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Kultur und Wissen
Ein Abenteuerroman von Udo Weinbörner - „Der General des Bey“
Orientalische Karriere eines Amrumer Schiffsjungen
Von Karl Feldkamp

Wer heute auf der nordfriesischen Insel Amrum unweit von Sylt seinen Urlaub verbringt, findet auf dem Friedhof der Kirche in einem Dorf namens Nebel eng beschriebene Grabsteine, auf denen die Nachwelt etwas über die Lebensgeschichten der dort beerdigten Seefahrer lesen kann. Die unglaublich ereignisreiche Geschichte des einheimischen Schiffsjungen Hark Olufs ließe sich allerdings kaum, obwohl auch er in Nebel begraben liegt, auf einem Grabstein verewigen. Dafür brauchte es einen historischen Abenteuerroman, wie ihn Udo Weinbörner schrieb.
 
Der Autor arbeitet hauptberuflich in Bonn als Referatsleiter im Bundesamt für Justiz mit dem Aufgabenbereich "Internationale Zivilrechtshilfe und Forschung“. Nicht von ungefähr interessierte ihn vermutlich auch deswegen das Schicksal des entführten friesischen Schiffsjungen.
 
Inzwischen ist Hark Olufs seit über 250 Jahren tot. Dennoch kennt jeder Amrumer seine unglaublichen Abenteuer. Die beginnen damit, dass sich der Fünfzehnjährige auf seiner Nordsee-Insel frisch und heimlich in Antje verliebt und unmittelbar danach auf der Dreimastbark "Hoffnung“ anheuert. Die Bark wird im Jahre 1724 vor der englischen Küste von algerischen Piraten gekapert. Hark wird mit seinen Mannschaftskameraden gefangen genommen und auf dem Sklavenmarkt von Algier mehrfach hintereinander verkauft. Schließlich gerät er als Kaffeeschwenker an den Hof des Bey von Constantine. Dort gelingt ihm eine erstaunlich schnelle Karriere in allerhöchste Kreise. So steigt er nach wenigen Jahren zunächst zum Schatzmeister und später zum General sowie Oberbefehlshaber der Kavallerie des Bey auf. Obwohl er immer noch an Antje denken muss, verliebt er sich in eine vornehme orientalische Schönheit und nimmt sie sogar zur Frau.
 
Liebe und Reichtum, aber vor allem zunächst das überharte Leben an Bord des Handels- und der Piratenschiffe, die Qualen, die er als Sklave auszuhalten hat, Intrigen und andere Machtspiele am Hof, die Grausamkeiten in den Kriegen, die er für den Bey zu führen hat, sowie die geheimisvollen Gewohnheiten der orientalisch-islamischen Kultur bringen den Norddeutschen immer wieder an lebensgefährliche Abgründe. Mit Klugheit, Geschick und Zähigkeit gelingt es ihm, alle Gefahren zu überleben.
 
Meisterlich versteht es der Autor, seine Leser in jene vergangenen Zeiten und befremdlichen Gewohnheiten, in glückliche und widersprüchliche Gefühle hinein zu ziehen. Ja, er schuf im Grunde sogar einen Roman, der beispielhaft aufzeigt, wie sehr sich einst ein Fremder an eine ihm ungewohnte Kultur anpassen kann, ohne seine eigentliche Identität zu verlieren. Damit entbehrt das Buch nicht einer gewissen Aktualität, obwohl damals der Begriff Bürger mit Migrationshintergrund mit Sicherheit noch gänzlich unbekannt war.
 
Weinbörner gelang ein ungewöhnlich spannendes Buch über einen mutigen Amrumer Schiffsjungen, der die Hoffnung auf die Rückkehr zu seiner heimatlichen Insel nie aufgibt und dem schließlich auch die Heimkehr nach Süddorf auf Amrum glückt. Dort stirbt der historische Hark Olufs in seinem 46. Lebensjahr. (PK)
 
Udo Weinbörner, "Der General des Bey - Das abenteuerliche Leben des Amrumer Schiffsjungen Hark Olufs", Roman, Horlemann Verlag, Bad Honnef, 2010, 287 Seiten, gebunden, € 19,90

Karl Feldkamp, 1943 in Lübeck geboren, selbstständiger Supervisor und Kommunikationstrainer, freier Autor, lebt seit 1989 in Bergisch Gladbach, schreibt Lyrik, Kurzprosa, Essays, Hörspiele, Satire, Rezensionen; Xylos-Lyrikpreis 1981 (PK)


Online-Flyer Nr. 294  vom 23.03.2011

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