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Krieg und Frieden
Der Beginn des Kampfes um die Neuaufteilung der Welt
Mussolinis Überfall auf Äthiopien (Teil 1/2)
Von Gerhard Feldbauer

Der Weg in den Zweiten Weltkrieg war gekennzeichnet durch einen wütenden Antikommunismus, die brutale Unterdrückung der Arbeiterbewegung und aller demokratischen Kräfte und die blutige Niederhaltung und Ausraubung der kolonialen und abhängigen Völker, was im Rahmen eines verschärften Konkurrenzkampfes der imperialistischen Mächte stattfand. Japan, das nach der Vorherrschaft in Asien strebte, besetzte 1931 die Mandschurei und fiel 1937 in Nord- und Zentralchina ein. 1939 wehrten mongolische und sowjetische Truppen japanische Überfälle in die Mongolische Volksrepublik am Chalchingol ab.

Der Weg in den Zweiten Weltkrieg war gekennzeichnet durch einen wütenden Antikommunismus, die brutale Unterdrückung der Arbeiterbewegung und aller demokratischen Kräfte und die blutige Niederhaltung und Ausraubung der kolonialen und abhängigen Völker, was im Rahmen eines verschärften Konkurrenzkampfes der imperialistischen Mächte stattfand. Japan, das nach der Vorherrschaft in Asien strebte, besetzte 1931 die Mandschurei und fiel 1937 in Nord- und Zentralchina ein. 1939 wehrten mongolische und sowjetische Truppen japanische Überfälle in die Mongolische Volksrepublik am Chalchingol ab.

Mussoliniitalien begann am 3. Oktober 1935 einen Feldzug zur Eroberung Abessiniens (Äthiopien). Mit der Eroberung des afrikanischen Kaiserreiches

Benito Mussolini
Foto: G.G. Bain/Wikipedia
  wollte  der „Duce“ zunächst sein ostafrikanisches Kolonialreich vollenden, um dann „die Kolonialkarte Afrikas zu ändern und die Frage der Neuaufteilung der Welt praktisch zu stellen.“ Im  Dezember 1934 hatte Italien auf äthiopischem Gebiet bei Ual Ual (Ogaden) einen schweren Grenzzwischenfall provoziert, um einen  Vorwand für den späteren Überfall zu schaffen.   Während sich Mussolini demagogisch für eine friedliche Lösung aussprach, befahl er bereits am 30. Dezember, den Krieg vorzubereiten, dessen Ziel „die vollständige Eroberung Äthiopiens sein“ werde. Im Februar begann die Verschiffung der 400.000 Mann starken Kolonialarmee nach den italienischen Kolonialgebieten Eritrea und Somalia.

Appeasement half dem Aggressor

Frankreich und Großbritannien schauten der Kriegsvorbereitung nicht nur tatenlos zu, sondern ermunterten den Aggressor regelrecht. In einem Geheimvertrag mit Mussolini gab der französische Außenminister Pierre Laval am 7. Januar 1935 in Rom  grünes Licht für die Annexion. Nachdem der „Duce“ gegenüber London erklärt hatte, dass „seine Interessen in Ostafrika nicht beeinträchtigt“ würden, tolerierte auch Großbritannien die italienische Kriegsvorbereitung. Dem „Appeasement“, das  später im Münchener Abkommen seinen Höhepunkt erreichte, diente auch ein am 15. August von Paris und London unterbreiteter Vorschlag, gemeinsam mit Rom über Äthiopien ein Protektorat zu verhängen. Mussolini lehnte ab. Trotz der offensichtlich bevorstehenden Aggression waren  Laval und der britische Außenminister Samuel Hoare bei einer  Zusammenkunft am 10. September nicht bereit, militärische Maßnahmen zur Sicherung der äthiopischen Unabhängigkeit zu vereinbaren.

Der von Paris und London beherrschte Völkerbund    verurteilte zwar am 7. Oktober Italien als Aggressor, verhängte  jedoch nur weitgehend wirkungslose Sanktionen und überließ sein Mitglied Äthiopien seinem Schicksal. Vom 

Plakat "Blitz"-(Krieg) für Ätiopinen
Quelle: Wikipedia
Embargo war das für Luftwaffe und Panzer entscheidende Erdöl ausgenommen. Großbritannien und Frankreich befürchteten, eine Niederlage im Kolonialfeldzug könnte Italien schwächen und sogar zum Sturz Mussolinis führen. Wie der englische Historiker A. L. Rowse berichtete, antwortete Außenminister Lord John Simon auf die Frage, warum man nicht ein Schiff im Suezkanal  versenke, um die Transportwege Italiens zu seinen Armeen in Äthiopien zu unterbrechen,  „Wir können das nicht tun, weil das Mussolinis Sturz bedeuten würde.“ Washington, das dem Völkerbund nicht angehörte, brach die Beziehungen zu Rom nicht ab. Seine Erdöllieferungen nach Italien verdreifachten sich bis Ende 1935  auf 1.252.000 Dollar. Für wirksame Sanktionen trat nur die UdSSR ein, die  forderte, jegliche Zufuhr von Erdöl nach Italien und zu dem Kriegsschauplatz zu unterbinden, dazu auch  die Durchfahrt durch den Suezkanal zu sperren. Der Völkerbund ignorierte die Anträge.

Die italienischen Kommunisten und Sozialisten, die 1934 ein Aktionseinheitsabkommen geschlossen hatten, riefen nach Brüssel einen  „Kongress der Italiener im Ausland“ ein, der am 13. Oktober die sofortige Einstellung der Aggression forderte. Der Kongress vertrat die Mehrheit der etwa 850.000 in Frankreich im Exil lebenden Italiener. Auf dem VII. Weltkongress der Komintern 1935 in Moskau betonte  Palmiro Togliatti  den gemeinsamen Kampf „der Proletarier und  unterdrückten Völker“ und versicherte „das abessinische Volk unserer Sympathien“.

Befehl zum Völkermord

Das Gros der Truppen, das aus dem Raum Agordat im Norden Eritreas in der Hauptstoßrichtung auf der alten Kaiserstrasse in Richtung Addis Abeba angriff, kommandierte der Befehlshaber der Kolonialarmee, General Emilio de Bono selbst. Im Süden stieß eine zweite Gruppe unter General Rodolfo Graziani Richtung Westen zur Eisenbahnlinie Djibouti-Addis Abeba vor. Das strategische Ziel zu erreichen erforderte, spätestens bis Mai in der Hauptstadt anzukommen, da danach durch die einsetzende Regenzeit das Gelände nicht mehr passierbar war.

Das afrikanische Kaiserreich war ein  für afrikanische Verhältnisse entwickelter Staat, der seit 1923 dem Völkerbund angehörte. Er verfügte über  eine Armee von 550.000 Mann, die 20.000 Krieger zählende kaiserliche Garde war von europäischen Offizieren ausgebildet. Die Truppen  stießen zunächst rasch ins Landesinnere vor. Am 6. Oktober eroberten sie Adua, am 15. die heilige Stadt Axum, Stätte des berühmten Obelisken in Form einer steinernen Totenstele. In Adua, wo Italien bei seinen ersten kolonialen Eroberungsfeldzügen 1896 von den vereinigten  äthiopischen Stämmen  vernichtend geschlagen worden waren (von 18.000 Soldaten entkamen nur 2.500), kam es zu besonders grausamen Vergeltungen mit Exekutionen,Vergewaltigungen und Plünderungen.


Karte Äthiopien 1936-1940
Quelle: Wikipedia

Die Äthiopier brachten die italienische Offensive trotz der großen Überlegenheit an Flugzeugen, schwerer Artillerie und  Panzern sowie massiver Luftangriffe auf Städte und Dörfer nicht nur zum Stehen, sondern gingen auch zu Gegenangriffen über und stießen sogar auf italienisch Eritrea vor. Mussolini löste am 16. November De Bono wegen der Misserfolge ab und übertrug  Marschall Pietro Badoglio das Kommando. Gleichzeitig befahl er „zur Überwindung des Widerstandes“ das Giftgas Yperit einzusetzen. Bis April  1936  wurden daraufhin über den äthiopischen Stellungen nach wahrscheinlich unvollständigen Angaben wenigstens  350 Tonnen des Giftgases abgeworfen. In einem Bericht Badoglios nach Rom hieß es, „Giftgaseinsatz hat sich als höchst  effizient erwiesen“. Viele der  etwa  275.000 Toten des Feldzuges  auf äthiopischer Seite fielen vor allem dem Yperit  zum Opfer.  Der Kolonialarmee gelang danach der Durchbruch. Am 5. Mai 1936 zog sie in Addis Abeba ein. Zwei Tage vorher war Kaiser Haile Selassiè nach London ins Exil abgeflogen.

Italienische Kommunisten in der Armee des Negus

Italien brach mit dem Giftgaseinsatz dass 1925 unterzeichnete internationale Abkommen über den Verzicht des Einsatzes chemischer Waffen. Um keine Berichte darüber an die Öffentlichkeit kommen zu lassen, wies der „Duce“ am 30. April 1936 an, gefangen genommene Europäer, die in der äthiopischen Armee gekämpft hatten, zu erschießen. In der Armee des Negus kämpften auch  38 italienischen Kommunisten, denen es gelungen war, nach Äthiopien durchzukommen. Über ihr Schicksal ist wenig bekannt. Unter ihnen befand Ilio Barontini, der später in Spanien  das Kommando über die internationale Garibaldi-Brigade hatte. Nach dem Sturz Mussolinis 1943 gehörte er zu den Organisatoren des bewaffneten Widerstandes  gegen Hitlerdeutschland. (HDH) 

In der nächsten Ausgabe folgt Teil 2 und Schluss:
Interessenkonflikt Berlin-Rom.   

Unser  Autor schrieb zum Thema das Buch „Mussolinis Überfall auf Äthiopien. Eine Aggression am Vorband des Zweiten Weltkriegs“. Pahl Rugenstein, Bonn 2006.


Online-Flyer Nr. 270  vom 06.10.2010

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