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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Lokales
Dezernent Streitberger stellt sein "Aktuelles Bebauungskonzept“ in Köln vor
Teil III: Ende einer Dienstfahrt?
Von Rainer Kippe

Auf Einladung des Bundes Deutscher Architekten (BdA) stellte der Kölner Baudezernent Bernd Streitberger am Montagabend im Domforum ein sogenanntes „Aktuelles Bebauungskonzept“ für das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofes an der Schanzenstraße in Mülheim vor. Das Konzept wurde mit Spannung erwartet, nachdem Stadt und der Eigentümer, die ehemalige Bahntochter aurelis, das Konzept des Siegers im Wettbewerb 2001, des Architekturbüros Büder&Menzel, verworfen hatten und sich lange nicht auf ein Konzept einigen konnten.
 
Bürger und Initiativen aus Köln-Mülheim erwarteten auch mit Spannung, inwieweit die Vorschläge aus der Planwoche "plan04" und "plan05" sowie aus der Bürgerplanung "advocacy planning" Eingang in die aktuelle Planung gefunden hatten. Spannend war auch die Frage, wie Streitberger die Ziele des Struktur-Förderprogramms Mülheim 2020, welches auf dem Gelände die Schaffung von niedrigschwelligen Arbeitsplätzen und die Entwicklung der Lokalen Ökonomie vorsieht, umzusetzen gedenkt. Die Stadt hatte es allerdings bereits im Vorfeld abgelehnt, dafür Gelände zu erwerben und den Initiativen zur Verfügung zu stellen.

 
Auf dem Podium saßen neben Baudezernent Streitberger Olaf Geist vom Eigentümer aurelis, Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs (SPD) und als Vertreter der Nachbarschaft Mülheim-Nord Engelbert Becker. Im Publikum waren auch Mitglieder und Vertreter der beiden religiösen Gemeinschaften von Kriegsflüchtlingen aus dem Kongo, aus Angola und aus dem Irak, die von Streitberger aus den Güterhallen geräumt werden sollen, die noch auf dem Gelände stehen. Die NRhZ hat darüber berichtet. (1)
 
Chefsache
 
„Das Programm Mülheim 2020 braucht starke Akteure, die willens sind, in Mülheim etwas zu bewegen und diesen schwierigen Prozess über Jahre hinweg gemeinsam mit allen Beteiligten zu gestalten.“ Das schrieb Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters im Oktober letzten Jahres an den Verein Sozialistische Selbsthilfe Mülheim (SSM) e.V., einen der Mülheimer Akteure, der immer wieder mit Vorschlägen an die Öffentlichkeit getreten ist. Weiter bat Jürgen Roters um Verständnis für die Schwierigkeiten, die durch die von der EU geforderte europaweite Ausschreibung der Projekte entstehen könnten. Er warb um eine „offene und respektvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten“ um am Ende zu versprechen: „Ich werde Mülheim 2020 selbst eng begleiten und das Programm mit entsprechenden Impulsen in Politik und Verwaltung unterstützen. Mülheim 2020 ist Chefsache und wird es bleiben.“
 
Der SPD-OB hatte deshalb zu diesem Zeitpunkt dem Planungsdezernenten Streitberger (CDU) bereits das Referat Stadtentwicklung entzogen. Auf dem Podium saß er an diesem Abend, wo es um das Schicksal seines Renommierprojektes ging, dennoch nicht. Dort saß an seiner Stelle Bernd Streitberger, der Mann, der von Karl Jürgen Klipper (CDU) und Barbara Moritz (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) im Oktober 2003 in den Sattel gehoben wurde, damals, in Zeiten der schwarz-grünen Koalition, um dessen Wiederwahl es im kommenden Herbst aber nicht gut steht, seit Rot-Grün mit stiller Unterstützung der anderen roten Fraktion im Rathaus bestimmt.
 
Deshalb darf Streitberger nach wie vor noch einen Satz sagen, der seit einem Jahr von der Verwaltung ausgegeben und in der Politik gedankenlos nachgeplappert wird: „Das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Mülheim gehört nicht zum Programm Mülheim 2020“, obwohl mit diesem Satz das ganze Programm aus den Angeln gehoben wird. Denn dieses Gelände gehört nicht einfach nur zum Programmgebiet, sondern ihm kommt die entscheidende Bedeutung für die Entwicklung von Mülheim-Nord zu. Es hat einen besonderen Stellenwert im Programm und wird dort ca. 20 mal erwähnt - bei der Verbindung der einzelnen, getrennten Stadtteile genauso wie bei der Entwicklung der lokalen Ökonomie. „Der Güterbahnhof gehört nicht zu Mülheim 2020“ bedeutet nichts anderes als: Wir haben das Programm aufgegeben.
 
Die Artisten in der Zirkuskuppel - ratlos
 
Auf dieser Linie äußern sich nun die übrigen Diskutanten. Der Vertreter des Grundstückseigentümers, des Immobilienunternehmens aurelis, früher Teil der DB, heute im Besitz des Hochtief-Konzerns und seiner internationalen Anteilseigener, Olaf Geist, will natürlich parzellieren und verkaufen. Von den Vorschlägen, dort, wie das Mülheim Programm vorsieht, sozial-kulturelle Projekte mit niedrigschwelligen Arbeitsplätzen anzusiedeln, hält er deshalb gar nichts: „Wir haben uns die Projekte angesehen, und dabei nichts für uns Interessantes gefunden“. Er kann keinen Interessenten nennen, der zu seinen Vorstellungen kaufen möchte, aber er hat „jetzt ein gutes Gefühl“, dass sich ein solcher bald einstellen wird.
 
Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs freut sich, dass er nun endlich mal erfährt, was geplant ist und warnt davor, das angrenzende Gewerbe durch Wohnungsbau zu gefährden: „Ich war bei den Kölner Drahtwerken, und die wollen 50 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.“
 
Der Vertreter der "Nachbarschaft Mülheim-Nord“, Engelbert Becker, beklagt, dass immer nur von Geld die Rede ist, aber nie von den Menschen, die dort wohnen - es erstaunt nicht, dass auf seinen Beitrag weder Streitberger, noch Geist oder Fuchs eingegangen sind. Deren Bewusstsein ist offenbar bereits so verdinglicht, dass der Mensch sich nur noch in Zahlen fassen lässt.
 
Den Architekten und Planer Kai Büder, der im Jahre 2001 den städtebaulichen Wettbewerb gewonnen und eine so einfache wie geniale Grundstruktur für das Gelände gefunden hatte, hat man ausgebootet und durch den Preisrichter des Wettbewerbs, die Firma astoc, ersetzt. Die wiederum hat den Büder-Entwurf kopiert, die Blöcke etwas verschoben, und unter seinen Plan den Namen astoc gesetzt. Einzelne Teile sind gleich geblieben.
 
Dezernent Streitberger will angeblich auch Wohnen und Arbeiten, aber er vermag nicht zu sagen, wie er das Wohnen auf der Brache in Einklang mit der Industrienutzung weiter östlich auf dem Gelände von F&G bringen will. Deswegen plädiert er dafür, das Gelände für weitere zehn Jahre liegen zu lassen, in der Hoffnung, dass man die Dinge „dann anders sieht.“ Die im Publikum anwesenden Vertreter der schiitischen und der kongolesischen Gemeinde, die wissen wollen, warum dann die Güterhallen an der Schanzenstraße unbedingt jetzt schon abgebrochen werden sollen, bekommen von ihm keine Antwort. Von Olaf Geist erfahren sie, die Hallen wären zur Vermietung nicht mehr geeignet, weil sie Holzdächer haben, und im übrigen sei die Nutzung "ILLEGAL", wie er fast herausschreit, obwohl er den Gemeinden die Nutzung gerade schriftlich für eine Übergangszeit gestattet hat.(1)
 
"Starke Akteure" – keineswegs gefragt
 
Die Planwochen "plan04" und "plan05", in denen in Workshops die Planung des Geländes diskutiert wurde, werden erwähnt, aber es wird nicht gesagt, dass alle planerischen Probleme dort von anerkannten internationalen Fachleuten beantwortet worden sind. Denn eines ist klar geworden, "starke Akteure", die OB Roters sich noch in seinem Brief an den SSM e.V. wünschte, sind von Politik und Eigentümer keineswegs gefragt, wenn es ums Geschäftemachen geht, ums Aufteilen und ums Abkassieren, schon gar nicht Akteure aus der Bürgerschaft. Und Menschen zählen besonders dann nicht, wenn sie eine dunkle Hautfarbe haben und nicht so gut Deutsch sprechen.
 
Die Vertreterin des Hauses der Architektur Köln (hdak), Regina Stottrop, traut sich immerhin auszusprechen, dass Stadtplanung manchmal nur möglich ist, wenn die Stadt nicht nur moderiert, sondern auch wirklich eingreift und Gelände erwirbt. Das ist umso mutiger, als jeder weiß, dass keine der Ratsparteien dafür einen Cent herausrücken wird - im Unterschied zu den vielen Millionen, die für die Köln-Messe und für den Abbruch des Barmer Viertels geflossen sind, und die jetzt für das eingestürzte Stadtarchiv aufgebracht werden müssen.
 
Erstaunlich ist, dass keiner sehen will und kann, dass Selbsthilfe, self-empowerment und Lokale Ökonomie die Stadt am Ende nicht belasten, sondern finanziell entlasten, weil sie selbsttragende, nachhaltige Strukturen in kommunalen Netzwerken schaffen. Dies steht zwar alles so in Mülheim 2020, kann aber offensichtlich von den Hirnen unserer städtischen Eliten nicht aufgenommen und umgesetzt werden.
 
Der Oberbürgermeister, soviel ist in dieser Veranstaltung klar geworden, wird jedenfalls noch viel zu tun bekommen, in seinem Fachbereich Stadtentwicklung. (PK)

 
(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16403
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16310
 
Rainer Kippe ist aktiv in der Stadtteilgenossenschaft WiWAteG
 
 
WDR-Regionalnachrichten 19.04.2011
„Industriebrache soll bebaut werden:
Die Brachflächen des ehemaligen Güterbahnhofs im Kölner Stadtteil Mülheim sorgen derzeit wieder für Streit. Die Stadt will das 16 Fußballfelder große Gelände bebauen lassen. Bürgerinitiativen befürchten, dass ihre Ideen nicht gehört werden. Die Stadt geht heute davon aus, dass es noch weitere zehn Jahre dauert, bis auf der Brachfläche in Mülheim gebaut wird.“

 

Online-Flyer Nr. 298  vom 20.04.2011

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