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Aktueller Online-Flyer vom 18. April 2024  

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Aktuelles
Die NRhZ-Kolumne
Aus tausend und einer Nacht - oder der Geist aus der Flasche
von Norbert Arbeiter

In dieser Woche wurde in der arabischen Welt Geschichte geschrieben. Die Menschen bäumen sich aus eigener Kraft gegen ihre Despoten auf. Nach ewiger Unterdrückung bannt sich eine Explosion aus Hass und Frust ihren Weg. Die westlichen Führer in einer Art Schockstarre. Eine Jahrzehnte andauernde Symbiose der westlichen Regierungen mit ihren arabischen Partnern zerbröselte völlig überraschend innerhalb einer Woche.

Die deutschen Mainstream-Medien - anfänglich noch mit ihren altgedienten, abgedroschenen Schlagzeilen, wie Krawalle, kriminelle Banden, Chaoten usw. - mussten sich wie Chamäleons der wirklichen Lage immer mehr anpassen. Zaghafte Eingeständnisse, dass die westliche Unterstützung mafioser Regime wie z.B. des tunesischen Ben Ali vielleicht ein Fehler war. Nur das CDU-gesteuerte ZDF berichtete noch am Samstagabend, das die Angst ihrer Korrespondenten in Kairo und Suez vor marodierenden, kriminellen Banden das größte Problem sei und alles andere in den Hintergrund stelle. Die Botschaft: Wenn geordnete Gesellschaftssysteme wie das Regime von Husni Mubarak stürzen, regiert nur noch der kriminelle Mob. Mein Gott wie schrecklich! Soll der Normal-Bürger denken und sich wieder nach der ordnenden Hand des Despoten sehnen. Dieselbe, schon peinliche Masche wie zu Beginn des Tunesischen Volksaufstandes.

Der Vorsitzende der Oppositionspartei „ El-Ghad“, Ayman Nour, sagte in einem EuroNews-Telefon-Interview am Samstag: „Es bilden sich jetzt Bürgerwehren um die Menschen zu schützen, und ich rufe jedermann auf, sich ihnen anzuschließen. Wir müssen etwas tun gegen den Ausverkauf der Institutionen und die Plünderungen. Dahinter stecken Polizei und Regierungstreue.“ Das ist die Wirklichkeit, die deutsche Medien für nicht so erwähnenswert halten.

Die Pro-Westlichkeit der mit Milliarden erkauften Despoten, diente nur wirtschaftlichen Interessen und der "Stabilisierung" dieser Regionen. Tausende Foltertote, Massenmorde und die ganze Palette von Korruption und Machtmißbrauch wurde billigend in kauf genommen. Dass es einmal knallen könnte, war für die politische Klasse des Kapitalismus undenkbar.

Am Samstagabend quälte sich Friedensnobelpreisträger Obama mit der Formulierung durch die News-Sendungen: „Ägypten braucht jetzt wohl Reformen“. Korrespondenten interpretierten den Satz so, dass Obama noch abwarte und sich nicht voreilig auf eine Seite schlagen wolle - die des Despoten oder die der Demokraten. Jetzt erst versteht man die Entscheidung des Nobel-Komitees.

Wie Obama forderten nun natürlich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ein Ende der Gewalt und mahnten Meinungs- und Informationsfreiheit an. Wauh!! Das bringts doch, oder? Kein Wort zum Hausarrest des anderen Friedensnobelpreisträgers Mohammed el Baradei, augenblicklich Integrationsfigur des ägyptischen Volksaufstands, den fast 200 Toten, sowie zur noch nie dagewesen Abschaltung des Internet und teilweise auch des Telefonverkehrs. Auch Merkel eierte rum mit ihrem radikal-basisdemokratischen Ansatz: Die Ägypter hätten Grund zur berechtigten Beschwerde. Wer hatt ihr das denn auf den Zettel getippt !?!

Dabei sind die Menschen in den nordafrikanischen Ländern besonders auf Hilfe von außen angewiesen. Aber aufgrund ihrer Erfahrungen bitten sie Allah, dass diese Hilfe nicht mehr aus dem Westen kommen soll. Dass sich die Hölle nun in ein Leuchtfeuer verwandeln soll, macht sie skeptisch. (PK)

Ältere Kolumnen sind auf der linken Seite unter RESSORTS/Kommentare.

 

 



Online-Flyer Nr. 286  vom 30.01.2011

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