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Globales
Folterchef der Roten Khmer hat Aussicht auf ein Alter in Freiheit
Eine Zukunft unter Palmen für Duch?
Von Alexander Goeb

Am 26. Juli wurde in Phnom Penh das erste Urteil gegen einen hochrangigen Vertreter des Pol Pot-Regimes der Roten Khmer gesprochen, dem zwischen 1975 und 1979 fast zwei Millionen Menschen zum Opfer fielen. Vor den Richtern des Internationalen Tribunals stand Kaing Guek Eav (67), genannt Duch, der Folter- und Geheimdienstchef, Leiter der Folterzentrale S-21, die nur sieben von nahezu 20 000 Häftlingen lebend verlassen hatten. 35 Jahre Gefängnis verkündete die kambodschanischen und internationalen Richter.


Kaing Guek Eav, genannt Duch – heute und damals
Quelle: http://blogs.librodearena.com
 
Auf den ersten Blick hieß das: Lebenslänglich für einen 67jährigen. Denn, kaum denkbar, dass der Folterchef über hundert Jahre alt werden würde. Aber dann kamen die Details. Strafmildernd rechneten die Tribunal-Richter fünf Jahre an, weil dem „Gott des Bösen“ Unrecht widerfahren war, da er von 1999 bis 2007 in einem kambodschanischen Militärknast schmachten musste. Auch diese Zeit von acht Jahren, wie auch die Untersuchungshaft im Tribunal-Gefängnis von drei Jahren wurden dem Urteil zusätzlich angerechnet. Es bleiben: 19 Jahre für den „Gott des Bösen“. Kaum anzunehmen, dass der Schlächter von Tuol Sleng diese Strafe komplett absitzen muss. Es kann gut sein, dass der Massenmörder, der, wie es heißt selbst nie Hand angelegt hat, mit 75 oder 76 Jahren wieder als freier Mann unter Palmen spazieren geht.
 
Die Opfer und ihre Angehörigen sind empört und verzweifelt. Das also ist die internationale Rechtssprechung, auf die sie so gehofft hatten. Jetzt wird auch klarer, warum der erste Staatsanwalt Robert Petit, ein Kanadier, „aus privaten Gründen“ rechtzeitig 2009 das Feld geräumt hat. Er wollte mehr Gerechtigkeit. Er wollte, dass auch andere Schwerbrecher des Regimes auf die Anklagebank kommen. Die kambodschanische Korruptions-Regierung unter dem Ex-Roten Khmer Hun Sen blockierte und gibt weiterhin die Richtung vor.
 
USA und China halten sich bedeckt
 
Die USA und China, die Hauptverantwortlichen für die Tragödie von Kambodscha, halten sich bedeckt. Die USA zahlten bisher zur Unterstützung des Tribunals nur eine lächerlich geringe Summe, China gar nichts. Die hoch bezahlten Juristen, auch die aus dem Ausland, spielen mit. So ein UNO-Job ist, abgesehen vom Geld, eine prestigeträchtige und karrierefördernde Angelegenheit. Die gibt man nicht so leicht auf, auch dann nicht, wenn man wegen der Gerechtigkeit ein paar Bauchschmerzen verkraften muss. Niemand glaubt jetzt mehr, dass die vier Hauptangeklagten, die eigentlichen Chefs des Terror-Staates der Roten Khmer, die Strafe erhalten, die sie sich in drei Jahren, acht Monaten und 20 Tagen verdient haben: Lebenslänglich! Die Juristen und die lauernden Kader der Roten Khmer in den Spitzenpositionen des heutigen Kambodscha hoffen auf eine natürliche Lösung (die Angeklagten sind zwischen 78 und 84 Jahre alt) oder auf Freisprüche, weil die Beweise nach den Definitionen der internationalen Juristerei möglicherweise nicht reichen. Dass sie den Weg von Hitler, Himmler und Goebbels wählen, einen mehr oder weniger segensreichen Freitod, ist von diesen knallharten Mordgesellen nicht anzunehmen. Vielmehr erhalten sie beste medizinische Versorgung, exklusivste Speisen und wohnen in Luxusknästen, denn sie sind reich, einige sehr reich.
 
Sprüche und Parolen von damals
 
Sie hören sie nicht gerne, die Sprüche und Parolen, die sie einst absonderten. Ein paar Beispiele: Khieu Samphan, der einstige Präsident des „Demokratischen Kampuchea“, gern als der Gentleman unter den Roten Khmern bezeichnet, ein Doktor der Volkswirtschaft:
„Wenn man dem Volk treu ist, dann braucht man keine Furcht davor zu haben, buddhistischen Mönchen den Schädel einzuschlagen.“
 
Oder der ehemaligen Außenminister der Pol Potisten Ieng Sary, ein besonders perfider Mordbube im schwarzen Staatsgewand:
„Wir zögern nicht, für die Errichtung der unseren Anschauungen entsprechenden Gesellschaft Millionen Menschen zu opfern.“
 
Oder der Chefideologe und Stellvertreter Pol Pots Nuon Chea:
„Worauf müssen wir jetzt alle unsere Kräfte konzentrieren? Welche revolutionären Aufgaben haben wir zu erfüllen? Für die kommenden zehn, hundert, tausend, zehn- und hunderttausend Jahre wird es nur die eine sein: Kampuchea sowie seine in Kommunen organisierten Arbeiter und Bauern zu verteidigen und mit Riesensprüngen eine neue Gesellschaft aufzubauen.“
 
Die seinerzeitige Sozialministerin, Ehefrau Ieng Sarys, mochte auch nicht zurückstehen:
„Wir brauchen die ältere Generation nicht mehr, weil sie ihr Denken nicht ändern kann.“
 
Vielleicht aber gibt es in Kambodscha unter den Menschen einen gewissen Aufbruch. Vielleicht lassen sie sich das alles nicht mehr gefallen. Vielleicht haben sie Erfolg mit ihren Privatklagen vor dem Tribunal, über die sie verlangen, dass die Rote Khmer-Zeit endlich in den Schulbüchern auftaucht oder dass endlich die Leichen in den Massengräbern exhumiert werden. Vielleicht reden jetzt die Kambodschaner mit ihren Kindern und Enkeln, und jahrzehntelanges Schweigen ist zu Ende. (PK)

Hierzu auch der Filmclip Pol Pot von Ami Vogel in dieser NRhZ.


Online-Flyer Nr. 261  vom 04.08.2010

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