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Globales
Indio-Proteste gegen Staudammbau in Brasilien - Millionen für Voith und Siemens
Die Verdammung des Amazonas
Von Alice Bayer

Der Rio Xingu im Amazonas-Regenwald in Brasilien. Für tausende Indigene stellen Fluss und Regenwald die Lebensgrundlage dar. Sie jagen im Wald und leben von den Fischen in den Flüssen. Für Brasiliens Regierung dient der Fluss als Energiequelle für ihr ambitioniertes "Programm für beschleunigtes Wachstum"(PAC), um Brasilien als starke Wirtschaftsmacht zu etablieren. Der Staudamm "Belo Monte" am Rio Xingu im brasilianischen Amazonasstaat Pará, hat sich zum weltweiten Symbol der Auseinandersetzung zwischen Menschenrechten und "Fortschritt" im Sinne der Industrialisierung entwickelt. 


Kayapo-Indigenenanführer beim Protest gegen Belo Monte in Altamira, Brasilien | Foto: Antonio Bonsorte/Amazon Watch
 
Belo Monte soll der drittgrößte Staudamm der Welt werden. Wie bei vielen Megastaudämmen wird die lokale Bevölkerung auch hier nicht von den schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt und ihren Lebensraum verschont. Bis zu 40.000 Menschen müssen für Belo Monte zwangsumgesiedelt werden und rund 1500km2 Land wird verwüstet werden. Etliche indigene Gruppen müssten ihr Land, ihr Zuhause, verlassen, und sehen einer traurigen Zukunft entgegen.
 
Die Indigenen-Anführerin Sheyla Yakarepi Juruna, deren Dorf Boa Vista an den geplanten Stausee von Belo Monte grenzt, fordert von der brasilianischen Regierung daher „die Maske abzunehmen um zu zeigen, was sie wirklich den Menschen und dem Amazonas antut. Die Regierung spricht von nachhaltiger Entwicklung und Menschenrechten. Wie kann das wahr sein, wenn sie uns diese Projekte und Zerstörung aufzwingen?“


Der Xingu-Fluss, an dem der Belo Monte-Damm errichtet werden wird, nahe Pará, Brasilien | Foto: Marcelo Salazar/ISA
 
Studien belegen, dass sich die Entwurzelung indigener Völker von ihrem Land besonders negativ auf die Gesundheit und psychische Verfassung der Menschen auswirken kann. Und besonders isolierte ("unkontaktierte") Völker, die ohne jeglichen friedlichen Kontakt zur Außenwelt im Umkreis vom Belo Monte Damm leben, werden in ihrem Überleben bedroht. Der Stausee bringt die Gefahr von Malaria und anderer Krankheiten, gegen welche die Unkontaktierten keine Immunität besitzen.
 
Und Belo Monte hat nun auch Europa erreicht. Der Deutsche Anlagenbauer Voith Hydro, ein Zusammenschluss von Voith und Siemens, hat im März bekannt gegeben, einen Auftrag in Höhe von 443 Millionen Euro für die Turbinenlieferung des Dammes erhalten zu haben. Es handelt sich um den größten Auftrag in der Geschichte von Voith Hydro. Die Andritz AG (Österreich) und Alstom (Frankreich/Schweiz) sind ebenfalls beteiligt.


Hunderte Indigenenanführer und Flussanwohner protestieren gegen den zerstörerischen Belo Monte-Staudamm.
Foto: Antonio Bonsorte/Amazon Watch
 
Das Projekt hat weltweit Proteste ausgelöst. Demonstrationen fanden in Paris, London und vor allem in Brasilien statt und haben prominente Unterstützung von Hollywood-Direktor James Cameron, Schauspielerin Sigourney Weaver und Sänger Sting erhalten. Und vor Brasiliens Gerichten wird immer noch um die Zulässigkeit des Mammutprojektes gestritten.
 
Brasiliens Verfassung garantiert der indigenen Bevölkerung das Recht zu Projekten, welche sie betreffen, hinzugezogen und konsultiert zu werden. Brasilien unterstützt zudem sowohl die UN Erklärung zu den Rechten indigener Völker als auch das Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO 169), welche die Pflicht auf Konsultation etabliert.
 
Belo Monte verstößt gegen diese Verpflichtungen, sowie gegen etliche Umweltauflagen, weswegen der Präsident der brasilianischen Umweltbehörde IBAMA im Januar zurücktreten musste, er hatte dem Bau von Belo Monte nicht zugestimmt. Nur wenige Wochen nach seinem Rücktritt erteilte der neue IBAMA -Präsident eine Teilgenehmigung für den Start der Bauarbeiten. Zuletzt hatte auch die Interamerikanische Menschenrechtskommission zum Baustopp aufgerufen.
 
Vor diesem Hintergrund tröstet auch die Selbstverpflichtung von Voith Hydro auf die Nachhaltigkeitsrichtlinien der International Hydropower Association nicht. Die Kriterien setzen die „Beachtung aller relevanten Gesetze, Regeln, Genehmigungen, Vereinbarungen und Verhaltungskodex in dem Zuständigkeitsbereich“ voraus. Mit der Beteiligung an Belo Monte verstößt Voith jedoch gegen genau diese Richtlinien.
 
Brasiliens Regierung zeigt sich „verblüfft“ über Proteste

Menschenrechtsorganisationen wie Survival International setzen sich gegen den Bau dieses Dammes auf Kosten der Rechte indigener Völker ein. In einem Brief an Voith Hydro fordert Survival das Unternehmen auf, sich von dem Projekt zurückzuziehen, weil es unwiderrufliche kulturelle, soziale und ökologische Folgen für die Xingu-Region mit sich bringen wird. Hunderttausende Menschen haben sich in einer Unterschriftenaktion gegen das Projekt ausgesprochen. Und auch der Bischof der Xingu Region und Träger des Alternativen Nobelpreises, Erwin Kräutler, mobilisiert in Altamira gegen das Projekt.
 
Die brasilianische Regierung zeigt sich „verblüfft“ über diese „ungerechtfertigten Forderungen“. Doch die indigene Aktivistin Juruna hält das nicht davon ab, auch weiterhin die andere Seite der Geschichte zu erzählen. Davon, dass der Xingu ihr Zuhause ist und zerstört wird: „Die Fische werden getötet, die Flüsse werden austrocknen und der Regenwald wird abgeholzt. Die Folgen werden unwiderruflich sein.“ (PK)

Alice Bayer hat diesen Beitrag für "survival international" geschrieben.
Mehr Informationen: www.survivalinternational.de


Online-Flyer Nr. 300  vom 04.05.2011

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