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Aktueller Online-Flyer vom 27. April 2024  

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Kultur und Wissen
Macht die Kirche krank?
Kriminell und unfehlbar
Von Theodor Weißenborn

Gefragt, ob der Schutz der Menschenrechte den Vorrang vor der Respektierung kirchlicher Morallehren haben soll, antworte ich: „Uneingeschränkt ja!"  In einem solchen Verdikt steckt natürlich Konfliktstoff. Denn Fakt – wenn auch weithin geleugnet und verdrängt – ist, dass die Kirche als Feind der Menschenrechte gelten kann und spätestens seit der Konstantinischen Wende par excellence menschenfeindlich agiert.


Nach dem Ersten Weltkrieg, in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, gab es in Kampala eine Syphilis-Epidemie, nachdem katholische Missionare die in Uganda übliche Polygamie verboten hatten. Die aus dem schützenden Sozialverband der Großfamilien verstoßenen Frauen zogen sich daraufhin zu Tausenden vom Land in die Hauptstadt zurück, um sich dort zu prostituieren. Damals wirkten die Missionare verheerend. Verheerend deshalb, weil sie gewachsene Sozialstrukturen zerstörten. Sie mochten, um es freundlich zu formulieren, wohlmeinende Schwachköpfe gewesen sein.

Und unser oberster „Seelenhirt“ in Rom verbietet seinen Schafen den Gebrauch von Kondomen auf die Gefahr hin, dass sie zu Hunderttausenden,

Widerstand im Schatten der Kirche
Collage: Hans-Dieter Hey
vielleicht zu Millionen an AIDS erkranken und eines elenden Todes sterben. Aber Dr. phil. Karol Wojtyla, Wissenschaftler von Rang und mit Habilitationsschrift über den bekannten Soziologen und Philosophen Max Scheler, wollte als Papst aus den alten gefährlichen Torheiten nichts lernen. Im Zeitalter von AIDS erteilte er seinen Mitmenschen in sexualibus wissent- und willentlich Ratschläge, deren Befolgung für die Betroffenen qualvolles Siechtum und Tod bedeuteten. Das ist nicht nur Ausdruck zwanghaften Starrsinns. Das ist schlicht kriminell, auch wenn es kein Gesetz gibt, das solchem Frevel Einhalt gebietet.

Dass jemand sich gar für unfehlbar hält – wobei er gerade in diesem Punkt irrt – mag man als humorbegabter Mensch noch mit Schmunzeln quittieren und dabei denken: Nun ja, wenn‘s weiter keinen Schaden anrichtet. Der Spaß hört aber auf, wenn der Starrsinn despotisch wird und wenn, wie zu Zeiten der Hexenverfolgung, dogmatische Hybris sich auf göttliches Geheiß beruft und sich in massenpsychotischer, kollektiver Raserei austobt. Dies gilt auch für die sogenannten heiligen Kriege, gleichgültig, ob sie im Namen Allahs oder, wie die Kreuzzüge zur Befreiung Jerusalems, im Namen des christlichen Gottes geführt wurden.

Überhaupt erscheinen mir große Verbrechen der Menschheitsgeschichte wie gigantische kollektive Psychosen. Und der Umstand, dass sie oft religiös motiviert waren und sind oder religiös begründet werden, erscheint dies entweder als spezifisches psychiatrisches Krankheitssymptom oder als Ausdruck besonderer krimineller Perfide. Zur Rechtfertigung einer jeden Scheußlichkeit großen Stils muss Religion herhalten: man denke nur an die sexuelle Verstümmelung der Mädchen in den islamischen Ländern Afrikas. Und drst kürzlich warnte Dr. Miriam Casey, Fachärztin der Osteoporose-Abteilung des St.-James-Krankenhauses in Dublin in der „Sunday Times“ vor der Ganzkörperverschleierungen, weil der Vitamin-D-Mangel zur Mineralisationsstörung der Knochen führe. Dies beginne schon bei Kindern. Schon dort „entwickeln sich durch das Tragen des Körpergewichts O-Beine und eine watschelnde Gangart. Später kann es Rachitis geben, das durch Mangel an Vitamin D verursacht wird, geschwollene Handgelenke, häufigere Knochenbrüche.“ Auch Beckenbrüche bei Geburten könne es geben.

Und selbst die Nazis – denen der Beistand der christlichen Kirchen bekanntlich nicht genügte – schufen sich mit Rosenbergs „Mythos des zwanzigsten Jahrhunderts" eine Rechtfertigungsideologie in Form eines quasi-religiösen Überbaus. Im Bündnis mit der Gottheit, im „Gottes Namen, fühlt der Schurke sich stark, und frei nach Paulus könnte er sagen: ich begehe jedes nur denkbare Verbrechen in dem, der mich stärkt." 1)

Das Gewissen – die sogenannte Stimme Gottes – ist offenbar eine plastische Größe, knetbar wie Plastilin und als moralische Autorität nicht zuverlässiger als menschliche Willkür schlechthin. Und wo Menschenleben Gott zuliebe geopfert werden, da wird die Gottheit zum Moloch, vor dem uns nur grauen kann. Dazu zum Schluss ein Zitat, das exakt in diesen Zusammenhang passt: „Wenn der AIDS-infizierte Ehemann die lebenslängliche völlige Abstinenz nicht fertigbringt, ist es besser, dass er seine Frau infiziert, als dass er ein Kondom nimmt, denn die Wahrung spiritueller Güter, wie des Sakramentes der Ehe, ist dem Gut des Lebens vorzuziehen." So – wörtlich! – Carlo Cafarra, der Leiter des Päpstlichen Instituts für Ehe- und Familienfragen, am 12. Novem­ber 1988 auf dem internationalen Moraltheologen-Kongress in Rom.

Hier spätestens stellt sich die Frage: Wie gemeingefährlich darf kirchliche Indoktrination sein und wie verheerend darf sie sich auswirken, bevor die weltliche Gesetzgebung einschreitet? (HDH)

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1) Alfred Rosenberg: Der Mythus des 20. Jahrhunderts. Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit. 33.–34. Auflage. Hoheneichen-Verlag, München 1934, Online verfügbar: Scribd .
Weißenborn, Theordor
Rüstung – jein und amen
Helmes-Verlag, 1. Auflage 2003, 480 Seiten
ISBN: 3932212371

Weißenborn, Theordor
Rüstung – jein und amen
Helmes-Verlag, 1. Auflage 2003, 480 Seiten
ISBN: 3932212371


Am Samstag, den 25.09. um 16 Uhr findet zum Thema „Macht die Kirche Krank?“ im Fredenkerzentrum Köln, Bayentalstr. 11, eine Vortragsveranstaltung statt.


Online-Flyer Nr. 263  vom 18.08.2010

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