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Inland
Ist der rechtsextreme Filmehändler in der Mitte der Gesellschaft angekommen?
Höffkes Wandel durch Handel?
Von Eberhard Reinecke

Vom Prozess des Filmhändlers Höffkes gegen die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten haben wir bereits berichtetet. Das Landgericht Berlin hatte eine Klage von ihm bereits im Juni abgewiesen. (1) Seine von ihm selbst eingeräumte rechte Vergangenheit war so eindeutig, dass das Landgericht die Veröffentlichung der VVN für eine zulässige Meinungsäußerung hielt. Rechtsanwalt Eberhard Reinecke berichtet über den Prozess und die Lehren daraus. – Die Redaktion
 

In Nürnberg 1946 zu lebenslanger Haft
verurteilt – Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß
Quelle: Wikipedia
Es war sicherlich nicht der erste Prozess, in dem jemand versuchte, sich von seiner Vergangenheit zu verabschieden und die Erinnerung daran auch gerichtlich verbieten zu lassen. Ohne Zweifel sollte man über jeden Aussteiger aus der rechten Szene dankbar sein, doch geht es Höffkes darum? Die Distanzierung von seiner Vergangenheit klang hohl. Die Vorhaltungen zu seinen Lobeshymnen auf den „Reichsjugendführer Axmann“ noch im Jahre 1996 konterte er im Prozess mit der flauen Erklärung: „Die Bezeichnung als 'integrer selbstloser Idealist' (für Axmann) ... ist, das räumt der Kläger ein, aus heutiger Sicht unzureichend und zu naiv, um Axmanns historische Rolle umfassend zu darzustellen.“ Mit einem Wort: Keine wirkliche Einsicht, keine inhaltliche Distanzierung.

Neue Geschäftsfreunde Guido Knopp und Stefan Aust
 
Statt einer inhaltlichen Auseinandersetzung argumentiert er mit seinen neuen Geschäftsfreunden insbesondere mit Guido Knopp, Stefan Aust und anderen. Ein schönes im Prozess erörtertes Beispiel für die Argumentation ist dabei der Film „Geheimakte Hess“, über den telepolis im Jahre 2004 berichtet hatte. (2) Die unter maßgeblicher Beteiligung eines rechten Germanisten erstellte DVD wird noch heute über die „Polarfilm-GmbH“ vertrieben und im Internet von dieser wie folgt beworben: „Neue Archivfunde aus England deuten darauf hin, dass die britische Regierung die deutschen Friedensangebote von Anfang an torpedierte. Spielte Churchill auf Zeit, um die USA und die Sowjetunion in den Krieg zu ziehen? Wurde Hess bis zu seinem Tod inhaftiert, um dieses Vorgehen, das Millionen Menschen Gesundheit und Leben kostete, zu verschleiern?“ Nicht der Angriffskrieg der Nazis, sondern der Widerstand der Briten war also ursächlich für die Toten des 2. Weltkrieges. Es folgen dann noch die sattsam bekannten Thesen vom Zweifel am Selbstmord von Hess. An dem Unternehmen Polarfilm war Höffkes zur Hälfte beteiligt. (Ob er das heute noch ist, haben wir nicht geprüft, im Prozess hatte er erklärt, seine Hälfte an der Firma zum Verkauf zu stellen.) Und wie verteidigte Höffkes diesen Film? Der jetzt vertriebene Film sei identisch mit dem auf dem Fernsehsender n-tv gezeigten Film, der von der freiwilligen Selbstkontrolle geprüft und freigegeben worden sei, also könne er auch kein rechtes Gedankengut enthalten. So zieht sich dann durch die Schriftsätze, wer ihn alles einlädt (auch die Fraktion der Linken im Bundestag), mit wem er alles Geschäfte macht.

Polarfilm beliebt in der rechten Szene
 
Die Motivation von Höffkes wird daran klar: er hat erkannt, dass das wirkliche Geschäft mit den (unkommentierten) Privatfilmen gemacht wird, an denen er die Rechte erworben hat. Er sei doch nur Händler von Filmen (vor allem von Privataufnahmen), er verkaufe sie an jeden und sei nicht dafür verantwortlich, was daraus werde. So Höffkes in der mündlichen Verhandlung beim Landgericht. Die von ihm aufgekauften Filme an andere zu lizenzieren, ist das Geschäft. Was ist dagegen das frühere Kerngeschäft in der rechten Szene? Um seine Reputation zu erhöhen lässt er die Polarfilm schon einmal einen (dann verlorenen) Prozess gegen einen rechten Buch- und Videovertrieb führen, um dem zu verbieten, die Produkte der Polarfilm zu vertreiben. Die entscheidende Frage, warum eigentlich die Produkte der Polarfilm in der rechten Szene so gut ankommen, stellt sich Höffkes nicht. Die Berichte über seine Vergangenheit stören die Geschäfte. Die wirklich interessante Frage ist aber: Warum ist der Handel mit diesen Filmen ein so gutes Geschäft?
 
Thomas Willms hat in der Ausgabe der antifa (Juli und August 2010) im Artikel „Waffen-SS live“ (3) genau die Bedeutung dieser Filmhändler für die Gewöhnung an Krieg und Faschismus beschrieben: „Die kommerzielle Verwertung von Elementen des historischen Faschismus hat ohne Zweifel ideologische Folgen, die noch völlig offen sind. Bedeutsam ist, dass sich die Nutzung auf Werte wie »Heroismus«, »maskulines Kämpfertum« und eine kritiklose Bewunderung des Militärischen konzentriert, allesamt nicht singulär für den Faschismus, aber in ihm eine historische Zuspitzung findend.“

Eigentlich dieselben Vorwürfe gegen ZDF, n-tv etc.
 
Wer will, kann heute auf den Dokumentationssendern von Phoenix über n-tv bis hin zu n24 jede Menge Kriegsdokumentationen sehen. Kämpfe aller Waffengattungen bis hin zu Kamikazeangriffen werden hier „dokumentiert“ und damit zu einem gewöhnlichen Ereignis gemacht. Oft steht allein die technische Seite des Krieges im Vordergrund, nicht sein verbrecherische Charakter. Die damit einhergehende Abstumpfung für kriegerische Auseinandersetzungen ist ein langfristig wirkendes Gift. Karl Höffkes hat sich im Prozess bitterlich darüber beschwert, dass die VVN ihn herausgegriffen hätte, aber eigentlich dieselben Vorwürfe gegen ZDF, n-tv etc. erheben müsste. In der Tat: Was treibt diese Sender, sich bei dem rechtsextremen Filmemacher und Historiker – so darf er genannt werden – zu bedienen? Noch wichtiger aber die Frage: Was treibt sie dazu, kritiklos Filmmaterial aus kriegerischen Auseinandersetzungen einzusetzen um die x-te Dokumentation über Hitler, seine Frauen, seine Diener, seine Hunde oder was auch immer zu verbreiten. Eine genauere Auseinandersetzung mit kriegverherrlichendem Material in „seriösen“ Sendern tut not. (PK)
 
(1) http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0662_urteil.htm
(2) (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18429/1.html)
(3) http://antifa.vvn-bda.de/201007/1101.php


Online-Flyer Nr. 269  vom 29.09.2010

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