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Medien
Bedenkliche Vermischung von Fakten und Fiktion in Codemasters-Spielen
Blut für Öl
Von Michael Schulze von Glaßer

2013: In Zentralasien bricht ein brutaler Krieg aus. Die Täler, Städte und Berge Tadschikistans werden zu umkämpften Frontlinien zwischen der Chinesischen Volksbefreiungsarmee, aufständischen Guerillas und dem United States Marine Corps. Doch wie realistisch ist dieses Szenario?


Screenshot aus "Operation Flashpoint: Red River" |
Quelle: Codemasters www.militainment.info/
 
„Erlebe in diesem ultimativen taktischen Infanterie-Shooter, wie es den US Marines im Kampfeinsatz ergeht“, wirbt Hersteller Codemasters für sein am 21. April erschienenes neues Videospiel „Operation Flashpoint: Red River“. Als Granatwerferschütze, Kundschafter, Gewehrschütze oder Automatikschütze soll man in die Schlacht ziehen können und dabei auch Feuerunterstützung durch Mörser, Haubitze und JDAM-Bomben sowie Luftnahunterstützung durch AH-1Z-Hubschrauber und A-10-Kampfflugzeuge anfordern können.
 
Für ein reichhaltiges Waffenarsenal ist in dem Taktik-Shooter-Videospiel also gesorgt und auch das Schlachtfeld verspricht Spannung: „Tadschikistan bietet eine so faszinierende Geschichte und so eine vielfältige Landschaft, dass es sich perfekt für einen in naher Zukunft entstehenden Konflikt der Supermächte eignet – ebenso wie für das realistische Szenario eines Volksaufstandes“, so Adam Parsons, Executive Producer bei Codemasters in einer Mitteilung des Unternehmens. In „Operation Flashpoint: Red River“ ist es China, das sich die Erdölreserven unter Tadschikistan mit militärischen Mitteln unter den Nagel reißen will. Dies lassen sich die USA nicht gefallen und marschieren kurzerhand von Afghanistan aus in den zentralasiatischen Nachbarstaat ein – ein blutiger Krieg beginnt, in dem auch lokale Guerilla-Gruppen mitmischen.


Screenshot aus "Operation Flashpoint: Red River"
Quelle: Codemasters
 
Professor Werner Ruf, der lange Jahre als Dozent für Internationale und Intergesellschaftliche Beziehungen und Außenpolitik am politikwissenschaftlichen Institut der Universität Kassel tätig war, hält das Szenario für wenig realistisch: „Es ist unwahrscheinlich, dass China mit der Armee einmarschieren würde.“ Vielmehr würden die Chinesen wohl zunächst versuchen tadschikische Unterstützer – etwa Oppositionelle – zu finden und sie für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. China könnte dann anstreben eine „humanitäre Intervention“ in dem Land durchzuführen und dies vom UN-Sicherheitsrat absichern zu lassen. Da dies wohl ein Veto der USA zur Folge hätte, käme – wenn überhaupt – frühestens dann das chinesische Militär ins Spiel. Ähnlich sehe laut Werner Ruf auch das Vorgehen der USA in so einem Fall aus: „Die USA würden zunächst wohl eine Gegenbewegung von ‚Freunden‘ unterstützen. Der Einmarsch der chinesischen Armee könnte allerdings zu einem direkten Engagement führen.“ Allerdings wirft Ruf ein, dass besonders Russland ein Machtfaktor in Zentralasien sei, ohne dessen Berücksichtigung kein Konfliktszenario in Tadschikistan zu entwerfen sei.
 
Zumindest im Vorgängerspiel „Operation Flashpoint: Dragon rising“ wurde Russland berücksichtigt. Die Story des Ende 2009 erschienen Spiels ist ebenfalls brisant: In „Dragon rising“ besetzt die Chinesische Volksbefreiungsarmee im Mai 2011 die fiktive, zu Russland gehörende Insel Skira im Japanischen Meer. Unter der Insel sollen sich bedeutende Erdölvorkommen verbergen. Da sich in Folge der Weltwirtschaftskrise kommunistische Hardliner in China durchgesetzt haben, rücken chinesische Panzer an die Grenze zu Russland. Aufgrund der Bedrohung des Festlands bittet Russland die im Spiel verbündeten USA um Hilfe – US-Truppen landen daraufhin auf Skira um die Chinesen in die Flucht zu schlagen.
 
Dr. Sabine Schiffer vom „Institut für Medienverantwortung“ hält zumindest die Grundszenarien der Spiele für realistisch: „Die Idee eines Kampfes um Ressourcen ist durchaus auf der politischen Agenda.“ Dennoch sei die Vermischung von Fakten und Fiktion in Spielen wie „Operation Flashpoint“ bedenklich: „Man wird an politische Aussagen – in diesem Fall an China als großen Energieverbraucher, der anderen Ländern die Ressourcen wegnimmt – gewöhnt“, so Erlanger Institutsleiterin Schiffer. Die geschaffenen Feindbilder könnten dazu führen, dass sich die Videospieler im realen politischen Diskurs anders verhalten: „Durch die in Videospielen erzählten Geschichten können durchaus Ressentiments entstehen.“
 
Sowohl im kürzlich erschienenen „Red River“ als auch im Vorgängerspiel „Dragon rising“ werden die Chinesen als aggressive Kriegstreiber dargestellt. Ohne Zweifel rüstet China seine Armee seit Jahren bedenklich auf, doch lehnen sich die Entwickler der „Operation Flashpoint“-Reihe mit ihren Vorhersagen großer chinesischer Militärinterventionen weit aus dem Fenster. Wie so oft in letzter Zeit wagt ein Videospiel-Hersteller – in diesem Fall das britische Unternehmen Codemasters – in seinem Spiel ein vermeintlich realistisches Konflikt-Szenario, das bei näherer Betrachtung jedoch zur künstlichen Effekthascherei verkommt. (PK)
 
Diesen Beitrag von Michael Schulze von Glaßer haben wir von http://www.militainment.info übernommen


Online-Flyer Nr. 301  vom 11.05.2011

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