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Inland
KIT Karlsruhe: Atomenergieforschung nach Fukushima
Zeitgewinn und Rettungsanker Kernfusion
Von Dietrich Schulze

Die von der früheren rot-grünen Bundesregierung beschlossene Laufzeitbegrenzung der Atomkraft hat in der Leitung des Karlsruher Instituts für Technologie KIT (Vorläufer: Forschungszentrum Karlsruhe, jetzt KIT Campus Nord genannt) nie Gefallen gefunden. Im Gegenteil, es wurde fest von einer Renaissance der Kernenergie ausgegangen. KIT- Präsident Prof. Horst Hippler brachte das auf den Punkt. Er war einer der beiden Hochschulunterzeichner des Appells zur Laufzeitverlängerung, dem die schwarz-gelbe Bundesregierung brav gefolgt war.
 

Der eine KIT-Präsident Horst Hippler
– für Laufzeitverlängerung
Foto: Universität Karlsruhe
Am Tag 1 der Fukushima-Katastrophe, am 11. März, meldete der Südwestfunk, dass im Institut für Transurane ITU, einer europäischen Atomforschungsinstitution auf dem Gelände des Campus Nord, mit Forschung an neuen Reaktortypen begonnen wird. Dabei sollen 180 Kilo Plutonium, 50-130 Kilo hochangereichertes Uran, 300 Kilo schwach angereichertes Uran und 450 Kilo Thorium eingesetzt werden. Das KIT ist eng verflochten mit diesen Plänen. Zwei Tage vor der Landtagswahl teilte der andere KIT Präsident Prof. Eberhard Umbach - wie in der Presse zu lesen war - mit, „das vor kurzem verkündete Moratorium bezüglich der Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke sei allein der aktuellen Panik und Hysterie geschuldet. Aber Angst sei kein guter Ratgeber.“ Einen Tag nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg teilte er der Presse mit, „er sei - wie die neue Landesregierung - für den Ausbau regenerativer Energien, hier habe das KIT zahlreiche neue Entwicklungen und Ideen anzubieten. Der Weg dorthin sei allerdings ohne die weitere vorübergehende Nutzung der Kernkraft nur schwierig zu erreichen. Dies werde das KIT durch entsprechende Expertisen in die Diskussion einbringen.“
 

Der andere KIT-Präsident Eberhard
Umbach – vor der Wahl und nach
der Wahl
Quelle: www.bundesregierung.de
Die Energieversorungsunternehmen (EVU) drohen derweil mit dem Blackout und dem Verlust von Arbeitsplätzen und setzen auf die kurze Halbwertszeit des Angstzerfalls. Die Industrie- und Handelskammer Karlsruhe formuliert das schon etwas eleganter. Von neuen Chancen, von den Erneuerbaren, gar vom Stromsparen ist bei ihr die Rede mit dem Fazit: „Wir müssen die Energie-Denkhauptstadt Nummer Eins in Europa werden. Wir brauchen eine stabile Stromversorgung, zu bezahl- baren Preisen bei schnellstmöglichem Ausstieg aus der Kernenergie.“
 
"Tag der Sündenvergebung“
 
Für eine Podiumsdiskussion zum Thema "Zukunft der Kernforschung am KIT" wurde ein bemerkenswerter Tag ausgesucht: Gründonnerstag, der "dies absolutionis" ("Tag der Sündenvergebung“). Gäste des außerordentlich ausgewogen zusammen gesetzten Podiums am 21. April um 18 Uhr im Redtenbacher-Hörsaal (Gebäude 10.91 der Uni) sind Dr.-Ing. Peter Fritz, Vizepräsident des KIT und Vizepräsident des deutschen Atomforums, Sylvia Kotting-Uhl, MdB im Wahlkreis Karlsruhe und atompolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, Jörg Michels, Technischer Geschäftsführer des KKW Neckarwestheim und Mitglied der Geschäftsführung der EnBW Kernkraft GmbH, Prof. Dr. Norbert Willenbacher, Aufsichtsratsvorsitzender von juwi und Prof. für angewandte Mechanik am KIT.
 
Dazu muss man noch wissen, dass es neben der bekannten Seite der Atomenergie, der Kernspaltung, eine andere weniger bekannte Seite - die Kernfusion - gibt, ein weltweit etabliertes sehr kostspieliges Forschungs- und Entwicklungsprogramm. Damit soll die Energieerzeugung der Sonne auf der Erde nachgeahmt werden. Rohstoffe: Wasser und Gestein (zu Deuterium und Tritium verarbeitet), Endprodukt ungefährliches Helium, keine Kernschmelze möglich. Der Traum von der unerschöpflichen, sauberen und sicheren Energiequelle, so die offizielle Lesart. Nicht von ungefähr wird die Kernfusion seit Fukushima in den höchsten Tönen gepriesen: „die gute Kernenergie“, „die bessere Kernenergie“, „der Fahrstuhl in die Zukunft“ oder gar „der heilige Gral der Wissenschaft“.

Kernfusion Inkarnation des Technikwahns

Da ist die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative "Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit" e.V. (NatWiss) ganz anderer Meinung. Sie betrachtet die Kernfusion eher als Inkarnation des Technikwahns und fordert auch hier den Ausstieg. Das hat sie am 4. April in einer Stellungnahme an das KIT Präsidium und die zuständigen Stellen in Land und Bund mitgeteilt und so begründet:
 
Die Kernfusion ist ein leeres Zukunftsversprechen, das keinen Beitrag zur Energiewende zu liefern vermag. Das Programm verschlingt Milliarden für die Forschung und wird wahrscheinlich nie in Kraftwerke umsetzt, weil es die bessere und billigere Alternative „Energie-Einsparung kombiniert mit erneuerbarer Energie“ gibt. Die Friedensinitiative drückt dazu ihre Überzeugung aus, dass die betroffenen WissenschaftlerInnen und Beschäftigten in einem intensiven Diskussionsprozess dafür gewonnen werden können, ihre Fähigkeiten auf andere Gebiete der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung für zivile Zwecke zu verlagern. Dazu könnte gerade auf die Erfahrungen des ehemaligen (Kern)Forschungszentrums mit seiner Zivilklausel zurückgegriffen werden. Deswegen sei die Initiative auch optimistisch, dass die geforderte Friedensbindung für das gesamte KIT zusammen mit der neuen Landesregierung trotz des kürzlichen Ausweichens des Senats verankert werden wird.
 
Zwei Energiekonzepte stehen demnach im Raum. Die alternative Fortsetzung der Kernenergie-Renaissance, das heißt die Versöhnung der Kernspaltung mit der erneuerbaren Energie und die Lockung mit der Kernfusion als „bessere Kernenergie“ einerseits und der energische Umstieg allein auf die beiden Ressourcen Energie-Einsparung und erneuerbare Energie andererseits.
 
Ostermarsch: "Atomkraftwerke abschalten! Atomwaffen abschaffen!"
 
Über die Haltung der EVU’s und der abgewählten Machthaber in Baden-Württemberg und die noch im Amt befindlichen im Bund braucht sich niemand Illusionen zu machen. Wie wahrscheinlich ist ein Bewusstseinswandel in der Führung des KIT? Deutlich größer als das Restrisiko der "sicheren“ deutschen Kernkraftwerke? Allerdings könnten sich die „im Wesentlichen weiter so“-Gruppierungen in der neuen baden-württembergischen Landesregierung gründlich getäuscht haben. Die braucht weitere kraftvolle Aktionen der außerparlamentarischen Bewegung. Und das alles gilt nicht nur für das KIT Karlsruhe, sondern für alle betroffenen Universitäten und Forschungseinrichtungen. Empört Euch! Eine gute Gelegenheit zum Mitmachen sind die Ostermärsche am 23. April: "Atomkraftwerke abschalten! Atomwaffen abschaffen!" - Energiepolitik ist Friedenspolitik. (PK)

 
Dr. Dietrich Schulze dietrich.schulze@gmx.de
Beiratsmitglied NaturwissenschaftlerInnen-Initiative www.natwiss.de
Initiative gegen Militärforschung an Universitäten www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf
tel +49721 385403 hy +49160 9911 3131
 
Anlagen:
NatWiss Presse-Mitteilung 6.4.11 www.stattweb.de/files/civil/Doku20110406.pdf
mit Stellungnahme 4.4.11 www.stattweb.de/files/civil/Doku20110404.pdf

Online-Flyer Nr. 297  vom 13.04.2011

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