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Inland
Lässt Baron zu Guttenberg die Geister der Vergangenheit aus der Flasche?
Bundeswehr bald Söldnertruppe?
Von Wolfgang Effenberger

Am 14. Februar 2011 überraschte Steffen Moritz, Sprecher von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), die Presseleute auf der Bundespressekonferenz mit dem fragwürdigen Hinweis aus dem "Maßnahmenpaket zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr", dass womöglich die Bundeswehr für ausländische Staatsangehörige geöffnet wird. Nach der langen und meist beschämenden Geschichte von Saison-, Ost-, Fremd-, Zwangs- und Gastarbeitern sollen nun auch Ausländer Deutschland verteidigen dürfen.


Der Baron - noch mit der "alten" Bundeswehr - ohne Söldner
Quelle: SZ 15.2.2011
 
Seit hundert Jahren wurden Menschen nach Deutschland gelockt oder verschleppt, um personelle Engpässe zu überbrücken. Ethische Skrupel? Fehlanzeige. Nur wenige Wochen, nachdem die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, stellt man im Verteidigungsministerium voller Überraschung fest, dass ein nicht abzuwendender personeller Engpass die Rekrutierung von Ausländern notwendig machen wird. Hier scheint man aber vorher nicht das Soldatengesetz bemüht zu haben.(1) Der Paragraph 37/(1) Abs. 1 schreibt für ein Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zwingend die deutsche Staatsangehörigkeit nach Artikel 116 des Grundgesetzes vor.(2)
 
Im elastischen Interpretieren des Grundgesetzes haben alle Regierungen der letzten zwei Jahrzehnte sehr viel "Mut" bewiesen. Obwohl der Art. 115a des Grundgesetzes den "Verteidigungsfall" eindeutig als Folge eines Angriffs auf das Bundesgebiet definiert, wurden die weltweiten Einsätze der Bundeswehr ausgeweitet. Das widerspricht dem Sinn und Inhalt des Grundgesetzes. In diese Lücke schlug dann Verteidigungsminister Struck seine erstaunliche Volte mit dem Hinweis, dass die Bundesrepublik am Hindukusch verteidigt würde.
 
Aus den Schrecknissen des letzten Krieges nahm Art. 26 GG das absolute Verbot von Angriffskriegen aus der UN-Charta auf. Diesen Artikel handhabte nun das Bundesverfassungsgericht recht elastisch. „Wir führen keinen Krieg“, behauptete Kanzler Schröder 1999 an dem Tag, als der völkerrechtswidrige Bombenkrieg gegen Jugoslawien begann. Dieser Angriffskrieg erhielt nach der damaligen US-Außenministerin den Namen "Albright-War". Der Generalbundesanwalt hat Klagen gegen die verantwortlichen Politiker mit der Begründung zurückgewiesen, dass es zwar strafbar sei, einen Angriffskrieg vorzubereiten, nicht aber ihn zu führen.(3) Für den ehemaligen Luftwaffenoberstleutnant Jürgen Rose eine Zumutung für Moral und Verstand.
 
Nun soll erstmals seit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik am 5. Mai 1955 die Aufnahme von Ausländern in die Bundeswehr die Regel werden. Diesen Vorstoß des Verteidigungsministeriums will der Grünen-Politiker und Verteidigungsexperte Omid Nouripour unterstützen, sofern es um Leute geht, "die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben“.(4) Das lässt zwar auch keine große Gesetzestreue erkennen, würde aber viele Bürger beruhigen, wie auch die nachfolgende Aussage: Mit dem SPD-Verteidigungsexperten Hans-Peter Bartels (SPD) ist sich Nouripour einig, dass diese Praxis nicht zu einer Söldnerarmee wie der französischen Fremdenlegion führen dürfte. Mit diesen Beruhigungspillen dürfte einer weiteren Aufweichung des Soldatengesetzes nichts mehr im Wege stehen. "Keine Bedenken gegen Ausländer in der Bundeswehr"(5) hat dagegen der Generalinspekteur der Bundeswehr und ehemalige Vorsitzende des Militärausschusses der Nato, Harald Kujat. Für den sich bei allen Gelegenheiten zu Wort meldenden pensionierten General ist für die künftigen Bundeswehrsoldaten nicht die Staatsangehörigkeit, sondern die Eignung das entscheidende Kriterium. Doch welche Eignung meint Kujat? Der umtriebige General wird hier kaum den Paragraphen 37/(1) Abs. 2 des Soldatengesetzes gemeint haben. Hier wird nämlich gefordert, dass der Soldat Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Das macht ihn aber nicht unbedingt zum Kämpfer, den man für die heutigen und künftigen Einsätze benötigt. Denn nach der NATO-Response-Force und dem Konzept der Battle-Groups ist klar: "Grundsätzlich müssen deutsche Soldaten bereit sein, an Orten Verantwortung zu übernehmen, an die wir heute noch nicht denken.“(6) Für diese Einsätze werden sich in der Tat eher junge Leute eignen, die ihre "Eignung" schon in irgendeiner Armee oder Guerillatruppe unter Beweis gestellt haben: so wie die kosovarische "Befreiungsarmee" UCK. Mit deren ehemaligen Kommandeuren arbeitet die EU heute auf höchster Ebene zusammen.
 
Die Geister der Vergangenheit
 
Das war vor 70 Jahren nicht viel anders. Nachdem die Wehrmacht mit zunehmender Kriegsdauer ebenfalls unter Personalknappheit litt, unterbreiteten die Nationalsozialisten 1943 der Vereinigung nationalistischer Albaner (Der Zweiten Liga von Prizren), Freiwillige für den Kampf gegen südslawische Partisanen aufzustellen.(7) Im Gegenzug versprach man den Albanern, deren Streben nach einem albanischen Nationalstaat zu unterstützen – was mit deutscher Hilfe bis heute ja fast erreicht werden konnte.(8)
 
Auf Verfügung vom 17. April wurde deshalb am 1. Mai 1944 im Raum Peć/Priština/Prizren die Waffen-Gebirgs-Division der SS "Skanderbeg" (albanische Nr. 1) aufgestellt. Die albanische Kollaborationsregierung hatte eine Liste von über 11.000 möglichen Rekruten nach Berlin gesandt, von denen die SS letztlich 9.275 Mann für geeignet hielt. Angehörige dieser albanischen SS-Division verübten im Kosovo und den angrenzenden Regionen Kriegsverbrechen an der serbischen Zivilbevölkerung. Zudem war dieser Verband für die Deportation einiger hundert Juden aus dem Kosovo ins KZ Bergen-Belsen verantwortlich.
Monate zuvor war bereits die 13. Waffen-Gebirgsdivision der SS "Handschar"(kroatische Nr. 1) mit über 21.000 Mann aufgestellt worden. Sie führte auf dem Balkan ab Februar 1944 Operationen gegen kommunistische Partisanen durch. Weitere Verbände waren ein Moslem-SS-Selbstverteidigungsregiment in der serbischen Raschka(Sandzak)-Region, das arabische Freiheitskorps, die arabische Brigade und das ostmuselmanische SS-Regiment.
 

Bosnische SS-Freiwillige im November 1943 beim Gebet
Aufnahme einer SS-Propagandakompanie
 
 
Mit der Organisation und Ausbildung von bosnisch-islamischen Wehrmachteinheiten und Waffen-SS-Divisionen war Mohammed Amin al-Husseini, der von Großbritannien vertriebene Großmufti von Jerusalem, betraut.


Mohammed Amin al-Husseini beim Truppenbesuch von bosnischen SS-Soldaten

Bei Kriegsende kämpften in der Waffen-SS insgesamt Soldaten aus zwei Dutzend fremden Ländern. Auch Franzosen und Niederländer.


SS-Werbeplakate: Geworben wird mit dem Kampf gegen den Bolschewismus
Quelle: (links) http://www.flickr.com/photos/27535089@N06/4137432864/in/photostream/
(rechts) http://pythacli.chez-alice.fr/recent18/affiche-ss-charlemagne-10.jpg
 
Mutiert die NATO im Kampf gegen den Terrorismus zur Söldnerarmee?
 
Nur wenige Monate vor "ihrem" Krieg gegen Jugoslawien formulierte die damalige US-Außenministerin: „Wir wollen ein Europa, das handeln kann. Wir wollen ein Europa mit modernen flexiblen Streitkräften, die in der Lage sind, Brände in Europas Hinterhof zu bekämpfen und mit und in einer Allianz unsere gemeinsamen Interessen zu verteidigen.“(9) Heute sitzt Madelein Albright einer NATO-Expertenkommission vor und hilft, die NATO zu einer Söldnerarmee – Stichwort global Blackwater – umzuformen. Nach dem neuen strategischen Konzept will sich die NATO auch auf Atomwaffen und eine eigene Raketenabwehr stützen, um den "Herausforderungen" des 21. Jahrhunderts schlagkräftiger zu begegnen, so die in Brüssel präsentierte Studie.(10) So werden die hier in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen nicht so schnell abgezogen werden, wie es manche Politiker vielleicht wünschen würden. Nach Meinung der Expertenkommission braucht die NATO flexibel und auf größere Entfernung einsetzbare Truppen: "Es gibt eine Notwendigkeit, die NATO-Streitkräfte aus einer machtvollen, aber statischen Aufstellung des kalten Krieges hin zu einer flexibleren, mobileren und wendigeren zu verändern.“(11)
 
Dieses Ziel wurde auf dem NATO-Gipfel im November 2010 in Lissabon verabschiedet und dazu der Entwurf "NATO 2020" vorgelegt. Angesichts einer steigenden Haushaltsmisere wollen die USA die Zusammenarbeit zwischen NATO und EU intensivieren. Das heißt, im Rahmen einer "besseren" Lastenverteilung sollen die Europäer stärker an weltweiten sicherheitspolitischen Aufgaben beteiligt werden. Doch schon jetzt drückt das ehemalige Sicherheitssystem NATO gegen die Grenzen des postsowjetischen Raumes. Das muss im Kreml auch von den Tauben als Provokation aufgefasst werden. Wie würden sich die USA im umgekehrten Fall verhalten?
  

Die ehemalige US-Außenministerin
Madeleine Albright und ihr Protégé Hachim
Thaci. Der heutige Premier machte sich in
der Region Malisheva als UÇK-Kommandeur
mit dem Namen "Die Schlange" einen Namen.
Quelle: http://www.voltairenet.org/IMG/
gif/albright-thaci-2.gif
Das Hauptinteresse der neuen NATO-Strategie gilt den Ressourcen zu Lande und zu Wasser sowie sicheren Handelsrouten weltweit. Dazu müssen auch die deutschen Streitkräfte zu einer effektiven, im multinationalen Verbund operierenden Einsatzarmee transformiert werden.(12) Diesem langfristigen und komplexen Prozess müssen Traditionen wie die politisch umkämpfte Wehrpflicht geopfert werden. Im vorauseilenden Gehorsam hat der Verteidigungsminister zur Freude von Frau Albright bereits vor dem NATO-Gipfel die Wehrpflicht ausgesetzt. Auch der neue Vorstoß des Verteidigungsministers wird bei der ehemaligen US-Außenministerin auf Gefallen stoßen. Denn umfangreiche militärische Aufgaben werden vom Pentagon bereits an private Söldnerfirmen vergeben.
 
Das ist aus mehreren Gründen sehr praktisch. Viele Einsätze entziehen sich dadurch der Kontrolle durch den Kongress. Auch werden damit die Fesseln des Kriegsvölkerrechtes gelockert – eine Entwicklung, der Widerstand entgegengebracht werden muss! (PK)
 
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, wurde mit 18 Jahren Zeitsoldat, studierte Bauingenieurwesen und erhielt als junger Pionieroffizier Einblick in das von den USA vorbereitete “atomare Gefechtsfeld“ in Europa. Nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr als Major studierte er in München Politikwissenschaft und Höheres Lehramt.
 
Anmerkungen
(1) Soldatengesetz (SG) neugefasst durch B. v. 30.05.2005 BGBl. I S. 1482; zuletzt geändert durch Artikel 2 G. v. 31.07.2010 BGBl. I S. 1052; Geltung ab 10.08.1975, hier § 37/ 1 Abs. 1
(2) Unter § 37/1 (2) kann das Bundesministerium der Verteidigung auch schon heute in Einzelfällen Ausnahmen von Absatz 1 Nr. 1 zulassen, wenn dafür ein dienstliches Bedürfnis besteht.
(3) Jürgen Rose: Ernstfall Angriffskrieg, Hannover 2009, Buchrückseite
(4) http://www.nouripour.de/index.php?id=einzelansicht&tx_ttnews%5Btt_news%5D=129080&cHash=5d66d4a7f7
(5) Roman Heflik: Kujat: "Keine Bedenken gegen Ausländer in der Bundeswehr"vom 16. Februar 2011 unter http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article1788255/Kujat-Keine-Bedenken-gegen-Auslaender-in-der-Bundeswehr.html
(6) Frankfurter Rundschau. 2. 6. 2005; vgl. auch Norman Paech: Über den Wendekreis des Krebses hinaus. Gratwanderung am Hindukusch und: Soll die Bundeswehr das Grundgesetz überall auf der Welt "verteidigen"? Aus: Freitag 39, 30. September 2005
(7) Serbien und Montenegro: Raum und Bevölkerung - Geschichte - Sprache und Literatur - Kultur - Politik - Gesellschaft - Wirtschaft - Recht; LIT-Verlag 2006, Seite 286
(8) Dušan Bataković: The Kosovo Chronicles (Kapitel “The AlbanianLeague”), Belgrad 1992
(9) Madeleine K. Albright, ‘The right balance will secure NATO’s future,’ Financial Times, December 7th, 1998
(10) "Nato soll laut Albright auf Atomwaffen setzen" vom 17. Mai 2010
unter http://www.welt.de/politik/ausland/article7664635/Nato-soll-laut-Albright-auf-Atomwaffen-setzen.html
(11) Ebenda
(12) Alexander Lewe: Hintergrund: Die NATO – neue Herausforderungen und Transformation in aussenpolitik.net vom 11. Oktober 2010 unter http://aussenpolitik.net/themen/sicherheitspolitik/nato/index/


Online-Flyer Nr. 290  vom 23.02.2011

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