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Inland
Buchkritik
Zerstörungsprotokoll und Aufruf zum Widerstand
Von Hans-Detlev von Kirchbach
"Alternativer Verfassungsschutzbericht"
Wenn alljährlich die "Verfassungsschutzberichte" des Bundes und der Länder erscheinen, so ist das für die herrschende Innenpolitik hierzulande meist Anlaß, noch weitere Eingriffe in demokratische Grundrechte zu fordern, noch tiefgreifendere Beschränkungen des Versammlungs-, Demonstrations- und Vereinigungsrechts voranzutreiben, Polizei und insbesondere Geheimdiensten immer mehr Kompetenzen zur Überwachung der Bürger einzuräumen. Diesen Ritualen, mit denen die Staatsreligion des allumfassenden Sicherheitsstaates ihre regelmäßigen Exerzitien feiert, wollten Bürgerrechtsvereinigungen wie das in Köln ansässige Komitee für Grundrechte und Demokratie und die Humanistische Union eine demokratische Alternative entgegensetzen.
So erschien 1996 der erste "Grundrechte-Report", der nunmehr in sein zehntes Jahr geht. Als "alternativen Verfassungsschutzbericht" und Bestandsaufnahme über den Zustand der Grundrechte hierzulande begreifen Herausgeber und Autoren dieses alljährliche Sammelwerk, das reichhaltig, aber letztlich doch immer nur bruchstückhaft, den Jahr für Jahr beschleunigt vorangepeitschten Prozeß der Grundrechtsdemontage dokumentiert und kritisiert. Was in Teilen einer noch kritischen Öffentlichkeit immerhin, wenn auch deutlich resignative, Aufmerksamkeit erregt, stößt bei den politischen Adressaten allerdings auf taube Ohren; bestenfalls, so wollen wir hier einmal sarkastisch vermuten, stehen die AutorInnen des Grundrechte-Reports schon auf einer schwarzen Liste der kritisierten "Staatsschutz"-Einrichtungen.
Verfall des Grundrechtsbewußtseins
Dabei kann der "Grundrechte-Report" immer wieder mit allerlei politischer Autoren- und Unterstützer-Prominenz aufwarten. Dafür stand in diesem Jahr zum Beispiel die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, die den diesjährigen Jubiläums-Report bei der Pressekonferenz in Karlsruhe der Öffentlichkeit vorstellte. In der Autorenliste des vergangenen Jahrzehnts finden sich klangvolle Namen wie etwa Burkhart Hirsch, der ehemalige FDP-Innenminister von Nordrhein-Westfalen, oder sein einstiger SPD-Kabinettskollege Diether Posser. Solche Personalien könnten an sich immerhin in gewisser Weise hoffnungsvoll stimmen, wenn es sich denn nicht überwiegend um Pensionäre handeln würde.
Bei Rechts- und Innenpolitikern der älteren Generation, das ist der leider deprimierende Umkehrschluß, war offenbar noch, gerade vor dem Hintergrund eigener biographischer Erfahrungen mit Nazidiktatur und Autoritarismus der 50er Jahre, zumindest ein Ansatz von Grundrechtssensibilität vorhanden, der den heutigen forschen Managern des totalen Sicherheits- und Überwachungsstaates vollkommen abzugehen scheint. Freilich war es gerade Gerhard Schröders Kabinetts-Methusalem Otto Schily, der wie kein anderer Innenpolitiker seit Adenauers Zeiten den formierten Rückmarsch in den alten, allerdings technisch unvergleichlich perfektionierten, Autoritarismus vorangetrieben hat. Aus der für seinesgleichen symptomatischen Mißachtung für "Bedenkenträger" und "Grundrechtsfundamentalisten" hat Schily, der sich von seinem Kanzler gern mit dem französischen Polizeistaatsminister Fouchè vergleichen ließ, nie einen Hehl gemacht.
Noch viel schlimmer als befürchtet
Und so ist es auch nicht erstaunlich, wenn man beim Blick in ältere Ausgaben des "Grundrechte-Reports" feststellen muß, daß die dort jeweils warnend prognostizierten oder heftig kritisierten Fehlentwicklungen mittlerweile, geradezu nach dem Motto: Nun erst recht, zugespitzte Wirklichkeit geworden sind. Dank der Großen Koalition wird etwa einem "unfairen Beweismittel", dessen "langes Leben" seit den antikommunistischen Inquisitionsprozessen der fünfziger Jahre Diether Posser im Report von 2001 geißelte, ein noch viel längeres Leben beschieden sein: Dem straffrei gestellten "Kronzeugen" und dem staatsbesoldeten "Zeugen vom Hörensagen".
Wird die von Schäuble, Zypries und Co. beabsichtigte Kronzeugen-Regelung Wirklichkeit, so bleibt es verschärft dabei, daß jeglichem Rechtsschutz Beschuldigter zum Hohn schwerste Beschuldigungen dubioser Kronzeugen, nicht genannter V-Leute und anonymer Geheimzeugen vorgetragen und vor Gericht unter Mißachtung des Fragerechts der Angeklagten als feststehende Tatsache und nicht hinterfragbares Beweismittel akzeptiert werden. Der "Alarm", den Posser damals dagegen "schlagen" wollte, scheint die Öffentlichkeit leider nicht aufgerüttelt zu haben. Gleichfalls fast gleichmütig nimmt eine Mehrheit offenbar auch die Feststellung des ehemaligen Bundesverfassungsrichter Jürgen Kühling zur Kenntnis, der im "Report" von 2003 die faktische Abschaffung des Fernmeldegeheimnisses konstatierte. "Da wird die Wanze zum Standard" - diese Kritik Burkhard Hirschs zur Lauschpraxis des bayrischen Verfassungsschutzes könnte im übertragenen Sinne im Hinblick auf die Totalerfassung aller Telekommunikation bald umfassende Alltagswirklichkeit werden.
Veteranen verhüten Schlimmeres - aber...
Da kann man nur hoffen, daß ein weiterer Grundrechtsveteran, der Kölner Rechtsanwalt, ehemalige FDP-Stadtverordnete und Bundesinnenminister Gerhart Baum, mit seiner Ankündigung erfolgreich sein wird, gegen die geplante "Vorratsspeicherung" von Telekommunikationsdaten wiederum das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Und immerhin, das muß man schon einräumen, haben Baum, Burkhart Hirsch und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit ihren Verfassungsklagen gegen den Großen Lauschangriff und letztlich gegen Schilys "Luftsicherheitsgesetz", also den Abschuß "terrorverdächtiger" Passagierflugzeuge, in Karlsruhe Erfolg gehabt. Noch geht also die Demontage von Grund- und Menschenrechten im Namen einer absolut gesetzten angeblichen Sicherheit nicht ganz widerstandslos vonstatten. Und in gewisser Weise sind die Grundrechte, so gesehen, bei "Pensionären", die eben auch zu den AutorInnen des Grundrechte-Reports gehören, in besseren Händen als bei den per Amtseid zum Schutz der Grundrechte verpflichteten, gegenwärtig regierenden Rechts- und Innenpolitikern.
...Widerstand ist Bürgerpflicht
Doch es wäre naiv und in gewisserweise umgekehrt "grundrechtsvergessen", wenn wir "Bürger" - im Sinne des urdemokratischen "citoyen" wohlgemerkt - einer sympathischen Riege unerschrockener Unruheständler, wie seinerzeit die verängstigten Dorfbewohner im Filmklassiker, die ehrenvolle, aber letztlich überfordernde Aufgabe überlassen, sich wie die sieben Samurai oder die zehn Gerechten für "unsere Grundrechte" zu schlagen. Mit solcher Stellvertretermentalität, die wiederum die eigene Verantwortung auf vermeintlich Berufenere delegiert, kann keine Demokratie wirklich überleben. Oder überhaupt erst einmal geschaffen werden. Das müssen wir schon selber tun.
Den dafür notwendigen Motivationsschub aus nüchterner Information und nötiger Wut sollten wir uns vorher aus der Lektüre des "Grundrechte-Reports" verschaffen. Danach aber sollten wir - und sei es ein letztes Mal - auf einen unserer Grundrechts-Veteranen hören, ehe die Grundrechte komplett in Pension geschickt werden: den Kölner Altliberalen Gerhart Rudolf Baum. Der rief nämlich im September letzten Jahres, anläßlich einer Veranstaltung über die Situation von "Papierlosen" und "illegalen Einwanderern" im Schauspielhaus, kämpferisch dazu auf: "Es wird endlich Zeit, daß wir für unsere eigenen Grundrechte mal auf die Straße gehen!" So könnten wir auch die einzig richtige Anwort auf die zweifelnde Frage von Grundrechte-Report-Herausgeber Till Müller-Heidelberg geben: "Wer schützt die Verfassung?"
In diesem Sinne werden wir im nächsten NRhZ-Flyer auf die aktuelle "Jubiläumsausgabe" des Grundrechtereports, die seit zwei Tagen der Öffentlichkeit vorliegt, noch im Einzelnen eingehen.

Grundrechte-Report
Die HerausgeberInnen: Müller-Heidelberg / Finckh / Steven / Kühn / Micksch / Kaleck / Kutscha / Gössner / Schreiber
Der GRUNDRECHTE-REPORT 2006 - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland wurde am 22. Mai in einer Pressekonferenz der Herausgeber-Organisationen in Karlsruhe vorgestellt. In der nächsten NRhZ-Ausgabe folgt ein Beitrag aus dem Report von Rolf Gössner: "Der Muslim-Test".
Fischer Taschenbuch Verlag in der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt/M. Juni 2006
256 Seiten, ISBN: 3-596-17177-6; Preis 9,95 EUR
Neue Internet-Adresse: www.grundrechte-report.de
Aus dem Inhalt:
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Der Fall Khaled el Masri
Heiner Busch: Kontrollwahn ohne Sinn und Verstand-jedermann wird
erkennungsdienstlich behandelt
Rolf Gössner: Gesinnungstest für Muslime
Ulrich Finkh: Wenn Fundamentalisten Toleranz fordern
Martin Singe: Freiheitsrechte aufgehoben-Der Besuch von US-Präsident
George Bush in Mainz
Gerd Eggers: Gericht bricht Kirchenmonopol
Elke Steven: Die Versammlungsfreiheit stirbt scheibchenweise
Rainer Deppe/Christa Sonnenfeld: Abschiebegegner ohne Rechte
Nils Leopold: 450 Millionen Europäer unter Generalverdacht
Till Müller-Heidelberg: Denn sie wissen, was sie tun - Verfassungsfeinde
in Bundesregierung und Bundestag
Jürgen Rose: Auftrag Menschenjagd - Kommandosoldaten der
Bundeswehr im schmutzigen Krieg am Hindukusch
Wolf Dieter Narr: Grundrechte im Irrgarten des Polizeirechts
Eckart Spoo: Ist Kritik am Kapitalismus verfassungsfeindlich?
Karl Kopp: Eiserner Vorhang der EU
Norman Paech: Die Brücke von Varvarin
Online-Flyer Nr. 45 vom 23.05.2006
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Zerstörungsprotokoll und Aufruf zum Widerstand
Von Hans-Detlev von Kirchbach
"Alternativer Verfassungsschutzbericht"
Wenn alljährlich die "Verfassungsschutzberichte" des Bundes und der Länder erscheinen, so ist das für die herrschende Innenpolitik hierzulande meist Anlaß, noch weitere Eingriffe in demokratische Grundrechte zu fordern, noch tiefgreifendere Beschränkungen des Versammlungs-, Demonstrations- und Vereinigungsrechts voranzutreiben, Polizei und insbesondere Geheimdiensten immer mehr Kompetenzen zur Überwachung der Bürger einzuräumen. Diesen Ritualen, mit denen die Staatsreligion des allumfassenden Sicherheitsstaates ihre regelmäßigen Exerzitien feiert, wollten Bürgerrechtsvereinigungen wie das in Köln ansässige Komitee für Grundrechte und Demokratie und die Humanistische Union eine demokratische Alternative entgegensetzen.
So erschien 1996 der erste "Grundrechte-Report", der nunmehr in sein zehntes Jahr geht. Als "alternativen Verfassungsschutzbericht" und Bestandsaufnahme über den Zustand der Grundrechte hierzulande begreifen Herausgeber und Autoren dieses alljährliche Sammelwerk, das reichhaltig, aber letztlich doch immer nur bruchstückhaft, den Jahr für Jahr beschleunigt vorangepeitschten Prozeß der Grundrechtsdemontage dokumentiert und kritisiert. Was in Teilen einer noch kritischen Öffentlichkeit immerhin, wenn auch deutlich resignative, Aufmerksamkeit erregt, stößt bei den politischen Adressaten allerdings auf taube Ohren; bestenfalls, so wollen wir hier einmal sarkastisch vermuten, stehen die AutorInnen des Grundrechte-Reports schon auf einer schwarzen Liste der kritisierten "Staatsschutz"-Einrichtungen.
Verfall des Grundrechtsbewußtseins
Dabei kann der "Grundrechte-Report" immer wieder mit allerlei politischer Autoren- und Unterstützer-Prominenz aufwarten. Dafür stand in diesem Jahr zum Beispiel die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, die den diesjährigen Jubiläums-Report bei der Pressekonferenz in Karlsruhe der Öffentlichkeit vorstellte. In der Autorenliste des vergangenen Jahrzehnts finden sich klangvolle Namen wie etwa Burkhart Hirsch, der ehemalige FDP-Innenminister von Nordrhein-Westfalen, oder sein einstiger SPD-Kabinettskollege Diether Posser. Solche Personalien könnten an sich immerhin in gewisser Weise hoffnungsvoll stimmen, wenn es sich denn nicht überwiegend um Pensionäre handeln würde.
Bei Rechts- und Innenpolitikern der älteren Generation, das ist der leider deprimierende Umkehrschluß, war offenbar noch, gerade vor dem Hintergrund eigener biographischer Erfahrungen mit Nazidiktatur und Autoritarismus der 50er Jahre, zumindest ein Ansatz von Grundrechtssensibilität vorhanden, der den heutigen forschen Managern des totalen Sicherheits- und Überwachungsstaates vollkommen abzugehen scheint. Freilich war es gerade Gerhard Schröders Kabinetts-Methusalem Otto Schily, der wie kein anderer Innenpolitiker seit Adenauers Zeiten den formierten Rückmarsch in den alten, allerdings technisch unvergleichlich perfektionierten, Autoritarismus vorangetrieben hat. Aus der für seinesgleichen symptomatischen Mißachtung für "Bedenkenträger" und "Grundrechtsfundamentalisten" hat Schily, der sich von seinem Kanzler gern mit dem französischen Polizeistaatsminister Fouchè vergleichen ließ, nie einen Hehl gemacht.
Noch viel schlimmer als befürchtet
Und so ist es auch nicht erstaunlich, wenn man beim Blick in ältere Ausgaben des "Grundrechte-Reports" feststellen muß, daß die dort jeweils warnend prognostizierten oder heftig kritisierten Fehlentwicklungen mittlerweile, geradezu nach dem Motto: Nun erst recht, zugespitzte Wirklichkeit geworden sind. Dank der Großen Koalition wird etwa einem "unfairen Beweismittel", dessen "langes Leben" seit den antikommunistischen Inquisitionsprozessen der fünfziger Jahre Diether Posser im Report von 2001 geißelte, ein noch viel längeres Leben beschieden sein: Dem straffrei gestellten "Kronzeugen" und dem staatsbesoldeten "Zeugen vom Hörensagen".
Wird die von Schäuble, Zypries und Co. beabsichtigte Kronzeugen-Regelung Wirklichkeit, so bleibt es verschärft dabei, daß jeglichem Rechtsschutz Beschuldigter zum Hohn schwerste Beschuldigungen dubioser Kronzeugen, nicht genannter V-Leute und anonymer Geheimzeugen vorgetragen und vor Gericht unter Mißachtung des Fragerechts der Angeklagten als feststehende Tatsache und nicht hinterfragbares Beweismittel akzeptiert werden. Der "Alarm", den Posser damals dagegen "schlagen" wollte, scheint die Öffentlichkeit leider nicht aufgerüttelt zu haben. Gleichfalls fast gleichmütig nimmt eine Mehrheit offenbar auch die Feststellung des ehemaligen Bundesverfassungsrichter Jürgen Kühling zur Kenntnis, der im "Report" von 2003 die faktische Abschaffung des Fernmeldegeheimnisses konstatierte. "Da wird die Wanze zum Standard" - diese Kritik Burkhard Hirschs zur Lauschpraxis des bayrischen Verfassungsschutzes könnte im übertragenen Sinne im Hinblick auf die Totalerfassung aller Telekommunikation bald umfassende Alltagswirklichkeit werden.
Veteranen verhüten Schlimmeres - aber...
Da kann man nur hoffen, daß ein weiterer Grundrechtsveteran, der Kölner Rechtsanwalt, ehemalige FDP-Stadtverordnete und Bundesinnenminister Gerhart Baum, mit seiner Ankündigung erfolgreich sein wird, gegen die geplante "Vorratsspeicherung" von Telekommunikationsdaten wiederum das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Und immerhin, das muß man schon einräumen, haben Baum, Burkhart Hirsch und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit ihren Verfassungsklagen gegen den Großen Lauschangriff und letztlich gegen Schilys "Luftsicherheitsgesetz", also den Abschuß "terrorverdächtiger" Passagierflugzeuge, in Karlsruhe Erfolg gehabt. Noch geht also die Demontage von Grund- und Menschenrechten im Namen einer absolut gesetzten angeblichen Sicherheit nicht ganz widerstandslos vonstatten. Und in gewisser Weise sind die Grundrechte, so gesehen, bei "Pensionären", die eben auch zu den AutorInnen des Grundrechte-Reports gehören, in besseren Händen als bei den per Amtseid zum Schutz der Grundrechte verpflichteten, gegenwärtig regierenden Rechts- und Innenpolitikern.
...Widerstand ist Bürgerpflicht
Doch es wäre naiv und in gewisserweise umgekehrt "grundrechtsvergessen", wenn wir "Bürger" - im Sinne des urdemokratischen "citoyen" wohlgemerkt - einer sympathischen Riege unerschrockener Unruheständler, wie seinerzeit die verängstigten Dorfbewohner im Filmklassiker, die ehrenvolle, aber letztlich überfordernde Aufgabe überlassen, sich wie die sieben Samurai oder die zehn Gerechten für "unsere Grundrechte" zu schlagen. Mit solcher Stellvertretermentalität, die wiederum die eigene Verantwortung auf vermeintlich Berufenere delegiert, kann keine Demokratie wirklich überleben. Oder überhaupt erst einmal geschaffen werden. Das müssen wir schon selber tun.
Den dafür notwendigen Motivationsschub aus nüchterner Information und nötiger Wut sollten wir uns vorher aus der Lektüre des "Grundrechte-Reports" verschaffen. Danach aber sollten wir - und sei es ein letztes Mal - auf einen unserer Grundrechts-Veteranen hören, ehe die Grundrechte komplett in Pension geschickt werden: den Kölner Altliberalen Gerhart Rudolf Baum. Der rief nämlich im September letzten Jahres, anläßlich einer Veranstaltung über die Situation von "Papierlosen" und "illegalen Einwanderern" im Schauspielhaus, kämpferisch dazu auf: "Es wird endlich Zeit, daß wir für unsere eigenen Grundrechte mal auf die Straße gehen!" So könnten wir auch die einzig richtige Anwort auf die zweifelnde Frage von Grundrechte-Report-Herausgeber Till Müller-Heidelberg geben: "Wer schützt die Verfassung?"
In diesem Sinne werden wir im nächsten NRhZ-Flyer auf die aktuelle "Jubiläumsausgabe" des Grundrechtereports, die seit zwei Tagen der Öffentlichkeit vorliegt, noch im Einzelnen eingehen.

Grundrechte-Report
Die HerausgeberInnen: Müller-Heidelberg / Finckh / Steven / Kühn / Micksch / Kaleck / Kutscha / Gössner / Schreiber
Der GRUNDRECHTE-REPORT 2006 - Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland wurde am 22. Mai in einer Pressekonferenz der Herausgeber-Organisationen in Karlsruhe vorgestellt. In der nächsten NRhZ-Ausgabe folgt ein Beitrag aus dem Report von Rolf Gössner: "Der Muslim-Test".
Fischer Taschenbuch Verlag in der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt/M. Juni 2006
256 Seiten, ISBN: 3-596-17177-6; Preis 9,95 EUR
Neue Internet-Adresse: www.grundrechte-report.de
Aus dem Inhalt:
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Der Fall Khaled el Masri
Heiner Busch: Kontrollwahn ohne Sinn und Verstand-jedermann wird
erkennungsdienstlich behandelt
Rolf Gössner: Gesinnungstest für Muslime
Ulrich Finkh: Wenn Fundamentalisten Toleranz fordern
Martin Singe: Freiheitsrechte aufgehoben-Der Besuch von US-Präsident
George Bush in Mainz
Gerd Eggers: Gericht bricht Kirchenmonopol
Elke Steven: Die Versammlungsfreiheit stirbt scheibchenweise
Rainer Deppe/Christa Sonnenfeld: Abschiebegegner ohne Rechte
Nils Leopold: 450 Millionen Europäer unter Generalverdacht
Till Müller-Heidelberg: Denn sie wissen, was sie tun - Verfassungsfeinde
in Bundesregierung und Bundestag
Jürgen Rose: Auftrag Menschenjagd - Kommandosoldaten der
Bundeswehr im schmutzigen Krieg am Hindukusch
Wolf Dieter Narr: Grundrechte im Irrgarten des Polizeirechts
Eckart Spoo: Ist Kritik am Kapitalismus verfassungsfeindlich?
Karl Kopp: Eiserner Vorhang der EU
Norman Paech: Die Brücke von Varvarin
Online-Flyer Nr. 45 vom 23.05.2006
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