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Aktueller Online-Flyer vom 19. August 2025  

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Inland
Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland
10 Jahre Grundrechte-Report 
Vorwort der Herausgeber

Vor 10 Jahren, 1997, erschien der erste Grundrechte-Report, vorgelegt von den vier Bürgerrechtsorganisationen Humanistische Union, Gustav-Heinemann-Initiative, Komitee für Grundrechte und Demokratie sowie Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen. Das seinerzeitige Vorwort, die Philosophie des Grundrechte-Reports als Alternativer Verfassungsschutzbericht, haben wir in diesem Band wieder abgedruckt.

Was hat sich in diesen 10 Jahren verändert? Der Kreis der herausgebenden Organisationen hat sich erweitert. Hinzugetreten sind ProAsyl, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen, die Internationale Liga für Menschenrechte und die Neue Richtervereinigung. Der jährlich zum Verfassungstag erscheinende Grundrechte-Report hat sich zum Sprachrohr all derjenigen Organisationen entwickelt, die sich für die Menschen- und Bürgerrechte, für den demokratischen Rechtsstaat einsetzen.

Dabei zeigt sich bei einem Vergleich, dass die Themen des ersten und des zehnten Bandes schwerpunktmäßig dieselben sind: Zwar werden naturgemäß, da der Grundrechte-Report jeweils über das abgelaufene Jahr informiert, unterschiedliche Fälle, Urteile, Gesetzgebungsvorhaben und Verwaltungspraktiken geschildert. Aber es geht unverändert um besorgniserregende Entwicklungen und Übergriffe von Polizei und Nachrichtendiensten, um Verletzungen des Demonstrations- und Versammlungsrechts, um die überhandnehmende Überwachung und damit Verletzung des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung, um Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit, um Asyl-, Ausländer- und Flüchtlingsrecht, um die Trennung von Staat und Kirche, um die vom Grundgesetz geforderte Friedensstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und um die Auswirkungen europäischer Politik und Maßnahmen auf die Bürger- und Menschenrechte. Lediglich der Bericht über ein "Grundrecht" beansprucht allerdings zunehmend Raum im Grundrechte-Report: Die verfassungsrechtlich in Art. 20 Grundgesetz gesicherte Sozialstaatlichkeit wird immer mehr in Frage gestellt und ausgehöhlt.

Nichts geändert hat sich auch an der Grundthese der Herausgeber, Jahr für Jahr durch die Realität bestätigt, dass ernsthafte Gefahren für unseren freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat mit seinen Bürger- und Menschenrechten weniger ausgehen von sog. Verfassungsfeinden und verfassungsfeindlichen Bestrebungen, sondern in erster Linie vom Staat und seinen Institutionen, und daher der Schutz der Verfassung nicht etwa in den Händen der Verfassungsschutzbehörden liegt, sondern Aufgabe der Bürgerinnen und Bürger ist. Ebenso ist die Feststellung im Vorwort des ersten Grundrechte-Reports leider immer noch richtig, dass Gegenstand positiver Berichte - leider - nur Gerichtsentscheidungen sind, nicht staatliches Handeln. Allerdings gleicht die Reaktion des Gesetzgebers auf beschränkende Gerichtsurteile einer Hydra - auf verfassungswidrige Gesetze folgt eine Reihe von neuen Gesetzesinitiativen, die der alten Intention weitgehender Eingriffsermächtigung entsprechen und die gerichtlichen Vorgaben allenfalls rhetorisch-symbolisch aufgreifen. Die Berichte über Entwicklungen im Bereich der Überwachung von Bürgern und Bürgerinnen in diesem Report (Großer Lauschangriff, Telekommunikationsüberwachung und kumulierte Überwachung samt GPS) geben ein beredtes Zeugnis. Indes gilt es auch eine Ausnahme zu berichten: Während 1997 keine einzige gesetzgeberische Initiative auszumachen war, die einen Ausbau der Bürger- und Menschenrechte zum Ziel hatte, kann im vorliegenden Grundrechte-Report immerhin über das neu verabschiedete, wenn auch mangelhafte, Informationsfreiheitsgesetz berichtet werden.

Angesichts der Bedrohungen und Einschränkungen der Bürger- und Menschenrechte durch die öffentliche Gewalt im Namen einer angeblichen Sicherheit ist dem zehnten Grundrechte-Report dasselbe Wort des amerikanischen "Verfassungsvaters" Benjamin Franklin voranzustellen wie dem ersten Grundrechte-Report: "Der Mensch, der bereit ist, seine Freiheit aufzugeben, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren."

Die HerausgeberInnen:
Müller-Heidelberg / Finckh / Steven / Kühn / Micksch /
Kaleck / Kutscha / Gössner / Schreiber

Der GRUNDRECHTE-REPORT 2006 - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland wurde am 22. Mai in einer Pressekonferenz der Herausgeber-Organisationen in Karlsruhe vorgestellt.

Lesen Sie auch die NRhZ-Buchkritik:
"Zerstörungsprotokoll und Aufruf zum Widerstand".

GRUNDRECHTE-REPORT 2006

Fischer Taschenbuch Verlag
in der S. Fischer Verlag GmbH,
Frankfurt/M. Juni 2006
256 Seiten,

ISBN: 3-596-17177-6;
Preis 9,95 EUR

www.grundrechte-report.de








Online-Flyer Nr. 45  vom 23.05.2006

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