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Lokales
Kölns Baudezernent sorgt für "verbrannte Erde" anstatt für Mülheim 2020
Sinnlose Zerstörung eines Künstlerateliers
Von Rainer Kippe

Seit vielen Jahren arbeitet der Künstler Jürgen Groll in seinem Atelier Am Stammheimer Schlosspark in Köln Stammheim. Er sammelt und bearbeitet Objekte, die vom nahen Rhein angeschwemmt werden. Eigentümer des Ateliers und Vermieter ist die Gebäudewirtschaft der Stadt Köln. Am 1.März erhielt Jürgen Groll von diesem Amt Post. Inhalt war die Kündigung des Mietvertrages. Als Begründung wurde angegeben, dass Groll „große Teile der Mietfläche offensichtlich vertragswidrig nutze(n). So befinden sich in den von Ihnen angemieteten Räumen unter anderem ein komplettes Badezimmer einschließlich Duschkabine, eine komplette Küche und ein Wohnzimmer“.
 
Als Groll am 23.3. bei seiner Sachbearbeiterin bei der Gebäudewirtschaft, Frau Sylvia Pfaff, anrief, bekam er eine andere Version zu hören. Er berichtet: „Auf meine Frage für den Kündigungsgrund gab Sie an, das die Kosten für die Instandsetzung des Wasserrohres zu hoch sind. Hierbei stimmte ich Ihr zu. Ein Bekannter, der bei der Rheinenergie beschäftigt ist, sagte mir, dass man auch einen Brunnen bohren könnte. Dies teilte ich Ihr am Telefon mit. Die Kosten würde ich übernehmen. Darauf ging Sie jedoch nicht ein. Auf meine Frage, was mit der ehemaligen Gärtnerunterkunft denn geschehen werde, sagte sie, dass das Gebäude abgerissen und dem Liegenschaftsamt zugeführt wird.“
 
Künstlerateliers sind knapp in Köln. Händeringend sucht das Kulturamt nach geeigneten Objekten, denn die "Kreativwirtschaft“ ist in Köln inzwischen sogar Chefsache. Aber den zuständigen Dezernenten stört das nicht. Er ist Baudezernent der Stadt Köln, aber auch "Erster Betriebsleiter“ der Gebäudewirtschaft der Stadt Köln. Sein Name ist Bernd Streitberger.
 
Nur einige Tage nach der Kündigung des Künstlers Groll hat Streitberger wieder zugeschlagen. Diesmal als zuständiger Dezernent für die Bauaufsicht. Am 8. März kündigte Streitbergers Amtsleiter Willms in einer sogenannten "Anhörung“ einer christlichen und einer schiitischen Gemeinde in den Alten Güterhallen in der Schanzenstraße in Köln Mülheim an, die Benutzung zu untersagen. Grund: fehlende Baugenehmigung und Gefahr durch die Benutzung von (Gebets-)teppichen. Die Räumung der Gemeinderäume konnte durch das beherzte Eingreifen von Menschen verhindert werden. Eine Woche später begann der Abriss eines bereits geräumten Teiles. Die Güterhallen sind in dem Projekt Mülheim 2020 als Gründerzentrum vorgesehen. Migranten sollen nach diesem vom Rat beschlossenen Konzept integriert werden. Für Steitberger auch hier ein Grund, gemeinsam mit dem Eigentümer - der in den Händen von Hochtief befindlichen Bahntochter Aurelis - vollendete Tatsachen zu schaffen.(1)
 
Denn Streitberger hat für sich längst beschlossen, Mülheim 2020 nicht umzusetzen. Er weigert sich, das vom Rat beschlossene Entwicklungskonzept Mülheim Nord zu schreiben, genauso wie er bis heute weder ein Nutzungskonzept noch einen Bebauungsplan vorgelegt hat. Den politischen Willen des Veedelsbeirates, dass die Hallen und deren Nutzung bleiben sollen, bis ein Bebauungsplan eine konkrete neue Nutzung beschließt, ignoriert Streitberger. Für ihn steht der Wille der Privateigentümer und Investoren über dem Willen der politischen Gremien, und danach handelt er mit Bauaufsicht und Baggern.
 
Streitberger war es auch, der erklärt hat, sich als Dezernent nicht um soziale Belange kümmern zu wollen. Er lieferte mit seiner Bauaufsicht die Begründung für die Räumung des Barmer Blocks im Jahr 2006, der auf einmal angeblich baufällig war, und genehmigte den Abriss, obwohl er wusste, dass auf dem Platz nicht gebaut werden darf, weil die darunter verlegten Kanäle längst amerikanischen Spekulanten gehören. Nach diesem Plan sollte auch das Autonome Zentrum in Kalk geräumt werden, das man seiner Meinung nach nicht nutzen darf, weil der Aufenthalt darin für Menschen angeblich gefährlich ist und keine Nutzungsänderung vorliegt.
 
Streitberger ist noch ein Überbleibsel aus der Zeit von Schwarz-Grün, der Ära Moritz-Klipper in der Kölner Stadtentwicklung. Er bedankte sich bei Bauwens/Adenauer für den Masterplan, weil seine Behörde angeblich nicht mehr in der Lage sei, zu planen. Und er rechtfertigte mit den selben Gründen auch die Übertragung der Bauaufsicht für die Nord-Süd-U-Bahn an den Bauherrn KVB.
 
Lange hat ihn Kölns OB Jürgen Roters gewähren lassen. Lange hat die neue Koalition, eingedenk alter Dienste, sein Konzept der Public-Private-Partnership, kurz PPP, geduldet. Als er "vergaß“ das neue Höhenkonzept des Rates umzusetzen, und der Erwerber des alten Polizeipräsidiums am Waidmarkt plötzlich begehrte, neben St. Georg ein neues Hochhaus zu errichten, wurde es dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Börschel zu bunt, und er forderte die CDU auf, für die Wiederwahl des Baudezernenten im Herbst eine neue Person zu benennen. Beim letzten SPD-Parteitag redete der SPD-Vorsitzende Jochen Ott Klartext. Er nannte die Personalie Streitberger eine der beiden Baustellen, die der OB in diesem Jahr zu erledigen habe.
 
Streitberger, der weiß, dass er nicht wiedergewählt wird, nutzt die verbliebene Zeit, um dem Konzept der Sozialen Integration von OB-Jürgen Roters überall, wo er kann, Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Dazu vereitelt er die Umsetzung von Mülheim 2020, will religiöse Gemeinschaften aus ihren Bet-Räumen rausschmeißen und Künstlern die Ateliers abbrechen – kurz: er macht es seinem OB in der verbliebenen Zeit so schwer wie möglich. Dabei nutzt er aus, dass Roters ein vielbeschäftigter Mann ist und große Probleme damit hat, in dem von Streitberger bereits übernommenen Bereich der Stadtentwicklung vorwärts zu kommen, insbesondere bei Mülheim 2020.
 
Gleichzeitig lässt Streitberger keine Gelegenheit aus, den OB vorzuführen. Für den Ausbau der Frankfurter Straße im Rahmen von Mülheim 2020 hat er nun ein Konzept vorgelegt, welches dem Programm geradewegs widerspricht. So macht er für die angekündigte Flaniermeile, wo nach Maßgabe des mit der EU ausgehandelten und vom Rat beschlossenen Konzeptes die Bürgersteige verbreitert werden sollen, die Bürgersteige einen halben Meter schmaler werden sollen - offensichtlich in der Hoffnung, die Bürger aufzuwiegeln und das Programm zu Fall zu bringen und damit den OB, der sich mit seinem Namen für die Umsetzung verbürgt, wenn nicht zu Fall zu bringen, so doch kräftig zu beschädigen. Mit süffisantem Lächeln schürt Streitberger den Konflikt zwischen Verwaltung und Bürgern. Zunehmend kritisch berichtet mittlerweile darüber sogar die Kölner Du Mont-Presse - so letzten Samstag.
 
Die Mülheimer warten nun gespannt, wie lange OB Jürgen Roters dem Treiben seiner politischen Feinde im Rathaus noch zusehen wird. Immer zahlreicher werden nämlich die Anrufe, in denen genervte Politiker wie der Mülheimer Bezirksbürgermeister nicht mehr weiter wissen und Roters direkt bitten, bei Streitberger anzurufen und ihm Weisungen zu erteilen. Ziel von Streitbergers Hintermännern in der CDU ist es offenbar, über das neue Urteil des Verfassungsgerichtshofes NRW in Sachen Landesfinanzen Mülheim 2020 ganz zu erledigen und damit nicht nur das Land, sondern auch die Gemeinden handlungsunfähig zu machen.

Die Mülheimer Bürger fragen sich, wie lange es noch dauern wird, bis Roters begreift, dass seine einzige Chance darin besteht, sich mit den Bürgern zu verbünden, so wie Mülheim 2020 es in seinem Konzept des "empowerment“ verlangt. Dazu würde freilich gehören, Streitbergers Amoklauf zu stoppen, und zwar jetzt. (PK)

(1) Siehe http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16310

Online-Flyer Nr. 295  vom 30.03.2011

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