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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Inland
Wie man Energiekonzernen hilft und die Stromverbraucher für dumm verkauft
Solarstrom - Preistreiber ohne Nutzeffekt?
Von Michael Houben

Für Stromverbraucher eine Hiobsbotschaft: Die Strompreise werden im kommenden Jahr weiter steigen. Laut Stromversorgern gibt es dafür einen Schuldigen, den stark gestiegenen Anteil an Solarstrom und die für ihn gezahlte hohe Einspeisevergütung. Gegner der Erneuerbaren fordern daraufhin, die Vergütung für Solarstrom müsse gesenkt werden, seine Befürworter halten die Meldung für den neuen Höhepunkt einer scheinheiligen Kampagne.


Quelle: http://www.wagner-solar.com
 
Es ist unbestritten: Wer Solarstrom ins Netz einspeist, erhält pro Kilowattstunde deutlich mehr Geld, als dieselbe Menge Strom an der Börse kostet. Zur Zeit muss der örtliche Netzbetreiber jede Kilowattstunde Solarstrom, die von einer neu errichteten ‚Hausdachanlage‘ in das Netz eingespeist wird, mit 33 Cent je Kilowattstunde vergüten. Die Vergütung wird von den Netzbetreibern dann auf alle verkauften Kilowattstunden umgerechnet und als sogenannte EEG-Umlage von den Stromkunden kassiert. Das ist seit zehn Jahren politisch so gewollt und soll dazu führen, dass die Produktion von Photovoltaikanlagen steigt und mit steigenden Stückzahlen die Kosten sinken. Es ist unbestritten, dass die Zahl der installierten Anlagen viel schneller gestiegen ist, als selbst glühendste Befürworter noch vor wenigen Jahren für möglich hielten. Daraus folgt nun - ebenso unbestritten - dass Stromkunden eine von Jahr zu Jahr steigende Summe für Solarstrom zahlen müssen. Der Anstieg beträgt von 2009 auf 2010 ziemlich genau eineinhalb Cent je Kilowattstunde. Fraglich ist allerdings, ob deshalb der Strompreis tatsächlich steigen muss.
 
Der Großhandelspreis für Strom entsteht an der Leipziger Strombörse EEX. Selbst wenn ein Stromversorger sein 'Rohprodukt' nicht an der Börse, sondern direkt vom Kraftwerksbetreiber kauft, orientiert sich der Preis grundsätzlich am Börsenpreis. Wer dessen Verlauf betrachtet, stellt fest: seit einem Höhepunkt 2008 ist der Strompreis an der Börse spürbar gesunken. Da in dieser Zeit Steuern und Abgaben konstant geblieben sind, könnte man erwarten, dass auch der Endkundenpreis entsprechend fällt. Doch der ist weiter gestiegen. Das beklagt auch der Chef der Bundesnetzagentur Prof Matthias Kurth. Seit die Regierung Kohl Ende der 90er Jahre den 'freien Wettbewerb der Stromanbieter' ausgerufen und gleichzeitig die staatliche Preisaufsicht abgeschafft hat, ist seine Behörde dafür zuständig, den Teil der Kosten zu regulieren, der für die Netzdurchleitung anfällt. Sie bestimmen (neben Börsenpreis für Strom 'ab Kraftwerk' und staatlichen Abgaben zu rund einem Drittel) den Endkundenpreis - und sind ebenfalls spürbar gesenkt worden. So konnten die Stromversorger mit steigenden Endkundenpreisen ihre Gewinnspanne deutlich steigern.


Lieber weiter Atomstrom – aus dem EON-AKW Grohnde?
Foto: Heiko Meyer/Greenpeace
 
Für den Bund der Energieverbraucher hat Gunnar Harms - im Hauptberuf Stromeinkäufer eines großen deutschen Industrieunternehmens - präzise durchgerechnet, wie stark die Gewinnspanne gestiegen ist. Ergebnis: allein in den letzten zwei Jahren um 1,5 Cent je Kilowattstunde. Damit könnten die steigenden Kosten für Solarstrom von den Stromverkäufern problemlos ausgeglichen, die Endkundenpreise konstant gehalten werden. Die angekündigte Strompreiserhöhung ist also eigentlich überflüssig - doch es ist klar dass die Stromkonzerne ihre Gewinnspanne halten wollen, die Strompreise erhöhen und damit - ganz nebenbei - Stimmung gegen den ungeliebten Ökostrom machen. Rückendeckung dafür erhalten sie vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, dem RWI. In einer viel zitierten Studie hat dies schon zu Beginn des Jahres ausgerechnet, wie viele Milliarden die Stromkunden für den Solarstrom zahlen müssen. Resultat: 65 Milliarden allein für die bis heute installierten Solarstromanlagen. Für Stromkunden eine erschreckende Zahl - durch die angekündigte Preiserhöhung nun für jeden greifbar. Kein Wunder, dass an den Stammtischen der Zorn über die teure und laut RWI auch unsinnige Subvention immer lauter wird. 
 
Solarstromsubvention - wie hoch ist sie wirklich?
 
Auf den ersten Blick scheint es einfach, die Höhe der Subvention pro Kilowattstunde zu berechnen. Man nehme die gezahlte Einspeisevergütung ziehe den Börsenpreis von Solarstrom ab (laut RWI 5 Cent). Die Differenz ist Subvention. Wer so rechnet, vergisst allerdings: Es gibt drei Arten von Börsenpreis. Als erstes: die sogenannte Grundlast, die über 24 Stunden verteilt verbraucht wird - geliefert im Normalfall von Atom- oder Braunkohlekraftwerken, die rund um die Uhr mit weitgehend konstanter Leistung laufen. Es gibt aber auch Spitzenlast. Tagsüber, wenn mehr Strom verbraucht wird und produziert werden muss. Diese Spitzenlast ist im Schnitt 30 Prozent teurer. Weil Solarstrom aber tatsächlich 'nur' tagsüber anfällt, ersetzt er ohne jeden Zweifel teureren Spitzenlaststrom. Die Rechnungen des RWI vergleichen jedoch den Preis von Solarstrom mit billigem Grundlaststrom und sind in diesem Punkt schlicht falsch. Und nicht nur in diesem:
Nur ein Teil des Stromes wird Jahre im Voraus gehandelt, schließlich ist der Verbrauch von vielen Faktoren abhängig und schwer abschätzbar. Dafür gibt es den sogenannten Spot-Markt. Hier kaufen Stromhändler ihre Ware im Extremfall 'just in time', normalerweise aber am Vortag. Dabei ist der Preis sehr abhängig von der Nachfrage. Selten auftretende Verbrauchsspitzen werden von Kraftwerken gedeckt, die im Extremfall nur wenige Wochen, Tage oder gar Stunden pro Jahr in Betrieb sind. Ihr Strom ist zwangsläufig sehr teuer.
 
Wie funktioniert die Strombörse?
 
An der Strombörse wird nun der Preis für den gesamten Spotmarkt immer vom letzten, teuersten Kraftwerk bestimmt. Dadurch kann eine kleine Erhöhung der Spotmarktnachfrage den Preis für die gesamte am Spotmarkt gehandelte Menge kräftig erhöhen. Eine kleine Senkung der Nachfrage drückt den Preis kräftig. Und jede Kilowattstunde Solarstrom senkt die Nachfrage nach 'Normalstrom', und damit dessen Spotmarktpreis. Für Windstrom liegen die Daten schon seit Jahren vor - eine im Auftrag der Bundesregierung schon 2007 von einem halben Dutzend Forschungsinstituten vorgenommene Berechnung kam zu dem Ergebnis, dass der eingespeiste Windstrom den Preis für Normalstrom schon in den Jahren 2005 und 2006 um jeweils drei bis fünf Milliarden Euro jährlich gesenkt hat. Nur ein einziges Institut geht davon aus, dass dieser Effekt (aus unerklärten Gründen) bei Solarstrom nicht auftritt. Es ist das RWI.
 
Das Wuppertal-Institut Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hat Anfang des Jahres durchgerechnet, wie stark das RWI durch solche Annahmen die Subvention für Solarstrom künstlich aufgebläht hat. Ergebnis: Selbst wenn man konservativ rechnet und nur die gröbsten Fehler korrigiert, beträgt die Summe nicht 65, sondern knapp 55 Milliarden. Und das vom Jahr 2000, dem Beginn der Einspeisevergütung, bis zum Jahr 2030, dem Jahr, in dem die garantierte Vergütung für 2010 errichtete Anlagen ausläuft. Das ist der wichtigste Trick bei der Produktion dieser Horror-Zahl. Die vom RWI publizierte Summe verteilt sich auf 30 Jahre. Pro Jahr kosten die bislang errichteten Anlagen den Stromkunden durchschnittlich nur rund 1,8 Milliarden. Immer noch viel Geld, aber deutlich weniger, als pro Jahr (vom Steuerzahler) für Atom- und Steinkohlesubvention ausgegeben wird. Allein für die heimische Steinkohleverstromung wird die Bundesregierung in den kommenden 8 Jahren rund 30 Milliarden ausgeben. Das ist – pro Jahr – mehr als das Doppelte.
 
Trotzdem: Viel Geld für wenig Strom?
 
Solarkritiker antworten, Die Solarförderung sei trotzdem zu hoch. Schließlich trage Solarenergie nur ein Prozent zur deutschen Stromerzeugung bei. Das ist schlicht falsch, weil Schnee von gestern. In den letzten 18 Monaten hat sich die Zahl der installierten Module verdoppelt. Dadurch wird der Solarstromanteil bereits in diesem Jahr auf über zwei Prozent steigen. Immer noch wenig. Aber wie gezeigt, handelt es sich um Spitzenlaststrom, der dann eingespeist wird, wenn die Nachfrage am höchsten ist. Selbst an durchweg bewölkten Tagen wird so viel Solarstrom eingespeist, dass (umgerechnet) ein AKW 'arbeitslos' wird. In diesem Oktober (nun wahrlich nicht die sonnenreichste Zeit des Jahres) wird um die Mittagszeit durchschnittlich so viel Solarstrom eingespeist, wie vier Atomkraftwerke erzeugen. An wirklich sonnigen Tagen, steht der Rekord bei rund 9 Atomkraftwerken. Tendenz rapide steigend. Solarstrom wird zur ernsthaften Konkurrenz für konventionelle Kraftwerke. Nachdem die Stromkonzerne sich fast ein Jahrzehnt lang auf den Ausstieg aus der Atomenergie vorbereitet haben und entsprechend eine beachtliche Zahl neuer Kohlekraftwerke in Bau gegangen sind, führt die nun beschlossene Verlängerung der Atomlaufzeiten zu massiven Überkapazitäten bei konventionellen Kraftwerken. Das macht den unerwartet schnellen Zuwachs bei den erneuerbaren Energien für die Kraftwerksbetreiber noch unangenehmer als er ohnehin schon ist.

Anlage:
Grafik: Stromproduktion in Deutschland am 23.09.2010 (in Gigawatt zwischen 0 und 24 Uhr)
Laut Wetterbericht ein sonniger Herbsttag mit eher unterdurchschnittlichen Windgeschwindigkeiten.
Gelb zeigt die eingespeiste Menge Solarstrom, blau die eingespeiste Menge Windstrom, Grau dargestellt ist der in konventionellen Kraftwerken erzeugte Strom.


Quelle: Deutsche Strombörse EEX, grafische Umsetzung der Daten: Michael Houben
 
Solarstrom – Nischenprodukt oder Konkurrenz ?
 
Selbst ein Anstieg der Solarstromerzeugung auf zwei Prozent des deutschen Strombedarfs erscheint auf den ersten Blick natürlich banal. Da die Einspeisevergütung für neu errichtete Anlagen von der Bundesregierung gerade schlagartig um fast 16 Prozent gesenkt wurde und mit der Neufassung des Gesetzes für kommende Jahre eine Absenkung von bis zu 13 Prozent jährlich beschlossen wurde, dürfte der Zuwachs künftig auch etwas langsamer ausfallen. Für die Stromkonzerne entsteht aber gerade dadurch eine neue Gefahr. Nach jetziger Planung läge die gesetzliche Einspeisevergütung schon im Jahr 2013 deutlich unter dem Strompreis für Haushaltskunden. Wenn die Hersteller es – wie bisher – schaffen, ihre Produktionskosten und damit die Anschaffungskosten einer Anlage ebenso schnell zu senken, wäre der Strom vom eigenen Dach für Hausbesitzer schon in drei Jahren billiger als vom Stromversorger gekaufter Strom. Das könnte einen weiteren Nachfrageschub auslösen, die Stückzahlen noch weiter steigen und die Preise noch weiter fallen lassen. Wer das verhindern will, muss die Einspeisevergütung vorher so stark senken, dass der Bau von Solaranlagen für Hausbesitzer unwirtschaftlich und der Boom gestoppt wird.
 
Unabhängige Forschung oder Auftragsarbeit?
 
So wurde schon lange kolportiert, die Studie des RWI, die schon seit Monaten einer möglichst schnellen Kürzung der Solarförderung den publizistischen Boden bereitet, sei eine Auftragsarbeit für die großen Stromkonzerne. Immerhin gibt es seit Jahrzehnten enge Verknüpfungen zwischen dem Essener Wirtschaftsforschungsinstitut und dem in Essen ansässigen Stromkonzern RWE. Der Förderverein des Institutes, mit Namen ‚Freunde und Förderer des RWI‘, steht traditionell unter Leitung hochrangiger RWE-Manager. Bis 2008 leitete der langjährige RWE Vorstandsvorsitzende Dietmar Kuhnt den Förderverein. Anschließend übernahm der aktuelle Finanzvorstand des RWE diesen Posten, Rolf Pohlig. Laut RWI ein rein symbolischer Zufall. Geld – auch Drittmittel zur Finanzierung einzelner Forschungsvorhaben – habe das Institut nicht erhalten. Als Autoren des ARD-Magazins Monitor die Verknüpfungen des RWI mit der Energiewirtschaft genauer unter die Lupe nahmen, konnten sie diese Behauptung nicht widerlegen, stießen jedoch auf eine pikante andere Geldquelle der vermeintlich unabhängigen Forscher. Die Studie „Die ökonomischen Wirkungen der Förderung Erneuerbarer Energien: Erfahrungen aus Deutschland“, die in Deutschland seit Anfang des Jahres den Kritikern der Solarförderung als immer wieder zitierte Quelle dient, ist praktisch zeitgleich in den USA auch in Englisch erschienen. In beiden Fällen wird sie – ohne Nennung von Geldgebern – als unabhängige Arbeit des RWI präsentiert. Allerdings findet Sie sich auch auf den Seiten des Washingtoner ‚Institute for Energy Research‘ (IER). Sie dient dort als Beleg dafür, dass Deutschland mit der Solarförderung schlechte Erfahrungen gemacht habe und deshalb ähnliche Vorhaben von Präsident Obama in den USA unbedingt zu stoppen sind. Tatsächlich ist das IER in den USA als reine Lobbyorganistation der Öl- und Kohleindustrie bekannt und präsentiert die Ergebnisse des RWI in einem eigenen Papier als ‚strike three‘ (‚Schlag Nummer drei’). Zitat: „First Spain, then Denmark, now Germany“ Tatsächlich waren auch in Spanien und Dänemark Studien erstellt worden, die vermeintlich verheerende Folgen der dortigen Solar- und Windstromförderung behaupteten. In den USA dienten sie als Kampagnenfutter gegen Präsident Obamas Pläne, erneuerbare Energien stärker zu fördern. In den jeweiligen Ländern dienten sie den lokalen Energiekonzernen als argumentative Munition. Als die Monitor-Autoren nun die auf dem Server des Washingtoner Institutes verfügbaren Dokumente gründlich durchsuchten, stellten sie fest: Alle drei Studien, auch die des RWI, waren komplett vom IER, also von der amerikanischen Öl- und Kohleindustrie, finanziert worden.
 
Der beim RWI für die Studie verantwortliche Hauptautor, Prof. Manuel Frondel, behauptete im Interview zunächst noch, es gäbe keine Finanziers. Mit den Recherchen konfrontiert, räumte er ein, dass ein ihm vorher unbekanntes unabhängiges amerikanisches Institut die Arbeit finanziert habe. Darauf hingewiesen, dass es sich um eine Lobbyorganisation amerikanischer Energiekonzerne handelt, meinte er „Gut, das war uns nicht in diesem Maße bekannt. Sollte aber keine Rolle spielen, von wem wir etwas finanziert bekommen, was wissenschaftlich unangetastet ist und was durch Veröffentlichung in peer-reviewed, wissenschaftlichen Journals, dann anerkannt wird." Tatsächlich ist sein Papier aber ausdrücklich nicht in einem wissenschaftlichen Journal und auch nicht ‚peer-reviewed‘, also unabhängig begutachtet publiziert worden. Und warum wurde der Geldgeber in der Studie nicht genannt? Das Nennen von Finanziers gilt in der wissenschaftlichen Welt als absolutes Muss, ein Verschweigen als schwere Verfehlung: Prof. Manuel Frondel daraufhin: „Dann muss es ein Versehen gewesen sein, aber eigentlich hatten wir das in die Studie hineingeschrieben." Vor laufender Kamera suchte er in seinem Bürorechner - ebenso in der gedruckten Version - und fand nirgendwo einen Hinweis auf den Geldgeber, der wurde erst nach dem Interview in die vom RWI publizierten Dokumente eingesetzt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
 
Weitere ‚Argumente’ gegen den Solarstrom
 
Hier noch eine Reihe von Argumenten gegen den Solarstrom – die in ähnlicher Form auch vom RWI immer wieder herangezogen – und inzwischen an vielen Stammtischen von Gegnern der Solarenergie gerne genutzt werden. Allerdings sind sie – bei genauer Betrachtung – mindestens so falsch, wie die Subventionsberechnungen des RWI.
 
"Solarförderung fließt vor allem nach China."
Auch die Befürworter der erhöhten Einspeisevergütung wissen natürlich, dass die beabsichtigte Anschubfinanzierung der Solarförderung zunächst Geld kostet – und verweisen auf den langfristigen Nutzen sowie auf den sofort wirksamen positiven Effekt im Arbeitsmarkt. Beim Bau von Solaranlagen entstehen pro investiertem Euro (und später pro erzeugter Kilowattstunde) deutlich mehr Arbeitsplätze als beim Bau und Betrieb konventioneller Großkraftwerke. Weil dieser Effekt auch von den Gegnern des Solarstroms nicht widerlegt werden kann, verweisen die in den letzten Jahren immer wieder darauf, dass inzwischen rund die Hälfte der in Deutschland montierten Solaranlagen importiert werden, überwiegend aus Asien – Tendenz steigend. Entsprechend, so das Argument, kommt die Solarförderung längst vor allem asiatischen Arbeitskräften zu Gute. Klingt plausibel, ist es aber nicht: Nur rund die Hälfte der Kosten entsteht durch den Kauf der Module. Der Rest entfällt auf elektronische Komponenten (bei denen Deutschland immer noch unbestrittener Weltmarktführer ist) und vor allem die Montage auf dem Dach. Wenn aber die Module nur die Hälfte der Gesamtkosten ausmachen und nur die Hälfte der Module importiert wird, fließt offensichtlich nur ein Viertel der Solarförderung ins Ausland. Der Rest bleibt im Land. Und selbst das ist noch zu kurz gesprungen. Denn die Anlagen, mit denen Zellen und Module in Asien produzieren werden, sind ….. zum größten Teil ‚Made in Germany‘, der Weltmarktführer sitzt im Baden Württemberg.
 
"Solarstrom kann nicht gespeichert werden."
Muss er auch (noch) nicht. Er fällt schließlich tagsüber an - just zu der Zeit, in der ohnehin viel Strom verbraucht wird. Darauf kontern Solarkritiker mit dem Hinweis, die Solarstrommenge sei nicht vorab planbar, zu sehr vom kurzfristigen Wechsel zwischen Sonnenschein und Bewölkung abhängig. Für jede einzelne Solaranlage mag das stimmen. Bundesweit aber gleichen sich einzelne Wolkenfelder weitgehend aus, sind kurzfristige Schwankungen vernachlässigbar. Das zeigen die seit Anfang Januar von der Strombörse veröffentlichten Daten: Eine täglich ab den Morgenstunden steigende Kurve, die mittags ihre Spitze erreicht und bis zum Sonnenuntergang wieder absinkt - ohne jeglichen kurzfristigen Ausreißer. Dort wird auf Grundlage der Wettervorhersage auch jeweils am Vortag abgeschätzt, wie viel Solarstrom am nächsten Tag zur Verfügung steht: bislang täglich auf wenige Prozent genau. Solarstrom ist konstanter und berechenbarer verfügbar als Windstrom. Und er kann nicht kurzfristig ausfallen. Ein einzelnes Atomkraftwerk, das gut 1100 Megawatt Strom liefert, muss gelegentlich unvorhergesehen vom Netz gehen und damit das Stromnetz destabilisieren. Zehntausende Solaranlagen fallen - anders als etwa das AKW Krümmel - niemals gleichzeitig aus.
 
"Solarstrom ist unzuverlässig, es müssen immer Reservekraftwerke in Bereitschaft stehen. Stimmt, aber wieder nur zum Teil."
Tatsächlich muss – wie bisher schon – eine unveränderte Zahl von Spitzenlastkraftwerken vorhanden sein, am Tag des höchsten Stromverbrauchs und der geringsten Sonneneinstrahlung den Strombedarf decken können. Problem für deren Betreiber: Je mehr Solarstromkapazität vorhanden ist, desto seltener kommen diese Spitzenlastkraftwerke zum Zuge. An Tagen mit hoher Sonneneinspeisung wird ihr Strom nicht gebraucht, könnte allenfalls exportiert werden – entsprechend billiger muss er an der Börse angeboten werden. Ein Neubau solcher Kraftwerke wird zunehmend unrentabel – Spitzenlaststrom könnte langfristig wieder teurer werden. Stimmt – aber nur, wenn man die derzeitige Struktur des Kraftwerksparks als gottgegeben betrachtet. Wenn im Winter wenig Sonne scheint, steigt der Heizwärmebedarf. Seit Jahrzehnten gibt es sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung. Normale Kraftwerke nutzen weniger als die Hälfte der im Brennstoff steckenden Energie zur Stromproduktion, der Rest entweicht als Wolke aus dem Kühlturm. Heizkraftwerke und kleinere Blockheizkraftwerke nutzen die Abwärme zur Heizung ganzer Stadtteile oder Straßenzüge, noch kleinere Anlagen können bereits in Mehrfamilienhäusern oder großen Einfamilienhäusern sinnvoll eingesetzt werden. Sie arbeiten auch dann wirtschaftlich, wenn sie den Großteil Ihrer Leistung nur im Winter einsetzen können, bilden daher eine ideale Ergänzung zum Solarstrom und können den Bedarf an konventionellen Spitzenlast-Reservekraftwerken spürbar verringern. Weil die kombinierte Erzeugung von Wärme und Strom aber nur in kleineren Einheiten, relativ ‚dezentral‘ möglich ist, passt auch diese Energieform den Großkonzernen nicht ins Konzept. (PK)


Online-Flyer Nr. 274  vom 03.11.2010

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