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Globales
Der Papst und das "schwarze Herz" Polens
Katholizismus und Politik
Von Wolfgang Bittner
Der Papst war in Polen. Stationen seiner Reise waren Warschau, Krakau, Auschwitz und Wadowice, der Geburtsort seines Vorgängers Johannes Paul II. Natürlich kam er auch in den Wallfahrtsort Tschenstochau, in dem die katholischen Christen das Bildnis der Schwarzen Madonna verehren. Während Krakau als die Krone Polens angesehen wird und Warschau als der Kopf, ist Tschenstochau sozusagen das "schwarze Herz" Polens, ein Industriezentrum mit etwa 270.000 Einwohnern, die vor allem in der Eisenverhüttung und in den zahlreichen Textilbetrieben Arbeit finden. Auch der Fremdenverkehr spielt eine große Rolle, denn die Schwarze Madonna hat die Stadt zum berühmtesten Wallfahrtsort des katholischen Polens gemacht (nach Lourdes der bedeutendste Wallfahrtsort der Welt für katholische Christen). Über vier Millionen Pilger besuchen jährlich das Kloster Jasna Gora, in dem sich die Ikone mit dem dunklen Antlitz der heiligen Maria befindet. Zahlreiche Wundertaten werden dem Heiligenbild aus dem 14. Jahrhundert zugeschrieben, unter anderem die Rettung des Klosters und damit Polens 1655 vor den Schweden.
Schon am frühen Morgen überfluteten liturgische Gesänge, Orgelmusik und Chöre den ganzen Ort, der von leistungsstarken Lautsprechern aus dem Kloster beschallt wurde, das sich auf einer Anhöhe am westlichen Stadtrand befindet. Die Stadt war kaum wiederzuerkennen. Überall wurden der bisherige Weg des Papstes und seine Ankunft per Hubschrauber in Jana Gora auf riesige Bildflächen übertragen, Hunderttausende erwarteten ihn auf den Wiesen und Plätzen vor dem Kloster und auf dem zentralen Innenhof. In das Allerheiligste, die "Kapelle der Muttergottes" mit dem Bildnis der Schwarzen Madonna vorzudringen, war nur wenigen Auserwählten vergönnt. Hier hielt der Papst Andacht, er ließ eine kurze Ansprache verlesen und überreichte ein mit Rosen umkränztes Kreuz, dessen Übergabe seinem Vorgänger - so war zu vernehmen - während der kommunistischen Epoche verweigert worden war. Anschließend wandte sich der Papst an die Menge der Gläubigen, die sich rund um das Kloster versammelt hatten. Beifall und Jubel wollten kein Ende nehmen. Wirklich beeindruckend auch an dieser Mammutveranstaltung war ihr vollkommen friedlicher Verlauf. Die Menschen waren zwar enthusiasmiert, aber sie warteten in aller Bescheidenheit stundenlang, sangen und beteten.
Kloster Jasna Gora mit der 'Schwarzen Madonna'
Foto: Wolfgang Bittner
Bereits in Warschau hatte der Papst betont, dass der Klerus sich vor allem um die geistlichen Angelegenheiten zu kümmern habe und weniger um Ökonomie und Politik; vielleicht war das ein dezenter Seitenhieb auf das fundamentalistische Radio Maria, das schon gegen den Anschluss Polens an die Europäische Union polemisiert hatte (es erhielt übrigens nach dem Regierungswechsel einen TV-Sender hinzu). Es gab auch ein ökumenisches Treffen in der evangelisch-lutherischen Dreifaltigkeitskirche in Warschau, wo von einer Öffnung der katholischen Kirche gegenüber anderen christlichen Glaubensgemeinschaften die Rede war. Was daraus wird, bleibt abzuwarten. Seinen Bußgang nach Auschwitz, wo der Papst Überlebende des Nazi-Terrors traf, hatte er bereits mit Äußerungen über die Wunden des vergangenen Jahrhunderts und die tragische Geschichte Polens vorbereitet. Er kniete im ehemaligen Konzentrationslager vor der Todeswand nieder, an der Tausende Häftlinge erschossen wurden, und bat um Vergebung und Versöhnung.
Allgemein wird in Polen die Meinung vertreten, es sei eine große Ehre für Deutschland, dass Kardinal Ratzinger zum Papst gewählt wurde. Kritik wie vereinzelt in Deutschland an der Politik des Vatikans, unter anderem in der Zeit des "Dritten Reiches", an Joseph Ratzingers politischer Vergangenheit oder auch an den in jüngster Zeit wiederholt veranstalteten Medienspektakeln, ist in den polnischen Medien kaum zu vernehmen. Das katholische Polen, und damit ganz Polen, stand sozusagen Kopf. Der Besuch Benedikts XVI. in dem Nachbarland Deutschlands könnte - wie immer man zu diesem Papst und seiner Politik stehen mag - insofern von großer Bedeutung sein, als er die Möglichkeit hat, für das deutsch-polnische Verhältnis zu werben, das sich in letzter Zeit wieder einmal erheblich abgekühlt hat. Dass ihm daran liegt, geht aus seinen Predigten und Ansprachen während der ganzen Reise hervor. Fraglich, ob sich die Politiker darauf einlassen, und welche Wirkung das in der Bevölkerung haben wird. Der Besuch des Papstes in Polen auf den Spuren seines Vorgängers ist das eine, der polnische Katholizismus und die polnische Politik sind das andere.
Online-Flyer Nr. 47 vom 06.06.2006
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Der Papst und das "schwarze Herz" Polens
Katholizismus und Politik
Von Wolfgang Bittner
Der Papst war in Polen. Stationen seiner Reise waren Warschau, Krakau, Auschwitz und Wadowice, der Geburtsort seines Vorgängers Johannes Paul II. Natürlich kam er auch in den Wallfahrtsort Tschenstochau, in dem die katholischen Christen das Bildnis der Schwarzen Madonna verehren. Während Krakau als die Krone Polens angesehen wird und Warschau als der Kopf, ist Tschenstochau sozusagen das "schwarze Herz" Polens, ein Industriezentrum mit etwa 270.000 Einwohnern, die vor allem in der Eisenverhüttung und in den zahlreichen Textilbetrieben Arbeit finden. Auch der Fremdenverkehr spielt eine große Rolle, denn die Schwarze Madonna hat die Stadt zum berühmtesten Wallfahrtsort des katholischen Polens gemacht (nach Lourdes der bedeutendste Wallfahrtsort der Welt für katholische Christen). Über vier Millionen Pilger besuchen jährlich das Kloster Jasna Gora, in dem sich die Ikone mit dem dunklen Antlitz der heiligen Maria befindet. Zahlreiche Wundertaten werden dem Heiligenbild aus dem 14. Jahrhundert zugeschrieben, unter anderem die Rettung des Klosters und damit Polens 1655 vor den Schweden.
Schon am frühen Morgen überfluteten liturgische Gesänge, Orgelmusik und Chöre den ganzen Ort, der von leistungsstarken Lautsprechern aus dem Kloster beschallt wurde, das sich auf einer Anhöhe am westlichen Stadtrand befindet. Die Stadt war kaum wiederzuerkennen. Überall wurden der bisherige Weg des Papstes und seine Ankunft per Hubschrauber in Jana Gora auf riesige Bildflächen übertragen, Hunderttausende erwarteten ihn auf den Wiesen und Plätzen vor dem Kloster und auf dem zentralen Innenhof. In das Allerheiligste, die "Kapelle der Muttergottes" mit dem Bildnis der Schwarzen Madonna vorzudringen, war nur wenigen Auserwählten vergönnt. Hier hielt der Papst Andacht, er ließ eine kurze Ansprache verlesen und überreichte ein mit Rosen umkränztes Kreuz, dessen Übergabe seinem Vorgänger - so war zu vernehmen - während der kommunistischen Epoche verweigert worden war. Anschließend wandte sich der Papst an die Menge der Gläubigen, die sich rund um das Kloster versammelt hatten. Beifall und Jubel wollten kein Ende nehmen. Wirklich beeindruckend auch an dieser Mammutveranstaltung war ihr vollkommen friedlicher Verlauf. Die Menschen waren zwar enthusiasmiert, aber sie warteten in aller Bescheidenheit stundenlang, sangen und beteten.
Kloster Jasna Gora mit der 'Schwarzen Madonna'
Foto: Wolfgang Bittner
Bereits in Warschau hatte der Papst betont, dass der Klerus sich vor allem um die geistlichen Angelegenheiten zu kümmern habe und weniger um Ökonomie und Politik; vielleicht war das ein dezenter Seitenhieb auf das fundamentalistische Radio Maria, das schon gegen den Anschluss Polens an die Europäische Union polemisiert hatte (es erhielt übrigens nach dem Regierungswechsel einen TV-Sender hinzu). Es gab auch ein ökumenisches Treffen in der evangelisch-lutherischen Dreifaltigkeitskirche in Warschau, wo von einer Öffnung der katholischen Kirche gegenüber anderen christlichen Glaubensgemeinschaften die Rede war. Was daraus wird, bleibt abzuwarten. Seinen Bußgang nach Auschwitz, wo der Papst Überlebende des Nazi-Terrors traf, hatte er bereits mit Äußerungen über die Wunden des vergangenen Jahrhunderts und die tragische Geschichte Polens vorbereitet. Er kniete im ehemaligen Konzentrationslager vor der Todeswand nieder, an der Tausende Häftlinge erschossen wurden, und bat um Vergebung und Versöhnung.
Allgemein wird in Polen die Meinung vertreten, es sei eine große Ehre für Deutschland, dass Kardinal Ratzinger zum Papst gewählt wurde. Kritik wie vereinzelt in Deutschland an der Politik des Vatikans, unter anderem in der Zeit des "Dritten Reiches", an Joseph Ratzingers politischer Vergangenheit oder auch an den in jüngster Zeit wiederholt veranstalteten Medienspektakeln, ist in den polnischen Medien kaum zu vernehmen. Das katholische Polen, und damit ganz Polen, stand sozusagen Kopf. Der Besuch Benedikts XVI. in dem Nachbarland Deutschlands könnte - wie immer man zu diesem Papst und seiner Politik stehen mag - insofern von großer Bedeutung sein, als er die Möglichkeit hat, für das deutsch-polnische Verhältnis zu werben, das sich in letzter Zeit wieder einmal erheblich abgekühlt hat. Dass ihm daran liegt, geht aus seinen Predigten und Ansprachen während der ganzen Reise hervor. Fraglich, ob sich die Politiker darauf einlassen, und welche Wirkung das in der Bevölkerung haben wird. Der Besuch des Papstes in Polen auf den Spuren seines Vorgängers ist das eine, der polnische Katholizismus und die polnische Politik sind das andere.
Online-Flyer Nr. 47 vom 06.06.2006
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