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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Arbeit und Soziales
Von der Leyen und das neue Unterhaltsrecht
Ausgedient
Von Dr. Sabine Schiffer

Das neue Scheidungs- und Unterhaltsrecht hat es in sich – und scheint sich als extrem frauenfeindlich zu entpuppen, auch wenn Frau von der Leyen noch dafür verantwortlich zeichnet. Ihre sieben Kinder musste sie ja nie alleine betreuen. Das sieht für diejenigen, die sich noch um ihre Kinder kümmern, ganz anders aus. In etwa so…

Ein Mann Mitte 50 orientiert sich neu, nimmt sich eine jüngere Partnerin. Seine Noch-Ehefrau, die die drei studierenden Kinder der Familie groß gezogen hat wird nun gebeten, doch die gemeinsame Doppelhaushälfte zu verlassen und sich eine Arbeit zu suchen. Letzteres kommt ihr gelegen, da sie hofft, mit einer neuen Aufgabe über den Verlust hinweg zu kommen. Aber mit Anfang 50 findet schon ein Mann schwer Arbeit im heutigen Deutschland, eine Frau nach langer Pause hat gar keine Chance. Anspruch auf Unterhalt hat sie nun nicht mehr, die Erziehungsarbeit zählt rückwirkend nicht – also Hartz IV oder „Aussöhnung mit dem Ehemann“.

Gerichtsurteile bringen neue Schieflage

Würde spielt bei der Gesetzgebung keine Rolle, die wohl dafür sorgen soll,

Verantwortlich für neues Desaster:  
Ursula von der Leyen
Quelle: BMAS
dass Männer sich wieder trauen, mehr Kinder in die Welt zu setzen und im Zweifelsfalle mehr als eine Familie zu gründen. Unser Bundespräsident hat es vorgemacht und angesichts der „demografischen Bedrohung“, die allerorten beschworen wird, müssen halt die Frauen bluten. Mal sehen, ob und wie lange diese Art von „Familienpolitik“ aufgeht, die einem demografischen Faktor huldigt, der nur in absoluten Zahlen misst, nicht in persönlichen Tragödien. Denn wie es den Frauen geht, spielt schon keine Rolle, aber wie es den Kindern geht, offensichtlich auch nicht.
 
Nun gibt es erste Urteile – etwa das, wo eine Mutter, die als Altenpflegerin tätig ist, verlangte, dass der Vater des fünfjährigen Kindes ihr durch zusätzliche Unterhaltszahlungen ermöglicht, weniger Stunden zu arbeiten und so ihren Schichtdienst mit der Kinderbetreuung zu vereinbaren. Urteil: Keinen Cent, keinen Babysitter. Sie solle sich einen anderen Job mit günstigeren Arbeitszeiten suchen! Klar, es hat auch viel Missbrauch mit Unterhaltsansprüchen gegeben – aber nun scheint die eine Schieflage durch eine andere beseitigt zu werden.
 
Eine ganz junge Mutter wird soeben geschieden und zieht mit ihrem kleinen Sohn in eine zwei Zimmerwohnung. Sie ist gesundheitlich angeschlagen und ihr Kind auch nicht das stabilste. Als Beamtin ist sie relativ abgesichert, obwohl sie nur 15 Stunden die Woche arbeiten kann – der Kleine kommt jetzt in den Kindergarten und ab seinem 3. Lebensjahr versiegen die Unterhaltszahlungen für die Mutter. Nur die fürs Kind werden fortgeführt und mit dem aufgestockten Kindergeld kommt sie so ach und krach über die Runden – man kann sich ausrechnen, was dieser Mutter einmal als Rentnerin für ein Lebensabend bevor steht. Sie hat ja im neoliberalen Sinn nicht richtig „gearbeitet“. Diese bedrücken derweil andere Sorgen: Wenn nämlich das Kind krank ist und das ist es recht oft, muss es sofort mit Medikamenten vollgestopft werden, damit es wieder in (die idealtypisch vorhandene, jedoch sehr oft fehlende) Betreuung gegeben und die Mutter zur Erwerbsarbeit gehen kann – zwar wäre es aus gesundheitlichen Gründen sinnvoller, das Kind sich in Ruhe auskurieren und langfristig stabilisieren zu lassen, aber auch das ist im neuen Recht nicht vorgesehen. Mütter, die wegen ihrer Kinder zu Hause bleiben, soll es nicht mehr geben. Die zahlen ja dann auch keine Steuern oder Hortgebühren und sind wirtschaftlich somit von minderer und damit zu vermeidender Qualität. Das neoliberale Menschenbild der Reduktion auf den wirtschaftlichen Nutzen reicht bis in die Kinderzimmer.
 
Wehe aber, der Vater holt später einmal den jugendlichen Sohn zu sich – was vergleichsweise häufig vorkommt – dann kann er die Mutter auf Unterhalt für den Jungen verklagen. Egal, ob diese in den Kleinkind- und Grundschuljahren wenig hat außer Hausarbeiten können und darum beruflich keineswegs in einer vergleichbaren Situation wie die des Vaters sein kann. Und auch egal, wenn dieser den vielleicht 15-Jährigen völlig sich selbst bzw. dem Computer überlässt und weiterhin Vollzeit seiner beruflichen Tätigkeit nachgeht. Die Mutter muss nun zahlen und kann sogar darauf verklagt werden, dass sie ihren Beruf wechseln oder einen Nebenjob annehmen muss, um wenigstens den Mindestunterhalt zahlen zu können. Kann sie das nicht und erhält der Mann einen UnterhaltsTitel, dann kann er sie in Zukunft pfänden lassen – zum Beispiel, falls sie einmal etwas erben sollte oder gar irgendeine Lebensversicherung fürs ungesicherte Alter hätte.



Die Kinder sind immer die Opfer
Foto: Hans-Dieter Hey - gesichter zei(ch/g)en

Wer nun meint, dies sei ein männerfeindlicher oder gar feministischer Text, dem ist sofort zuzustimmen – und wer meint, die Auswirkungen der neuen Regelungen seien übertrieben, der bringe gerne Gegenbeispiele bei. Natürlich wären auch Männer, die sich für ihre Kinder aufopfern und dafür einen Tritt in den Hintern bekommen, zu bedauern. Wir werden die Zahlenverteilung in ein paar Jahren genau wissen! (HDH)


Online-Flyer Nr. 266  vom 08.09.2010

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