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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Aktuelles
Seit 49 Jahren erstmals NICHT-Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille
Israel lässt Mordechai Vanunu nicht ausreisen
Von Peter Kleinert

Die Internationale Liga für Menschenrechte wird in diesem Jahr aller Voraussicht nach keinen Festakt der Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille durchführen können. Der ausgezeichnete Mordechai Vanunu wird offenbar nicht aus Israel ausreisen dürfen, um die Medaille am 12. Dezember in Berlin persönlich entgegen zu nehmen. Mordechai Vanunu teilt somit das Schicksal Liu Xiabos, der in China daran gehindert wird, das Land zu verlassen, um den Friedensnobelpreis 2010 in Empfang zu nehmen.
 
Vanunu hatte seit 1976 als Techniker in dem von der israelischen Regierung geheim gehaltenen Dimona Nuclear Research Center im Negev gearbeitet. Nachdem die Londoner Sunday Times nach gründlicher Prüfung durch den britischen Atomexperten Frank Barnaby in einem Artikel am 5. Oktober 1986 veröffentlicht hatte, dass Israel Atommacht geworden war, wurde er mit Hilfe der Agentin Cindy Hanin Bentov als Lockvogel vom Geheimdienst Mossad nach Rom gelockt, entführt und von dort per Schiff nach Ashdod in Israel gebracht. Wegen Landesverrats und Spionage wurde er zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, durfte nach Ablauf der Strafe das Land nicht mehr verlassen, sondern wurde gelegentlich sogar wegen Pressekontakten zu weiteren Haftstrafen verurteilt.
 
Statt Medaillenverleihung Manifestation des Protestes
 
Die für den 12. Dezember geplante Medaillenverleihung soll deshalb eine „Manifestation des Protestes“ werden. Die Liga ruft dazu auf, zahlreich an dieser NICHT-Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille teilzunehmen, die zugleich Auftakt einer internationalen Kampagne für „Reisefreiheit für den Whistleblower Mordechai Vanunu!“ werden soll. Der von Vanunus Anwalt Michael Sfard für seinen Mandanten beim israelischen Innenministerium gestellte Antrag auf Ausreise blieb bisher ebenso unbeantwortet wie ein Appell der Liga (siehe http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15716. Mordechai Vanunu selbst hat gegenüber seinem Anwalt den dringenden Wunsch geäußert, dass die Verleihung in Berlin und nur in seiner Gegenwart stattfindet. Diesem Wunsch fühlt sich der Vorstand der Liga verpflichtet.
 
Weder ein Offener Brief international angesehener Persönlichkeiten an die in Israel politisch Zuständigen - unterzeichnet u. a. von Günter Grass, Chemienobelpreisträger Harry Kroto (GB), Physiknobelpreisträger Jack Steinberg (USA), Ambassadeur de France Stéphane Hessel, Träger des Alternativen Nobelpreises, Dan Ellsberg (USA), Ronnie Kasrils (Südafrika) - zeigte Wirkung, noch ein dringender Appell, den sechs Friedensnobelpreisträgerinnen von ihrem Treffen anlässlich des 65. Jahrestages des Abwurfs der ersten Atombomben auf Nagasaki und Hiroshima, an den israelischen Präsidenten Peres und Premier Netanjahu gerichtet haben.
 
Verstoß gegen die universellen Menschenrechte
 
Die Liga protestiert gegen die in Israel offenbar sanktionierte Rechtspraxis, die es ermöglicht, dass Mordechai Vanunu nach vollständiger Verbüßung einer 18-jährigen Haftstrafe weiterhin in seinen Rechten eingeschränkt ist. Er darf sich auch auf israelischem Territorium nicht frei bewegen und gegenüber ausländischen Medien, Botschaften und Personen seine Meinung nicht frei äußern. „Eine solche, sich seit 2004 hinziehende „Staffelstrafe“ verstößt gegen die universellen Menschenrechte; ausdrücklich gegen Art. 14 Abs. 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte“, erklärt die Liga. „Gemeinsam mit Vanunus Anwalt fragen wir: Hat man in Israel ein Interesse daran, sich zu der unschönen Gruppe von Nationen zu gesellen, die ihre Bürger daran gehindert haben, internationale Preise entgegen zu nehmen, indem sie deren Teilnahme an den jeweiligen Festakten verhinderten“?
 
Appell der sechs Friedensnobelpreisträgerinnen
 
In dem erwähnten Appell der sechs Friedensnobelpreisträgerinnen Betty Williams, Friedens-Nobel-Preis 1979, Mairead Maguire, Friedens-Nobel-Preis 1979, Rigoberta Menchu Tum, Friedens-Nobel-Preis 1992, Jody Williams, Friedens-Nobel-Preis 1997, Shirin Ebadi, Friedens-Nobel-Preis 2003 und Wangari Maathai, Friedens-Nobel-Preis 2004 an den israelischen Präsidenten Peres und Premier Netanjahu heißt es u.a:
 
„Sehr geehrte Herren, Präsident Peres und Ministerpräsident Netanjahu, wir schreiben Ihnen, um Sie zu bitten, Mordechai Vanunu vollständig und bedingungslos frei zu lassen und alle Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit aufzuheben. Herr Vanunu verbrachte bereits 18 Jahre im Gefängnis dafür, dass er die internationale Gemeinschaft und das israelische Volk vor dem Kernwaffenpotential der israelischen Regierung gewarnt hatte. Seit seiner Entlassung 2004 blieben ihm viele grundlegende Rechte, einschließlich des Rechts auf Bewegungs-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit versagt.
 
Im Oktober dieses Jahres wurden diese anhaltenden Einschränkungen vom Obersten Gerichtshof Israels auf der Basis gerechtfertigt, dass sein Wissen über Israels Kernwaffenforschung von vor mehr als 25 Jahren den Staat Israel weiterhin gefährde. Und doch, Herr Vanunu ist nicht ein Feind des Staates Israel! Er ist eine mutige Einzelpersönlichkeit, deren Engagement für Menschenrechte und die Nichtverbreitung von Atomwaffen international anerkannt ist. Vor einigen Wochen wurde Herr Vanunu von der Internationalen Liga für Menschenrechte für die Verleihung der angesehenen Carl-von-Ossietzky-Medaille 2010 ausgewählt. Diese Auszeichnung wird alljährlich zu Ehren Carl von Ossietzkys vorgenommen, der als deutscher Pazifist wegen seines entschiedenen Widerstands gegen das Nazi-Regime in Konzentrationslager verbracht und eingesperrt wurde.
 
Wenn wir uns in Japan zum Gipfeltreffen der Friedensnobelpreisträger versammeln, erinnern wir uns an die unmenschliche Verwüstung, die durch die Bombardierungen von Hiroshima und Nagasaki verursacht wurden. Wir zollen dem Engagement von Einzelpersönlichkeiten Anerkennung, die sich wie Mordechai Vanunu dem Ziel verschrieben haben, die Welt von der Bedrohung durch Kernwaffen zu befreien, damit sich eine solche Verwüstung nie wieder ereigne. In diesem Sinne bitten wir Sie eindringlich sicher zu stellen, dass die Beschränkungen, die Herrn Vanunu auferlegt sind, unverzüglich aufgehoben werden, damit er Israel verlassen und seine Medaille am 12. Dezember 2010 in Berlin entgegennehmen kann.“
 
Bei seiner Freilassung in der Stadt Aschkelon im April 2004 hatte Anunu öffentlich einen Verzicht Israels auf Atomwaffen und internationale Inspektionen im Reaktorzentrum der Wüstenstadt Dimona gefordert. Er warf den israelischen Geheimdiensten zudem eine „grausame, barbarische Behandlung" im Gefängnis vor, wo er mindestens elf Jahre in Isolationshaft verbrachte. „Ich bin stolz und glücklich, getan zu haben was ich tat", sagte Vanunu. An die Adresse der Sicherheitsbörden gewandt erklärte er: „Ihr habt es nicht geschafft, mich zu zerbrechen." (PK)


Online-Flyer Nr. 279  vom 08.12.2010

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