntnis zu nehmen.
 
In dieser Hinsicht suchen die Franzosen im angelsächsischen Rechtssystem, das sie entdecken, Entschuldigungen. Sicher hatten sie schon eine solche Justizparodie im Fernsehen gesehen, aber sie hatten niemals geglaubt, dass es sie in der Realität gäbe. Und über das aussergesetzliche System, über Guantanamo und geheime Gefängnisse wollten sie ja nichts wissen. Einige Kommentatoren haben versucht, die Härte der Polizei und des ersten Richters als einen Willen zur Gleichbehandlung der Mächtigen und der Schwachen zu deuten. Sie hatten doch alle die Arbeiten berühmter Soziologen gelesen, die zeigten, dass in diesem ungerechten System das Geld der König und das Recht das einer Klasse ist.
 
Die Franzosen haben auch, ohne mit der Wimper zu zucken, die Vorwürfe der angelsächsichen Presse angenommen. Das alles sei die Schuld der französischen Presse, konnte man lesen, die dem sexuell ausgelassenen Leben von DSK nicht nachgeforscht hat, und zwar unter dem Vorwand der Wahrung des Privatlebens. Trotzdem, führen die Puritaner weiter aus, jeder, der offensichtlich Frauen verleitet, sie selbst drängt, manchmal hetzt, ist ein potentieller Vergewaltiger. Mit kleinen Dingen fängt es an, mit grossen hört es auf. Auf seinem Umschlag stellt Time Magazine DSK und jene, die ihm gleichen, als Schwein dar. Niemand hat darauf aufmerksam gemacht, dass der Angeklagte seit drei Jahren Direktor des IMF war, ohne dass sie, die so belehrende angelsächsische Presse, sein vermutliches verstecktes Lasterleben untersucht hätte.
 
Die Anklage hat den Verdacht erhoben, jeder erinnert sich - wenn auch ein bisschen spät - dass DSK 2002 versucht hatte, eine hübsche Journalistin, Tristane Banon, ähnlich zu behandeln. Als sie ihn um ein Interview fragte, hatte er sie in eine Privatwohnung eingeladen welche in dem historischen Pariser Viertel Marais liegt. Er hatte die junge Frau in einem grossen Loft empfangen, vollkommen ohne Möbel, ausser einem grossen Bett. Und als die Schöne dem Zügellosen nicht nachgab, hatte er sie geschlagen. Vielleicht hatte auch in New York dieser Trieb den galanten Mann überwältigt und zum Verbrecher gemacht?
 
Nichts lässt solch eine Vermutung zu, umso weniger, da DSK kein frustrierter Junggeselle ist. Er ist mit einem TV-star, Anne Sainclair, verheiratet, Frankreichs bevorzugte Journalistin, bis sie ihren Posten aufgegeben hat, um ihn in seiner Karriere zu begleiten. Die Franzosen haben sie im Gericht wiedergefunden, als Dominique Strauss-Kahn dort erschien, immer noch so hübsch und willensstark, trotz einiger Jahre mehr. Als Enkelin eines grossen Kunsthändlers verfügt sie über ein kokettes Familienvermögen. Ohne Zaudern ist sie aus Paris gekommen, um ein Million Dollar Kaution zu zahlen und fünf Millionen weitere als Bankgarantie vorzuschiessen. In diesem Augenblick war diese Geldfrau bereit, alles zu riskieren, um ihren Mann den Klauen der erdrückenden US-Justiz zu entreissen. Sie war nur umso bewunderswerter und machte ihm keinen Vorwurf für seine Torheit – sie, die es liebte, ihn sogar in die «Chandelle», einen Pariser Echangierclub, zu begleiten.
 

Anne Sainclair und Dominique Strauss-Kahn
In keiner würdigen Nation hätte man geduldet, eine Persönlichkeit, von der man vermutete, sie sollte als Staatspräsident gewählt werden um das Land zu verkörpern, mit Handschellen zwischen FBI-Schergen vorzuführen, wie ein Ganove auf die Hinterbank eines Wagens geschmissen, ohne Möglichkeit sich vorher zu rasieren, ihn vor Gericht zur Schau preiszugeben. Man hätte wahrscheinlich die US-Botschaft belagert und patriotische Hymnen gesungen. Nicht so in Frankreich. Man bewundert die «Amerikaner» viel zu sehr. Man betrachtet sie wie das von der Kobraschlange hypnotisierte Kaninchen. Und man tut sich schwer, zu erkennen, dass man nicht mehr das Zentrum der Welt ist, das sich im Falle eines Komplotts nicht ans Seine-Ufer geschmiedet hat sondern an die Ufer des Potomac.
 
Die Freiheitsberaubung
 
DSK ist einer Vergewaltigung schuldig oder Opfer eines Ränkelspiels. Es genügt, ein wenig nachzudenken, um auf diese Frage zu antworten.
 
Der Angeklagte hätte die Nacht in Gesellschaft eines Call-girls verbracht. Dann hätte er das Stubenmädchen beim morgendlichen Brunch vergewaltigt und sei dann gemütlich mit seiner Tochter, einer Columbia-Universitätsstudentin, Mittagessen gegangen. Letztlich hätte er sein mehrere Tage vorher gebuchtes Flugzeug genommen um Kanzlerin Angela Merkel in Berlin zu treffen. Gemütlich im Air-France-Flugzeug sitzend wäre er zehn Minuten vor Abflug verhaftet worden.
 
Nach Aussagen des Flugpersonals hätten die Polizisten der Spezialeinheit für Opfer (jene des Feuilletons Law & Order: Special Victims Unit) nicht ihre Kollegen vom Flughafen gebeten, die Verhaftung vorzunehmen, sondern darauf bestanden, sie selber zu vollziehen - trotz der Gefahr zu spät zu kommen. Um zu verhindern, dass DSK gewarnt würde, haben sie jedoch um eine Handystörung in der Flugplatzzone während der nötigen Anfahrtszeit angefragt [6]. Doch fällt eine solche Funkstörung nicht in die Befugnis ihres Dezernats. Sie ist Sache der nationalen Sicherheit.
 
Als der Verdächtigte in Polizeigewahrsam gebracht war, wurde ihm jeglicher Kontakt mit der Aussenwelt versagt, ausser mit seinen Anwälten, in Übereinstimmung mit dem US-Recht. Als aber Richterin Melissa Jackson ihn in Untersuchungshaft gesetzt hatte, blieb er von der Aussenwelt abgeschnitten. Ohne Grund. Die Haft, hatte man erklärt, wäre notwendig weil der Angeklagte nach Frankreich fliehen könnte, einem Land, mit dem Washington kein Auslieferungsabkommen hat, und das einen anderen, für Vergewaltigung Angeklagten, den Filmemacher Roman Polanski auch geschützt habe. Dieser Beschluss ist nicht gefallen um den Angeklagten zu isolieren und zu hindern Zeugen zu beeinflussen. Jedoch hatte der Richterin beschlossen, ihn auf Rikers Island einzusperren, eines der grössten Gefängnisse der Welt mit 14.000 Inhaftierten und eines der dunkelsten. Die Hölle auf Erden. «Für seinen Schutz» hatte man ihm eine Privatzelle unter strenger Isolierung zugestanden.
 
Alles in Allem, war der IMF-Generaldirektor 10 Tagen eingesperrt. Während 10 Tagen wurde der Lauf der internationalen Institution aus Mangel an Zeichnungsberechtigung gestoppt. Während 10 Tagen waren die Probleme des Euros und des Dollars, der Konkurs Griechenlands und viele andere Themen dem guten Willen der Polizisten, der Richter und der Gefängnisaufseher ausgeliefert.
 
Nach der Jurisprudenz der Vereinigten Staaten hätte DSK, der keine gerichtliche Vergangenheit hat und der in Washington wohnt, nicht in Untersuchungshaft gesetzt werden dürfen, sondern Freiheit unter Kaution bekommen müssen. Er hat wahrscheinlich die Situation schnell durchschaut. Durch Vermittlung eines seiner Anwälte hat er es geschafft, dem IMF seinen Kündigungsbrief zu schicken. Schon am nächsten Morgen, wider allen Erwartens, erfüllte ein neuer Richter seine Anfrage auf bewachte Freiheit. Es war tatsächlich nicht mehr nötig, ihn in Haft zu halten, da der IMF seine Handlungsfähigkeit zurückgefunden hatte.
 
Nach einer beruflichen Karriere in den Vereinigten Staaten, wo sie die Interessen des militärisch-industriellen Komplexes verteidigt hat, wurde Christine Lagarde [7], heute französiche Wirtschaftsministerin, gebeten, dem Beschuldigten in der Direktion des IMF nachzufolgen - trotz aller gellenden Schreie Russlands und Chinas.
 
Übrigens ist sein zweiter Anwalt, Benjamin Brafman, nicht zu DSK ins Gefängnis gekommen und war auch nicht bei der zweiten Verhandlung anwesend. Der Staranwalt aus New York ist überhastet nach Israel gereist. Offiziell, um ein religiöses Familienfest zu feiern [8]. Aber um ein Honorar einzufordern hat Mr. Brafman sich nicht begnügt die Feuer von Lag Ba’omer anzuzünden, sondern er hat um Hilfe für einen Kunden verhandeln müssen.
 
Das Projekt von Zhou Xiaochuan
 
Warum also Hollywood-Mittel entfalten und den IMF während 10 Tagen blockieren? Zwei Antworten sind möglich, und sie sind vielleicht miteinander verbunden.
 

Zhou Xiaochuan - Direktor der
chinesischen Zentralbank
Erstens hatte der Direktor der chinesischen Zentralbank, Zhou Xiaochuan, am 29. März 2009 die Vorherrschaft des Dollar als Reservewährung in Frage gestellt. Da er bedauerte, dass das Projekt des Ökonomen John Maynard Keynes, eine internationale Devise (den Bancor) zu schaffen, am Ende des Zweiten Weltkrieges nicht Wirklichkeit geworden war, schlug er vor, die Speziellen Bezugsrechte (DTS) des IMF dafür zu benutzen [9].
 
Zhou hat sein letztes Wort noch nicht gesprochen
 
Um dem Druck auszuweichen, akzeptieren die Vereinigten Staaten eine Verdreifachung der Quellen des IMF und die Ausgabe von Speziellen Bezugsrechten (DTS) in der Höhe von 250 Milliarden Dollar durch ihn während des G20 Gipfeltreffens in London, am 2. April 2009. Sie akzeptieren ebenfalls das Prinzip eines Rates für die Stabilität der Finanzen, dem die wichtigen aufkommenden Staaten angehören werden.
 
Diese Idee wurde am G8-Gipfel in Aquila (Italien) am 8 Juli 2009 diskutiert. Um noch ein bisschen weiter zu gehen, schlug Russland vor, sich nicht mit einer virtuellen Devise zu begnügen, sondern sie herauszugeben. Dmitry Medevedev, der symbolischerweise Prototypen dieser Währung hat prägen lassen, legte einige Münzen auf den Verhandlungstisch. Auf der einen Seite befanden sich die Abbilder der acht Staatschefs und auf der anderen das Motto auf Englisch: «Unity in Diversity» [10].
 

Dmitry Medevedev – ließ schon Prototypen
der neuen Währung prägen
Das Projekt wird den Experten für ökonomische und soziale Angelegenheiten der UNO vorgelegt. Ihr Gutachten, an dem der Professor Vladimir Popov de la New Economic School aus Moskau mitarbeitet, wurde am 25 April 2010 während einer gemeinsamen Sitzung des IMF und der Weltbank untersucht. [11].
 
Der Verlauf sollte am 26. Mai 2011, auf dem G8-Gipfel in Deauville (Frankreich)zu einem guten Ende führen. Der Dollar hätte aufgehört, Referenzwährung zu sein, auf Grund drohender Zahlungseinstellung der Regierung der Vereinigten Staaten. Washington hätte auf die Finanzierung seiner militärischen Supermacht durch Staatsschulden verzichten müssen, um sich um die innere Restrukturierung der USA zu kümmern.

Libyscher Dinar
Quelle: http://libyen.com/
 
Der Libysche Dinar ist erste (und letzte?) Währung der Welt, die durch Gold und durch Spezialziehungsrechte (DTS) des IMF garantiert ist. Im Jahre 2000 hatte der Oberst Gaddafi daran gedacht, eine panafrikanische, auf Gold basierte Währung zu schaffen, aber er hatte es nicht geschafft diese Idee weiterzubringen. So hatte er 2009 spontan das Projekt Zhou aufgegriffen und es auf einseitige Weise in seinem Land adoptiert.
 
Das Sandkorn Libyscher Dinar
 
Leider haben während der letzten Monate dieses Prozesses, militärische und politische Initiativen diesen Plan völlig durcheinandergebracht. Gewisse Staaten - wie Russland und China - sind begaunert worden. Die Inhaftierung von DSK zeigt, dass Washington bösen Glaubens war und dass seine Zugeständnisse nur auf Zeitgewinn zielten.
 
Selbst wenn die genauen Einzelheiten dieses, von Dominique Strauss-Kahn erdachten Plans, eine neue, auf Spezialziehungsrechte im IMF basierte Reservewährung zu schaffen, geheim sind, scheint es, dass Libyen darin eine Schlüsselrolle spielte: versuchsweise war es die lybische Zentralbank, die als erste beschlossen hatte, ihre Währung, den Dinar, auf Gold und darüber hinaus auf die DTS zu indexieren. Die Sache ist umso wichtiger, da Libyen über einen der grössten Souverainfonds der Welt verfügte (er war sogar ein bisschen grösser als der von Russland).
 
Nun, mit dem Kriegseintritt gegen Libyen haben Frankreich und Grossbritannien nicht nur den Besitz der Familie Gaddafi sondern auch den des Libyschen Staates eingefroren. Schlimmer noch: Paris und London haben Kader der HSBC Bank nach Benghazi geschickt, um eine lybische Zentralbank der Aufständischen zu schaffen und zu versuchen, sich des nationalen Besitzes zu bemächtigen [12]. Ohne zu wissen, ob Nicolas Sarkozy und David Cameron sich durch ihre Macht betäuben liessen lassen oder ob sie im Auftrag Washingtons gehandelt haben: das zerbrechliche, von Dominique Strauss-Kahn erbaute Gebilde ist zu Boden gegangen.
 
Laut unseren Kontakten in Tripolis, wollte DSK im Augenblick seiner Verhaftung, nach Berlin fliegen, um eine Lösung mit Kanzlerin Angela Merkel zu finden. Er sollte danach mit einem Vertrauten von Frau Merkel mit den Stellvertretern von Oberst Gaddafi - oder mit ihm selber - verhandeln. Die Unterschrift des libyschen Führers sei unumgänglich für eine Entriegelung der Situation.
 
Man steht also vor einem Finanzkrieg von nie erlebter Grösse: da die wirtschaftliche Situation der Vereinigten Staaten taumelt und der Dollar rasch ein Affengeld werden könnte, war die im G8 beschlossene und dann im G 20 akzeptierte Übereinkunft vom IMF und der Weltbank und den internationalen Bankkreisen, deren Champion DSK war, fast in die Realität übersetzt. Nun ist sie wieder aufgehoben worden. Die Herrschaft des Dollars ist intakt, obwohl nach wie vor mehr als je künstlich – dieser Dollar, den die aufkommenden Länder relativieren wollten, auf dem jedoch der israelisch-nordamerikanische militärisch-industrielle Komplex seine Macht aufbaut. - Was gilt in diesem Zusammenhang die Würde eines Mannes? (PK)
 
Quelle: Komsomolskaïa Pravda
Übersetzung: Horst Frohlich
 
Tierry Meyssan ist Präsident und Gründer des Réseau Voltaire (http://www.voltairenet.org/) und der Konferenz Axis for Peace. Er veröffentlicht Analysen über ausländische Politik in der arabischen, latein-amerikanischen und russischen Presse. 
Der Originaltext dieses Artikels ist in der Komsomolskaïa Pravda erschienen und enthielt nicht die Fussnoten. Sie wurden von der Redaktion des Voltaire Netzwerk, um eine erleichternde Verankerung des Themas zu ermöglichen, beigefügt.
 
[1] « Dominique Strauss-Kahn, l’homme de "Condi" au FMI », von Thierry Meyssan, Réseau Voltaire, 5. Oktober 2007.
[2] « Die Operation Sarkozy : Wie die CIA einen ihrer Agenten zum Präsidenten der Republik Frankreich machte », von Thierry Meyssan, Voltaire Netzwerk, 19. Juli 2008.
[3] « La NED, vitrine légale de la CIA », von Thierry Meyssan, Réseau Voltaire, 6. Oktober 2010.
[4] « Le German Marshall Fund, un reliquat de la Guerre froide ? », Réseau Voltaire, 5. Oktober 2004.
[5] « Ce que vous ignorez sur le Groupe de Bilderberg », von Thierry Meyssan, Réseau Voltaire, 9. April 2011.
[6] « Les derniers mots de DSK avant son arrestation », von Michel Colomès, Le Point, 19. Mai 2011.
[7] « Avec Christine Lagarde, l’industrie US entre au gouvernement français », Réseau Voltaire, 22. Juni 2005.
[8] « Strauss-Kahn’s lawyer to Haaretz : Former IMF chief will be acquitted », von Chaim Levinson, Haaretz, 22. Mai 2011.
[9] « La Chine commence à s’écarter du dollar », Réseau Voltaire, 22. Mai 2009
[10] « La Russie et la Chine proposent une monnaie commune globale », Réseau Voltaire, 11. Juli 2009.
[11] « Plan de réforme du système financier international » (Auszug aus dem Bericht « World Economic and Social Survey 2010 : Retooling Global Development »), von Christina Bodouroglou, Nazrul Islam, Alex Julca, Manuel Montes, Mariangela Parra Lancourt, Wladimir Popow, und Shari Spiegel Rob Vos, Réseau Voltaire, 6. Juli 2010.
[12] « La rapine du siècle : l’assaut des volontaires sur les fonds souverains libyens » und « Derrière l’attaque contre la Libye : les stratégies de la guerre économique », von Manlio Dinucci, Réseau Voltaire, 22. April und 2. Mai 2011.


Online-Flyer Nr. 305  vom 08.06.2011

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