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Lokales
Programm MÜLHEIM 2020 - politisch nicht genehm – also wenig Chancen
Rot-Grün in Köln-Mülheim vor dem Aus?
Von Heinz Weinhausen

Durch die Untätigkeit der Verwaltung unter SPD-Amtsleiterin Maria Kröger hatte die KölnSPD das Programm Mülheim 2020 - 40 Millionen für einen benachteiligten Stadtteil aus EU-, Bundes- und Landesmitteln - fast zum Absturz gebracht. Erst Bürgerproteste - die NRhZ berichtete - zwangen OB Jürgen Roters zum Eingreifen. Auch jetzt sind aber erst drei von 47 Projekten ausgeschrieben. Was politisch nicht genehm ist, hat wenig Chancen, in der verbleibenden Zeit bis 2013 noch realisiert zu werden.
 
Rasch geht nur die von der SPD gewünschte Aufwertung der Frankfurter und der Buchheimer Straße zu „Boulevards“ und „Flaniermeilen“ mit Bäumen voran. Mit solchen Projekten können Stadtväter vor Menschen mit dem gleichen sozialen und politischen Horizont wie sie selbst natürlich renommieren.
 
Ein weiteres unliebsames Projekt, die Bauteilbörse, ist auf andere Weise erledigt worden. Hier hatte die zuständige Fachverwaltung - das Sozialamt - vorzügliche Vorarbeit geleistet und das Projekt, in dem Arbeitsplätze im „niedrigschwelligen Bereich“ - d.h. für Arbeitslose ohne besondere Berufsqualifikationen - entstehen sollen, Ende 2010 termingerecht für die Ausschreibung fertig gemacht. In diesem Falle nun konnte die Ausschreibung nicht erfolgen, weil das Amt für Stadtentwicklung unter Amtsleiterin Maria Kröger angeblich nicht genügend Mittel beim Regierungspräsidenten abgerufen hatte - für ein Programm, das seit drei Jahren verschleppt wird, eine abenteuerliche Begründung. Nun muss das Projekt für ein Jahr verschoben werden. Da passt es gut, dass der zuständige Minister für die Bundesmittel, die ins Projekt fließen, der CSU- Politiker Ramsauer, gerade verfügt hat, dass soziale Projekte nicht mehr gefördert werden sollen. Das bedeutet vermutlich das Aus für eines von zwei Projekten von insgesamt 47, wo tatsächlich und direkt Arbeitsplätze geschaffen werden.
 
Alle Projekte der Lokalen Ökonomie waren der SPD schon immer ein Dorn im Auge. Nach der dort vorherrschenden Meinung schaffen Menschen sich nicht selbst Arbeitsplätze, sie werden vielmehr von Unternehmern - oder besser „Investoren“ - geschaffen. Wer da nichts findet, der kann ja bei Hartz IV in der Arbeitslosen-„Industrie“ anfangen, wo die Sozialkonzerne ihre Millionen verdienen.
 
Aber der bisherige Erfolg bei der Verhinderung unerwünschter Projekte bei Mülheim 2020 lässt die Mülheimer SPD nicht ruhen: Es fing ganz harmlos an. Bei der ersten Sitzung des Veedelsbeirates im vergangenen Sommer stellte Beiratsmitglied und SPD-Ratsherr Michael Zimmermann eine dringliche Vorlage vor. Es musste sofort, quasi über Nacht, ein Bebauungsplan für einen Teil der Brache des Alten Güterbahnhofs her. Ein erstaunlicher Vorgang nach 40 Jahren Stillstand.
 
Aber immerhin, es ging um Arbeitsplätze, die Stahlhandelsfirma, die bereits einen Teil des Geländes im Norden nutzt, wolle dort, so hieß es, alle Betriebe aus Köln und Umgebung konzentrieren. Und wenn man nicht sofort zusage, nun, dann - wen überrascht es? - drohe natürlich der Weggang des ganzen Unternehmens ins Kölner Umland. Auf das Umfeld werde natürlich Rücksicht genommen, man wolle nur erst mal hier Planungssicherheit.
 
Eine Debatte folgte. Vertreter des Veedelsbeirates verlangten nur so viel vom Gelände in den B-Plan einzubeziehen, wie unbedingt nötig sei. Die Grenze wurde daraufhin nach Norden verschoben. Weiter wurde gefordert, der LKW-Verkehr möge nicht durchs neu zu planende Viertel abfließen, sondern eine eigene, kurze Anbindung an die Carlswerkstraße im Nord-Osten mit kurzem Zugang zur Autobahnauffahrt Köln-Dellbrück erhalten. Eine Prüfung wurde zugesagt. Das war im Juni.
 
Nun, acht Monate später, trat die Verwaltung wieder vor das Gremium. Herr Scherer als Vertreter des Planungsdezernenten Streitberger erklärte, dass es nichts geworden sei, mit der direkten Anbindung. Der Schwerlastverkehr rolle durchs Viertel nach Westen auf die neu zu bauende Markgrafenstraße, von dort zum Clevischen Ring und dann zur Autobahnauffahrt Mülheim. Einen Auftrag an die Verwaltung zur Prüfung einer anderen Auffahrtmöglichkeit ließ SPD-Vorsitzender Norbert Fuchs mit SPD- und CDU-Stimmen und den Vertretern diesen zugehöriger Verbände niederstimmen.
 
Auf Fragen entwickelte Scherer das weitere Konzept, das die Mülheimer Sozialdemokraten inzwischen offensichtlich mit Baudezernent Streitberger (CDU) abgestimmt haben. Danach soll das neu zu planende Viertel zwischen Keupstraße und Berliner Straße nur eine Verbindung nach Westen erhalten. Aber auch hier ist - wegen der Schwerlaster - kein direkter Zugang zur Berliner Straße möglich. Ansonsten wird es keine Übergänge geben. Angeblich verbiete dies der Charakter der neu auszubauenden Markgrafenstraße als Bundesstraße. Einwände, andere Bundesstraße im Viertel hätten auch zahlreiche Kreuzungen, wurden als unsachlich abgewiesen. Herr Scherer gab an, dass diese Planung direkt von Baudezernent Streitberger so beschlossen worden sei.
 
Die Grünen verweigerten diesem Bebauungsplan ihre Zustimmung, weil er gegen die grundlegenden Bestimmungen verstößt, wie sie in Mülheim 2020 vom Rat beschlossen wurden.(1)
 
Scherer teilte dem erstaunten Publikum allerdings auch mit, dass ein sofortige Beschlussfassung gar nicht nötig sei, da Streitberger sich entschlossen habe, den Bauantrag der Firma Drösser für ihren Erweiterungsbau schon mal vorab als „Anschlussbebauung“ nach § 34 Bundesbaugesetz zu genehmigen, wozu ein Bebauungsplan nicht erforderlich sei.
 
Der Bebauungsplan wurde trotz der offensichtlichen Mängel von der SPD- CDU-Mehrheit im Veedelsbeirat beschlossen. Der anwesende Grüne Bezirksvertreter Winfried Seldschopf, der auf die Mängel hinwies, wurde vom Veedelsbeiratsvorsitzenden Norbert Fuchs (SPD) darauf hingewiesen, dass er im Veedelsbeirat kein Rederecht habe.
 
Am kommenden Montag, den 21.2., soll der Bebauungsplan durch die BV gebracht werden. Seldschopf, der Bedenken anmeldete, wird seither vom Koalitionspartner unter Druck gesetzt. Wenn er nicht zustimme, sei die Koalition am Ende. Dass die SPD im Veedelsbeirat bereits mit CDU und FDP und nicht mit den Grünen gestimmt hat, spielt nach Auffassung der Sozialdemokraten offenbar keine Rolle.
 
Die Mülheimer Grünen stehen nun vor einer Zerreißprobe: verteidigen sie Mülheim 2020 und das Neue Gebiet für Wohnen und Arbeiten zwischen Keupstraße und Berliner Straße mit seinen Projekten von Wohnen und Arbeiten, kämpfen sie weiter für die Öffnung des Viertels in Richtung Rhein, oder knicken sie vor dem großen Bruder ein und machen sich zum Anhängsel einer Partei, die in dieser Form keine Zukunft hat. (PK)
 
 
(1)
(Hervorhebungen von der Redaktion)
Mülheim 2020 - 6.3.3 Städtebauliche Leitprojekte, S. 116-121
 
117 unten
Erweiterung des Einzugsgebiets der Berliner Straße
Der Berliner Straße fehlt es deutlich an Attraktivität. Sie ist als Einkaufsstraße städtebaulich nur an das Viertel Mülheim-Nord angeschlossen. Zur Böcking-Siedlung und dem weiter nördlich am Rhein gelegenen Wohngebieten wirkt der Clevische Ring wie eine Trennlinie. Östlich der Berliner Straße bildet die Brachfläche des ehemaligen Güterbahnhofs eine weitere Zäsur. Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung der Berliner Straße ist die Überwindung dieser Barrieren und die Realisierung einzelner städtebaulicher Verbesserungen, wie z.B. die Entwicklung des Bürgerparks an der Berliner Straße oder die Öffnung des Marktplatzes zur Güterbahnhofsbrache.
 
118
Entwicklungskonzept Mülheim-Nord
Für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von Mülheim-Nord sind die oben bereits angesprochene Öffnung des nördlichen Mülheims vom Gewerbegebiet Schanzenstraße bis zum Rhein und das städtebauliche Zusammenwachsen des nördlichen Programmgebiets von grundlegender Bedeutung. Dafür braucht die Stadt Köln ein städtebauliches Entwicklungskonzept für Mülheim-Nord, das folgende Elemente umfassen muss: -
 
119
Entwicklung der Güterbahnhofsbrache
Die ungenutzte Brache des ehemaligen Güterbahnhofs verstärkt die Verinselung der Viertel in Mülheim-Nord, schottet das Gewerbegebiet Schanzenstraße zur Berliner Straße hin ab und lässt Potenzialflächen ungenutzt. Die Entwicklung der Güterbahnhofsbrache ist eine zwingende Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufschwung in Mülheim-Nord. Die zukünftige Nutzung muss daher zwischen Schanzenstraße, Keupstraße und der westlich angrenzenden Wohnbebauung vermitteln.
Für die Güterbahnhofsbrache sollte ein Nutzungskonzept entwickelt werden, das den gewerblichen Nutzungsmix im Gewerbegebiet Schanzenstraße fortführt und einen verträglichen Übergang zur Wohnnutzung im Westen der Fläche findet. Die Abstandsfläche zum Gewerbegebiet Schanzenstraße muss dabei so bemessen werden, dass dessen industrielle und gewerbliche Nutzung nicht gefährdet wird. Bei der Entwicklung der Güterbahnhofsbrache sollte die Integration von Betrieben mit Arbeitsmöglichkeiten im niedrigschwelligen Bereich besonders berücksichtigt werden. -
 
120
Neben der Flächenentwicklung sind die Wegebeziehungen, insbesondere in Ost-West-Richtung, zu optimieren. Dazu sind u. a. die Schaffung zusätzlicher Übergänge über die Stadtbahntrasse in der Markgrafenstraße, die großzügige Öffnung des Marktplatzes an der Berliner Straße zum Planungsgebiet und die Gewährleistung einer auch nachts sicheren Wegebeziehung zur Stadtbahnhaltestelle Von-Sparr-Straße notwendig. Eine Kopfbebauung zur Keupstraße soll hergestellt werden, die die Keupstraße als Geschäftsstraße an die Stadtbahnhaltestelle heranführt. Wünschenswert wäre weiterhin die Ergänzung und Fortführung des Geschäfts- und Gastronomiebesatzes durch hochwertige Dienstleistungs- und Einzelhandelsangebote.

Anmerkung der Redaktion:
Auf wessen Seite der Kölner Stadt-Anzeiger in diesem Konflikt steht - auf der der Mülheimer Bürger und Bürgerinnen, oder auf der der Stadtverwaltung und ihres OB - können Sie unter 
http://www.ksta.de/html/artikel/1288741506863.shtml
lesen. 
 


Online-Flyer Nr. 288  vom 15.02.2011

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